Kein Naschen von den Früchten des verbotenen Baumes künftiger Ereignisse
Seit Jahren ist die Legalisierung von Cannabis ein Streitthema in Deutschland. Mittlerweile ist die geplante Legalisierung im Koalitionsvertrag verankert. Vor Kurzem legte auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ein entsprechendes Eckpunktepapier vor. Demzufolge sollen künftig Kauf und Besitz von 20 bis 30 Gramm Cannabis ab einem Alter von 18 Jahren straffrei sein. Auch der Eigenanbau von bis zu drei Cannabispflanzen wäre dann erlaubt. Werbung für den Konsum, Anbau oder Cannabisprodukte selbst bleibt jedoch verboten. Das Kabinett hat den Entwurf von Lauterbach bereits durchgewunken. Es ist also sehr wahrscheinlich, dass Cannabis in Deutschland zukünftig legal erhältlich sein wird.
Cannabis-Legalisierung hat keine Auswirkung auf das laufende Verfahren
Eine Entwicklung, die den Angeklagten im „Bunte Blüte“-Fall nicht helfen wird. Der BGH hat kürzlich die Freisprüche für fünf Beteiligte des Start-Ups „Bunte Blüte“ aus Berlin aufgehoben. Grund für die Revision ist eine fehlerhafte Beweiswürdigung des LG Berlin. Die von der Bundesregierung geplante Legalisierung hat dabei keine Auswirkungen auf den Prozess. Die Beschuldigten müssen erneut zittern.
Doch was war passiert?
Bei „Bunte Blüte“ handelt es sich um ein Start-Up aus Berlin Kreuzberg. Das Geschäft der vier jungen Gründer war der Handel mit sogenannten Nutzhanf. Berliner Spätis vertrieben den Hanf zum Rauchen für 10 Euro pro 1-Gramm-Packung im bunten Blüten-Design. Bei Nutzhanf handelt es sich um Bestandteile der Cannabispflanze mit einem sehr geringen THC-Gehalt (0,17%) und einem hohen CBD-Gehalt (5%). CBD ist einer der Hauptwirkstoffe in der Cannabispflanze. Anders als THC wirkt es nicht berauschend, sondern eher entspannend. Das Start-Up versicherte den Händlern, dass der Verkauf vollkommen legal sei.
Ein ungewohnter Anblick in deutschen Spätis waren die bunten Packungen jedoch schon. Der Inhalt und die gesamte Aufmachung von „Bunte-Blüte“ erinnerte an Cannabis-Produkte aus Coffeeshops in Amsterdam.
Konsum ist kein gewerblicher Zweck
Die Berliner Zollbeamten waren von der Legalität nicht überzeugt und beschlagnahmten im Februar 2019 eine zuvor in Luxemburg bestellte Paketsendung mit 7,5 kg Blütenständen von Cannabispflanzen. Kurz darauf erhob die Staatsanwaltschaft Berlin Anklage.
Diese verweist in ihrer Anklage auf ein Urteil des OLG Hamm aus dem Jahr 2016. Hier kamen die Richter zu der Überzeugung, dass der Handel mit Cannabisprodukten auch mit niedrigem THC-Wert illegal ist, wenn er nicht gewerblichen Zwecken dient. Mit gewerblich ist dabei nicht der Verkauf in Spätis gemeint, sondern wenn das Hanf zu einem unbedenklichen Produkt verarbeitet wird. So gibt es derzeit vielerlei Hanf-Kosmetik, Papier oder Bettwäsche. Der direkte Konsum ist dem Urteil zufolge jedoch kein gewerblicher Zweck.
Der Geschäftsführer von „Bunte Blüte“, zwei Mitarbeiter und zwei weitere Beteiligte mussten sich daraufhin vor Gericht verantworten. Der konkrete Vorwurf: bandenmäßiger Handel mit Betäubungsmitteln, §§ 29a, 30 BtMG. Bis zu fünf Jahre Haft hätte den Angeklagten bei einer Verurteilung gedroht. Am Ende sprach das LG Berlin die vier Angeklagten jedoch frei. Es begründete seinen Freispruch damit, dass den Angeklagten kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten vorzuwerfen sei. Sie hätten weder erkannt noch fahrlässig verkannt, dass die gehandelten CBD-Produkte zu Rauschzwecken missbraucht werden könnten und daher dem BtMG unterfielen.
Fehlerhafte Beweisführung kann mit Revision angegriffen werden
Die Richter am Bundesgerichtshof überzeugte diese Annahme nicht. Das LG Berlin habe sich demzufolge nicht ausreichend mit der Glaubwürdigkeit der Angeklagten auseinandergesetzt. Die Richter hätten die Aussagen wörtlich genommen und keine ausreichende Überprüfung angestrengt. Auch persönliche Verhältnisse und etwaige Vorstrafen der Angeklagten blieben unbeachtet. Der BGH stufte die Beweiswürdigung in Summe als lückenhaft ein. Ein Urteil kann in einem solchen Fall mit der Revision angegriffen werden, da ein Verstoß gegen § 261 StPO vorliegt. Dieser Fehler führt nun zu einem erneuten Strafverfahren vor dem LG Berlin.
(BGH, Urteil vom 16. Januar 2023 – 5 StR 269/22)
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen