Verstoß gegen Verbotsgesetze (§ 134 BGB)

Verstoß gegen Verbotsgesetze (§ 134 BGB)

Ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Gebot verstößt, ist nichtig, wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt (§ 134 BGB). Die Vorschrift betrifft Rechtsgeschäfte aller Art, also nicht nur Verträge, sondern auch einseitige Rechtsgeschäfte und Beschlüsse.1

Der Verstoß gegen ein Verbotsgesetz begründet eine rechtshindernde Einwendung.2 Hinter ihr steht der Gedanke der Einheit der Rechtsordnung: Was gesetzlich verboten ist, soll nicht durch eine schuldrechtliche Verpflichtung zum Gebot erhoben werden können. § 134 BGB statuiert die Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts aber nicht als Strafe.3

Vorliegen eines Verbotsgesetzes

„Gesetz“ kann nach Art. 2 EGBGB jede deutsche4 Rechtsnorm sein, d. h. neben materiellen Gesetzen auch Rechtsverordnungen und Satzungen.5

Ob ein Gesetz im vorstehenden Sinn zugleich ein Verbotsgesetz i.S.v. § 134 BGB ist, muss durch Auslegung ermittelt werden. Es ist danach zu fragen, ob die jeweilige Vorschrift ein an sich zulässiges Rechtsgeschäft wegen seines Inhalts oder der Umstände seines Zustandekommens untersagt (Einschränkung des rechtlichen Dürfens).6 Dies lässt sich in aller Regel nicht bereits dem Wortlaut, sondern allein dem Sinn und Zweck der Vorschrift entnehmen.

Ist dagegen ein bestimmtes Rechtsgeschäft von vornherein nicht möglich (Einschränkung des rechtlichen „Könnens“), so liegt kein Verbotsgesetz vor. Beispiel: Schwebende Unwirksamkeit nach §§ 108, 177 BGB.

Verstoß gegen das Gebotsgesetz

Ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz liegt regelmäßig schon dann vor, wenn sein objektiver Tatbestand erfüllt ist.7 Ein Verschulden der Beteiligten ist nur erforderlich, wenn das Gesetz dies vorsieht.8

Rechtsfolge eines Verstoßes gegen das Verbotsgesetz

Die Rechtsfolge des Verstoßes ist in erster Linie dem konkreten Verbotsgesetz zu entnehmen, das dann als Spezialregelung (lex specialis) der allgemeinen Vorschrift (lex generalis) des § 134 BGB vorgeht.9

Beispiel: Ein Verstoß gegen § 57 AktG (Verbot der Einlagenrückgewähr) führt nicht zur Nichtigkeit des betreffenden Verpflichtungs- und Verfügungsgeschäfts, sondern zu einer Rückgewährhaftung nach § 62 AktG.10

Die in § 134 BGB angeordnete Nichtigkeit greift nur ein, wenn das Verbotsgesetz selbst keine ausdrückliche Rechtsfolgenregelung vorsieht und seine Auslegung ergibt, dass das Rechtsgeschäft nach dem Sinn und Zweck des Verbots keine Wirksamkeit entfalten soll. § 134 BGB enthält dabei eine widerlegliche Vermutung der Nichtigkeit („wenn sich nicht aus dem Gesetz ein anderes ergibt“).

Das Rechtsgeschäft ist dann nichtig, wenn sich das gesetzliche Verbot gegen den Inhalt des Rechtsgeschäfts richtet (Inhaltsverbote).11

Beispiele: Steuerhinterziehung im Rahmen einer „Ohne-Rechnung-Abrede“;12 ob der übrige Vertrag von diesem nichtigen Teil erfasst ist, richtet sich dann nach der Zweifelsregel13 des § 139 BGB.14 Abreden über die Zahlung von Bestechungsgeld, sofern die Voraussetzungen des § 299 StGB erfüllt sind.15 Die durch die Parteien gewählte rechtliche Gestaltung darf den Zweck einer Rechtsnorm nicht vereiteln; ein vom Gesetz missbilligter Erfolg darf nicht durch die Umgehung des Gesetzes erreicht werden.16

Dagegen bleibt ein Rechtsgeschäft in der Regel gültig, wenn sich ein Verbot nur gegen die Art und Weise des Abschlusses richtet (Vornahmeverbote).

Beispiel: Verstoß gegen § 3 LadschlG. Diese Vorschrift soll nicht den Abschluss von Austauschgeschäften verhindern, sondern den Arbeitnehmern lediglich das pünktliche Ende ihrer Arbeitszeit sichern.17

Bedeutsam ist auch die Differenzierung zwischen einseitigen und beiderseitigen Verboten: Der Verstoß gegen ein beiderseitiges Verbotsgesetz, also ein solches, welches das Rechtsgeschäft für beide Teile verbietet, führt regelmäßig zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts.18 Soll das gesetzliche Verbot hingegen lediglich eine Partei von dem Abschluss eines Vertrages abhalten (einseitiges Verbotsgesetz), ist das Geschäft in der Regel wirksam;19 nichtig ist das Rechtsgeschäft in diesen Fällen nur dann, wenn es mit Sinn und Zweck des Verbotsgesetzes unvereinbar wäre, die getroffene rechtliche Regelung bestehen zu lassen.20

Grundsätzlich hat ein Verstoß gegen ein Verbotsgesetz, sofern nicht von der Wirksamkeit des Geschäfts auszugehen ist, nur die Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts zur Folge. Zu seiner Erfüllung vorgenommene Verfügungsgeschäfte bleiben hingegen wirksam (Abstraktionsprinzip).21 Wird die Vornahme eines Verpflichtungsgeschäfts untersagt, so ist das Erfüllungsgeschäft nur nichtig, wenn das Verbot sich auch gegen seine Durchführung richtet.22 Ist das Erfüllungsgeschäft selbst verboten, wird von dem Verbot umgekehrt aber grundsätzlich auch das Verpflichtungsgeschäft erfasst.23

Die Nichtigkeitsfolge des § 134 BGB erfasst grundsätzlich das gesamte (schuldrechtliche) Rechtsgeschäft. Aus teleologischen Erwägungen kann aber auch lediglich eine Teilnichtigkeit anzunehmen sein. 24

Beispiel: Bei § 17 I 5 KHG handelt es sich um ein Verbotsgesetz nach § 134 BGB in Form einer Preisobergrenze. Wird gegen eine solche Preisbestimmung verstoßen, führt dies nicht zur Nichtigkeit der gesamten zugrundeliegenden Vereinbarung, sondern lediglich dazu, dass die Vereinbarung des überhöhten Entgelts unwirksam ist und der Vertrag im Übrigen, d.h. mit dem zulässigen Preis, aufrechterhalten bleibt.25

Die Beweislast für den Verstoß gegen ein Verbotsgesetz trägt derjenige, der sich auf die Nichtigkeit des Geschäfts beruft.26


  1. Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 134 Rn. 2.
  2. Hier und zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2022, § 6 Rn. 25.
  3. BGH, Urt. v. 16.11.2022 – VIII ZR 221/21, Rn. 59.
  4. Zu den Verbotsgesetzen i.S.v. § 134 BGB gehören nur deutsche Gesetze (BGH, Urt. v. 25.06.2021 – V ZR 218/19, Rn. 30).
  5. Hier und zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 26.
  6. Hier und zum Folgenden: Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 134 Rn. 2.
  7. BGH, Urt. v. 11.12.1991 – VIII ZR 4/91, NJW 1992, 737, 740.
  8. Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 134 Rn. 6.
  9. Hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 134 Rn. 7.
  10. BGH, Urt. v. 12.03.2013 – II ZR 179/12, Rn. 15.
  11. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 28.
  12. BGH, Urt. v. 24.04.2008 – VII ZR 42/07, Rn. 8.
  13. BGH, Urt. v. 27.05.2020 – XII ZR 107/17, Rn. 20.
  14. § 139 BGB gilt nur, wenn die Teilnichtigkeit ein einheitliches Rechtsgeschäft betrifft (hier und zum Folgenden: BGH, Urt. v. 04.05.2023 – IX ZR 157/21, Rn. 25). Entscheidendes Kriterium für die Einheit des Rechtsgeschäfts ist der Einheitlichkeitswille der Parteien. Der für die Annahme eines einheitlichen Rechtsgeschäfts i.S.v. § 139 BGB erforderliche Einheitlichkeitswille liegt vor, wenn das eine Geschäft nicht ohne das andere gewollt ist, die möglicherweise äußerlich getrennten Rechtsgeschäfte also miteinander stehen und fallen sollen. Dabei kommt es auf den rechtlichen Zusammenhang, nicht auf eine wirtschaftliche Verknüpfung an. Ein einheitliches Rechtsgeschäft i.S.v. § 139 BGB kann – bei einem dahingehenden Parteiwillen – auch dann vorliegen, wenn einzelne Rechtsgeschäfte in mehreren Urkunden niedergelegt sind, unterschiedlichen Geschäftstypen angehören und an ihnen zum Teil verschiedene Personen beteiligt sind.
  15. BGH, Urt. v. 18.01.2018 – I ZR 150/15, Rn. 23.
  16. BGH, Urt. v. 19.01.2023 – VII ZR 787/21, Rn. 25.
  17. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 29.
  18. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 31d.
  19. Hier und zum Folgenden: Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 31, 31a; Faust, BGB AT, 8. Aufl. 2023, § 9 Rn. 3.
  20. BGH, Urt. v. 25.09.2014 – IX ZR 25/14, Rn. 15 f. (zu § 57 IV Nr. 1 StBerG); BGH, Urt. v. 12.05.2016 – IX ZR 241/14, Rn. 10 (zu § 43a IV BRAO).
  21. Bitter/Röder, BGB AT, 5. Aufl. 2020, § 6 Rn. 32.
  22. Hk-BGB/Dörner, 11. Aufl. 2022, § 134 Rn. 10.
  23. BGH, Urt. v. 20.07.2005 – VIII ZR 397/03, ZIP 2005, 1824 (zu einer nichtige Übertragung eines GmbH-Geschäftsanteils).
  24. Jacoby/v. Hinden, BGB, 18. Aufl. 2022, § 134 Rn. 3.
  25. BGH, Urt. v. 20.09.2018 – III ZR 383/17, Rn. 17; BGH, Urt. v. 17.05.2018 – III ZR 195/17, Rn. 16.
  26. BGH, Urt. v. 13.01.1983 – III ZR 88/81 NJW 1983, 2018, 2019.