BGH zu AGB in Wohnraummietverträgen

BGH zu AGB in Wohnraummietverträgen

Verstößt eine Quotenabgeltungsklausel in einem Wohnraummietvertrag gegen § 307 I 1 BGB?

Bei einer Quotenabgeltungsklausel werden Mietern anteilige Kosten für Schönheitsreparaturen auferlegt, sofern das Mietverhältnis vor Fälligkeit der Verpflichtung zu ihrer Vornahme endet. Ist eine solche Klausel eine unangemessene Benachteiligung und somit nach § 307 I 1 BGB unwirksam?

A. Sachverhalt

Die Kläger (K) waren Mieter einer Wohnung der Beklagten (B). Sie sind aufgrund einer Vereinbarung mit B in einen zwischen B und dem Vormieter geschlossenen Mietvertrag eingetreten. Der Mietvertrag zwischen B und dem Vormieter enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

“§ 11 Schönheitsreparaturen

[…]
6. Besteht das Mietverhältnis bei Auszug des Mieters schon länger als ein Jahr oder liegen die letzten Schönheitsreparaturen während der Mietzeit länger als ein Jahr zurück und endet das Mietverhältnis vor Fälligkeit der Schönheitsreparaturen, ist der Mieter verpflichtet, anteilige Kosten für die Schönheitsreparaturen - einschließlich voraussichtlicher Mehrwertsteuer - entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebes oder eines Bauingenieurs zu zahlen, die dem Grad der durch sie erfolgten Abnutzung der jeweiligen Teilbereiche der Wohnung entsprechen. […]”

Die „Vereinbarung zum Mietvertrag“ zwischen K und B enthält unter anderem folgende Bestimmungen:

“§ 2 Schönheitsreparaturen

Zwischen dem Mieter [dem Vormieter] und dem Vermieter wurde bei Vertragsabschluss des Mietvertrages vom 29. Mai 2015 individuell vereinbart, dass der Mieter die laufenden Schönheitsreparaturen und auch anteilige Schönheitsreparaturkosten trägt, wenn bei Beendigung des Mietverhältnisses Schönheitsreparaturen noch nicht fällig sind.

Der Nachmieter übernimmt auch diese Verpflichtung. Zwischen den Parteien wurde dies ausdrücklich verhandelt. Der Vermieter war bereit, dem Nachmieter insoweit entgegenzukommen und die vom Mieter übernommene Verpflichtung zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten zu übernehmen, wenn der Nachmieter im Gegenzug einen Betrag von 80,00 € zahlt. Die Miete wurde im Hinblick auf die Vereinbarung zwischen dem Vermieter und dem Mieter zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten um diesen Betrag im Mietvertrag vom 29. Mai 2015 herabgesetzt. Der Nachmieter erklärt aber nach den Verhandlungen ausdrücklich, dass er den Vertrag insoweit unverändert übernimmt einschließlich der Verpflichtung zur Tragung der Schönheitsreparaturen bzw. anteiligen Schönheitsreparaturkosten.

§ 3 Mindestvertragslaufzeit

[…]
2. […] Wird die Wohnung zurückgegeben, bevor die Schönheitsreparaturen fällig sind, verpflichtet sich der Nachmieter für das Entgegenkommen des Vermieters nochmals hinsichtlich der Verkürzung der Mindestlaufzeit auch anteilige Kosten für die Schönheitsreparaturen - einschließlich voraussichtlicher Mehrwertsteuer - entsprechend dem Kostenvoranschlag des Vermieters oder eines vom Vermieter eingeholten Kostenvoranschlags eines Fachbetriebes oder eines Bauingenieurs zu zahlen, die dem Grad der durch sie erfolgten Abnutzung der jeweiligen Teilbereiche der Wohnung entsprechen. […]”

Das Mietverhältnis zwischen K und B wurde vor Fälligkeit der Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen beendet. Hinsichtlich des Kautionsrückzahlungsanspruchs der K hat B mit anteiligen Schönheitsreparaturkosten i.H.v. 1.253,34 Euro die Aufrechnung erklärt.

Die K verlangen von B Rückzahlung der Kaution i.H.v. 1.253,34 Euro.

B. Entscheidung

Die K verlangen nach Beendigung des Wohnraummietverhältnisses von B Rückzahlung der restlichen Kaution i.H.v. 1.253,34 Euro.

§§ 311 I, 241 I i.V.m. § 551 BGB

Die K könnten von B Rückzahlung der restlichen Kaution i.H.v. 1.253,34 Euro nach §§ 311 I, 241 I i.V.m. § 551 BGB verlangen.

I. Anspruch entstanden

Dafür müsste der Anspruch zunächst entstanden sein.

1. Begriff Kaution

Die Kaution ist die Sicherheitsleistung des Mieters für etwaige künftige Ansprüche des Vermieters aus dem Mietverhältnis, vgl. § 551 I BGB. Solche Gegenansprüche des Vermieters können sich z.B. nach Beendigung des Mietverhältnisses aus Beschädigungen der Mietsache durch den Mieter ergeben oder der Nachforderungen von Heizkosten etc. sowie etwaigen Kosten für die Vornahme von Schönheitsreparaturen.

2. Sicherungsabrede, §§ 311 I, 241 I BGB

Die Sicherungsabrede als Vertrag sui generis nach §§ 311 I, 241 I BGB beinhaltet zum einen die Verpflichtung des Mieters, dem Vermieter eine entsprechende Sicherheit (Kaution) z.B. per Überweisung der vereinbarten Geldsumme zu stellen und zum anderen die Verpflichtung des Vermieters, die verzinste Kaution (vgl. § 551 III BGB) nach Beendigung des Mietverhältnisses und Rückgabe der Wohnung sowie einer gewissen Prüfungsfrist (in der Regel maximal 6 Monate) auf das Konto des Mieters zurückzuüberweisen.

3. Aufschiebende Bedingung, § 158 I BGB

Insofern ist der Rückzahlungsanspruch des Mieters aufschiebend bedingt.

Zwischenergebnis

Der Anspruch ist entstanden.

II. Anspruch untergegangen

Der Anspruch könnte jedoch durch Aufrechnung durch B mit Kosten für anteilige Schönheitsreparaturen i.H.v. 1.253,34 Euro nach § 389 BGB ex tunc erloschen sein.

1. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB

B hat die Aufrechnung mit einer entsprechenden Forderung i.H.v. 1.253,34 Euro erklärt, § 388 S. 1 BGB.

2. Kein Aufrechnungsverbot, §§ 392 f. BGB

Es bestand auch kein Aufrechnungsverbot nach §§ 392 f. BGB.

3. Aufrechnungslage, § 387 BGB

Ferner müsste eine Aufrechnungslage bestanden haben nach § 387 BGB. Das setzt Folgendes voraus: Gegenseitigkeit, Gleichartigkeit, Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Aktivforderung, Erfüllbarkeit der Passivforderung.

a) Gegenseitigkeit

Dann müsste zunächst die Gegenseitigkeit gegeben sein, also jeder muss Gläubiger und Schuldner des anderen sein. Die K haben gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung der restlichen Kaution i.H.v. 1.253,34 Euro nach §§ 311 I, 241 I i.V.m. § 551 BGB. Das ist die Hauptforderung oder auch Passivforderung und somit die Forderung, gegen die aufgerechnet wird.

B könnte einen entsprechenden Anspruch gegen K aufgrund der Vereinbarung zum Mietvertrag hinsichtlich der anteiligen Kosten für die Schönheitsreparatur der Mietwohnung haben. Das ist dann die Aktivforderung oder Gegenforderung und somit die Forderung, mit der aufgerechnet wird. K und B haben bei der Vereinbarung zum Mietvertrag eine Quotenabgeltungsklausel vereinbart, wonach die Mieter anteilige Kosten für Schönheitsreparaturen tragen müssen, sofern das Mietverhältnis vor Fälligkeit der Verpflichtung zu ihrer Vornahme endet.

b) Wirksamkeit/Unwirksamkeit der Quotenabgeltungsklausel

Die Quotenabgeltungsklausel könnte als unangemessene Benachteiligung der Mieter unwirksam sein.

aa) Unwirksamkeit nach § 307 I 1 BGB

Die Klausel könnte nach § 307 I 1 BGB unwirksam sein. Dann müsste es sich dabei um AGB handeln. Dies sind nach § 305 I 1 BGB alle für eine Vielzahl von Verträgen vorformulierten Vertragsbedingungen, die eine Vertragspartei (Verwender) der anderen Vertragspartei bei Abschluss eines Vertrages stellt. Dies setzt eine Erklärung des Verwenders voraus, welche eine Regelung des Vertragsinhalts betrifft. Es ist zutreffend, dass

die Quotenabgeltungsklausel, die den Klägern als Mietern der Wohnung einen Teil der zukünftig entstehenden Kosten für Schönheitsreparaturen für den Fall auferlegt, dass das Mietverhältnis - wie hier - vor Fälligkeit der ihnen nach der mietvertraglichen Vereinbarung zukommenden Verpflichtung zur Vornahme von Schönheitsreparaturen endet, dann unwirksam ist - und damit ein aufrechenbarer Gegenanspruch der Beklagten nicht besteht -, wenn es sich bei dieser Vereinbarung um eine Allgemeine Geschäftsbedingung (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB) handelt. Denn diese benachteiligt die Kläger nach § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unangemessen, weil sie von ihnen verlangt, zur Ermittlung der auf sie bei Vertragsbeendigung zukommenden Kostenbelastung mehrere hypothetische Betrachtungen anzustellen, die eine sichere Einschätzung der tatsächlichen Kostenbelastung nicht zulassen ….

bb) Wirksamkeit bei individuell ausgehandelter Klausel

Fraglich ist, ob eine individuell ausgehandelte Quotenabgeltungsklausel wirksam ist.

(a) Keine Unwirksamkeit nach § 556 IV BGB

Möglicherweise handelt es sich dabei um eine zum Nachteil des Mieters gem. § 556 IV BGB abweichende Vereinbarung von den Betriebskosten nach § 556 I BGB. Es geht jedoch vorliegend

nicht um die Übernahme von Betriebskosten nach Maßgabe des § 556 Abs. 1 BGB durch die Kläger. Deren hier in Rede stehende Pflicht zur anteiligen Tragung von Kosten noch nicht fälliger Schönheitsreparaturen hat ihre Grundlage nicht in § 556 Abs. 1 BGB. … Damit kann aber … das Abweichungsverbot des § 556 Abs. 4 BGB von vornherein einer Auferlegung von Kosten für noch nicht fällige Schönheitsreparaturen auf die Kläger als Mieter nicht entgegenstehen.

Die Pflicht zur Ausführung von Schönheitsreparaturen und zur Tragung diesbezüglicher anteiliger Kosten aufgrund der Quotenabgeltungsklausel betrifft vielmehr die Instandhaltungs- und Instandsetzungspflicht aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB. Denn die Ausführung von Schönheitsreparaturen ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats ein Teil der - grundsätzlich den Vermieter treffenden (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) – Instandhaltungspflicht ….

Die Bestimmung des § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB ist dispositiv ….

Hiervon ausgehend kann … eine Quotenabgeltungsklausel grundsätzlich individualvertraglich wirksam zwischen den Mietvertragsparteien vereinbart werden ….

(b) Keine Unwirksamkeit nach §§ 134, 138 BGB

Anhaltspunkte für eine Unwirksamkeit nach §§ 134,138 BGB sind nicht ersichtlich.

Zwischenergebnis

Sofern es sich bei der Quotenabgeltungsklausel um AGB nach § 305 I 1 BGB handelt, ist diese unwirksam und ist der Anspruch von K nicht durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen.

Falls die Klausel individuell ausgehandelt worden sein sollte, ist sie wirksam und ist der Anspruch von K durch Aufrechnung nach § 389 BGB erloschen.

III. AGB oder individuelle Vereinbarung

Dementsprechend ist zunächst zu klären, ob es sich bei der Vereinbarung um AGB handelt oder diese Bestimmungen individuell ausgehandelt worden sind. Dabei ist zu beachten, dass für ein

Aushandeln der die Quotenabgeltungsklausel enthaltenen Vertragsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB erforderlich ist, dass der Verwender die betreffende Klausel inhaltlich ernsthaft zur Disposition stellt und sich deutlich und ernsthaft zur gewünschten Änderung der Klausel bereit erklärt …. Allein die vorliegend durch die Beklagte erfolgte Eröffnung von Wahlmöglichkeiten zwischen mehreren vorformulierten Vertragsbedingungen macht die vom Vertragspartner - hier den Klägern - gewählte Alternative grundsätzlich noch nicht zu einer Individualabrede …. Vielmehr muss auch hier der Vertragspartner des Klauselverwenders Gelegenheit erhalten, alternativ eigene Textvorschläge mit der effektiven Möglichkeit ihrer Durchsetzung einzubringen ….

Insoweit ist zu berücksichtigen,

dass allein der Umstand, dass die Beklagte den Klägern die Wahlmöglichkeit zwischen der Übernahme der Schönheitsreparaturen und der Zahlung einer um 80 € niedrigeren Miete einerseits sowie einer höheren Mietzahlung bei Nichtausführung von Schönheitsreparaturen andererseits eingeräumt hat, nach Vorstehendem nicht ohne Weiteres für ein Aushandeln im Sinne des § 305 Abs. 1 Satz 3 BGB und damit für das Vorliegen einer wirksamen (individualvertraglichen) Quotenabgeltungsklausel genügt.

Ergebnis

Ob K von B Rückzahlung der restlichen Kaution i.H.v. 1.253,34 Euro nach §§ 311 I, 241 I i.V.m. § 551 BGB verlangen können, hängt davon ab, ob es sich bei der Quotenabgeltungsklausel um AGB handelt.

C. Prüfungsrelevanz

Die Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen in Abgrenzung zu individuellen Vereinbarungen ist häufig Gegenstand von Examensklausuren. Der vorliegende Fall bietet die Möglichkeit, sich damit zu beschäftigen, ob überhaupt AGB nach § 305 I 1 BGB vorliegen und insofern eine unangemessene Benachteiligung nach § 307 I 1 BGB vorliegt oder es sich doch um eine zulässige individuelle Vereinbarung handelt.

(BGH Urt. v. 6.3.2024 – VIII ZR 79/22)

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