Ein prominenter Unterlassungsanspruch
Wer zuletzt lacht, lacht bekanntlich am besten. Zunächst obsiegte der Comedian gegen Boris Becker vor dem Landgericht, doch im Berufungsverfahren nahm der Prozess eine andere Wendung. Oliver Pocher hat es wohl momentan nicht leicht. Erst die Trennung von seiner Ehefrau und jetzt verliert er noch im Berufungsverfahren gegen die Tennislegende. Kein schöner Jahresabschluss für den Comedian. Spiel, Satz und Sieg für den Tennisspieler.
Worum geht es?
Im Oktober 2020 wurde die RTL-Show “Pocher – gefährlich ehrlich!” ausgestrahlt. Oliver Pocher machte Scherze über Becker‘s Insolvenzverfahren. “Make Boris rich again” war das Motto seiner Spendenaktion, die er ins Leben rief, bei welcher rund 500 Euro zusammenkamen. Boris Becker wollte das Geld nicht annehmen.
Der Comedian konnte es jedoch nicht gut sein lassen. Er rief einen Modepreis ins Leben, der der Tennislegende im Namen einer österreichischen Zeitschrift verliehen werden sollte. Dabei waren jedoch sowohl der Preis als auch die Zeitschrift nur ausgedacht und Teil des Streichs. Becker wusste von nichts, fiel auf den Streich herein, nahm den Preis entgegen und veröffentlichte auf Facebook sogar eine Dankesrede. Was der Tennisspieler ebenfalls nicht wusste: Im Sockel der Trophäe war das gesammelte Geld versteckt.
Becker sah sich im Nachhinein in seinem Persönlichkeitsrecht verletzt und erhob Klage. Sein Begehr: Der Beitrag sollte nicht mehr gesendet und aus dem Internet gelöscht werden. Vor dem Landgericht Offenburg blieb die Klage zunächst erfolglos. Das Gericht war der Auffassung, die Meinungs- und Rundfunkfreiheit des Comedians genieße Vorrang gegenüber dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht von Becker.
Der Tennisspieler akzeptierte dies nicht und legte Berufung ein.
Rechtliche Einordnung in der Klausur
Hier greift der sogenannte quasinegatorische Unterlassungsanspruch. Diese Konstruktion klingt kompliziert, ist sie aber nicht. Schau Dir die Voraussetzungen für die Analogie hierzu noch einmal an.
Grundsätzlich wird die Rechtswidrigkeit indiziert. Achtung: Dies ist nicht bei Rahmenrechten (wie dem Allgemeinen Persönlichkeitsrecht oder dem Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetriebes) der Fall. Hier muss eine umfassende Interessenabwägung stattfinden. Das wäre sicher der Schwerpunkt der Klausur.
Entscheidung des Gerichts
Die Berufung ist zulässig und begründet.
Dem Kläger stehe gegen den Beklagten in entsprechender Anwendung der §§ 1004 I, 2, 823 I BGB i. V. m. §§ 22, 23 KUG, Art. 2 I, Art. 1 I GG ein Anspruch auf Unterlassung der Veröffentlichung und Löschung der Filmsequenzen zu. Es liege keine Einwilligung des Klägers vor, denn der Comedian habe diesem vor Erteilung seiner Einwilligung vorgetäuscht, es handle sich um eine ernst gemeinte Preisverleihung. Tatsächlich wollte der Beklagte jedoch den Kläger aus Entertainment-Zwecken vorführen und ihm dabei das Spendengeld unterjubeln. Auch eine stillschweigende Einwilligung sei hier nicht anzunehmen.
Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das OLG der Auffassung, es handle sich bei den Aufnahmen auch nicht um solche aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 I Nr. 1 KUG, deren Veröffentlichung einer Einwilligung nicht bedürfe.
Die Prominenz allein und ein öffentliches Interesse an der Lebenssituation rechtfertigen nicht das Veröffentlichen jeglicher Abbilder von der Person. Das ist mit dem Schutz des allgemeinen Persönlichkeitsrechts unvereinbar.
Der Beklagte habe den getäuschten Kläger zu einem Objekt degradiert, weil er über die Art der Verwendung des Abbilds nicht mitentscheiden könne.
Ausblick
Der Fall eignet sich hervorragend für eine Klausur. Wir empfehlen Dir, den quasinegatorischen Unterlassungsanspruch schrittweise herzuleiten. Führ Dir vor Augen, warum hier eine Analogie erforderlich ist und prüf die Voraussetzungen sauber durch. Zudem beinhaltet der Fall ein unbekanntes Rechtsgebiet, nämlich das KUG. Das sollte Dich nicht abschrecken. Es ist möglich, dass Klausurersteller:in die Normen abdrucken. Der Schwerpunkt des Falles liegt in der Interessenabwägung. Obwohl es sich um eine zivilrechtliche Klausur handelt, solltest Du den Umgang mit den entsprechenden Grundrechten wiederholen.
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