Vorsicht beim Rechtsscheinstatbestand
Während andere sich nachts um 1 Uhr ein Burger Menü im Schnellrestaurant gönnen, gönnte sich der Beklagte einen neuen Lamborghini. Das Landgericht Oldenburg empfand diese Szenerie als nicht außergewöhnlich und wies die Klage des spanischen Eigentümers auf Herausgabe des Fahrzeugs nach § 985 BGB ab, da der Beklagte gutgläubig Eigentum gemäß §§ 929, 932 BGB an dem Fahrzeug erworben hätte. Anders sah es allerdings das Oberlandesgericht Oldenburg, das die Umstände als zweifelhaft einschätzte. Von dem gem. § 932 BGB hier erforderlichen guten Glauben könne nicht ausgegangen werden, da die Gesamtumstände so auffällig gewesen wären, dass er hätte stutzig werden müssen und ihm insofern grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen sei.
Worum geht es?
Der Beklagte, bereits Eigentümer eines solchen italienischen Sportwagens, stieß über eine Internetplattform auf eine Anzeige zweier Brüder, die einen giftgrünen Lamborghini zum Kauf anboten. Sie gaben an, den Sportwagen im Auftrag des spanischen Eigentümers zu veräußern. Tatsächlich war es aber so, dass der Eigentümer seinen Wagen an eine Sportwagen Agentur vermietet hatte. Diese wiederum hatte den Lamborghini an einen Kunden vermietet, der den Wagen nach Ende der Mietzeit allerdings nicht zurückgab. Daraufhin wurde das Fahrzeug zur Fahndung ausgeschrieben.
Es gelang der Bande dennoch, den Wagen in Deutschland zuzulassen, sodass die Brüder über die notwendigen Zulassungsbescheinigungen I und II verfügten und den Anschein erwecken konnten, für den Verkauf im Namen des Eigentümers berechtigt zu sein.
Ein erstes Treffen fand auf dem Parkplatz einer Spielothek statt. Die Verkäufer gaben an, den Lamborghini noch für eine Hochzeit zu benötigen, sodass die Übergabe erst in zwei Tagen möglich sei. Sie verabredeten sich für eine Übergabe des Bargeldes und der Fahrzeuge, der Beklagte wollte seinen alten Lamborghini in Zahlung geben, zunächst am Wohnort des Beklagten.
Sie änderten dieses Vorhaben aber kurzfristig und verabredeten sich bei einem Schnellrestaurant auf halber Strecke. Die Brüder kamen mit deutlicher Verspätung erst um 23 Uhr bei besagtem Schnellrestaurant an, sodass eine Probefahrt erst mitten in der Nacht stattfinden konnte. Den Kaufvertrag unterschrieben die Parteien letztlich nachts um 1 Uhr in dem Schnellrestaurant. Der Beklagte übergab 70.000 € in bar und gab seinen alten Lamborghini für 60.000 € in Zahlung. Die Brüder händigten ihm zwei Schlüssel (wovon nur einer auch der Originalschlüssel sei) sowie die Dokumente aus. Die Zulassungsbescheinigung I und II sowie die Ausweiskopie des angeblichen Eigentümers wiesen unterschiedliche Schreibweisen des Namens und der Anschrift auf.
Besondere Vorsicht beim Erwerb von Luxusfahrzeugen geboten
Der gutgläubige Erwerb eines unterschlagenen Autos kann an den Gesamtumständen des Kaufs scheitern. Insbesondere beim Erwerb von Luxusfahrzeugen ist besondere Vorsicht geboten, wenn diese erst kurz zuvor in Deutschland zugelassen wurden.
Im vorliegenden Fall sah das OLG die Gesamtumstände als auffällig an. Zu auffällig, um einen gutgläubigen Erwerb anzunehmen. Ort und Zeit des Vertragsschlusses seien zu ungewöhnlich. Außerdem habe der Beklagte nur mit den als Vermittlern auftretenden Brüdern verhandelt, ohne den Kontakt zu dem Eigentümer zu suchen. Er habe nur auf die mündliche Aussage der beiden Brüder vertraut. Auch die Nutzung des Fahrzeuges durch die Brüder für eine Hochzeitsfeier, die spontane Verlegung des Übergabeortes und die fraglose Inzahlungnahme des alten Lamborghinis sowie die unterschiedliche Schreibweise der Personalien des angeblichen Eigentümers hätten den Beklagten an der Berechtigung zweifeln lassen und zu weiteren Nachforschungen veranlassen müssen.
Was bedeutet der gutgläubige Erwerb?
Der gutgläubige Erwerb ist eine Rechtsfigur, die im Sachenrecht eine Rolle spielt. Gemäß § 932 Abs. 1 BGB erwirbt derjenige, der eine bewegliche Sache von einem Nichtberechtigten kauft, das Eigentum an der Sache, wenn er die Sache in gutem Glauben von dem Nichtberechtigten erworben hat. Der gutgläubige Erwerb ist eine Ausnahme vom Grundsatz “nemo dat quod non habet”, was bedeutet, dass niemand Eigentum übertragen kann, was er nicht selbst hat.
Ein Erwerber handelt “gutgläubig”, wenn er bei Abschluss des Kaufvertrags in der irrigen Annahme ist, dass der Veräußerer berechtigt ist, über die Sache zu verfügen. Der gutgläubige Erwerb setzt somit voraus, dass der Käufer von dem fehlenden Eigentum des Veräußerers keine Kenntnis hatte und auch keine grobe Fahrlässigkeit bei der Prüfung der Eigentümerstellung an den Tag legte. Grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Käufer eine gebotene Sorgfaltspflicht in besonders schwerem Maße verletzt hat und seine Obliegenheiten zur Prüfung der Eigentumsverhältnisse in grob fahrlässiger Weise vernachlässigt hat.
Letztere wirft das OLG Oldenburg dem Beklagten vor, sodass ein gutgläubiger Erwerb scheiterte. Der Beklagte muss nun den Lamborghini an den spanischen Eigentümer und Kläger herausgeben.
Der Fall behandelt mit dem Gebrauchtwagenkauf ein allzeit beliebtes Klausurthema und bietet Prüfer*innen darüber hinaus aufgrund der Aneinanderreihung der auffälligen Umstände ein Paradebeispiel, wann trotz Kfz-Briefes an der Berechtigung zu zweifeln ist.
(OLG Oldenburg - Urteil vom 27.03.2023 – 9 U 52/22)
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