Relative Revisionsgründe, §§ 337, 338 Nr. 8 StPO

Aufbau der Prüfung - Relative Revisionsgründe, §§ 337, 338 Nr. 8 StPO

Die relativen Revisionsgründe sind in den §§ 337, 338 Nr. 8 StPO normiert. Anders als bei den absoluten Revisionsgründen gibt es bei den relativen Revisionsgründen keinen numerus clausus von Gesetzesverletzungen. Jeder Gesetzesverstoß kann gegebenenfalls über einen relativen Revisionsgrund geprüft werden. In diesem Exkurs werden die wichtigsten relativen Revisionsgründe dargestellt.

I. Beweisverwertungsverbote

Am wichtigsten im Rahmen der relativen Revisionsgründe sind die Beweisverwertungsverbote. Einzelheiten zu den Beweisverwertungsverboten können einem gesonderten Exkurs entnommen werden. Besonders relevant sind die §§ 52 III 1, 136 I, 136a I, 252 StPO.

II. Zeugenbelehrung, §§ 54, 55 II, 57 StPO

Weiterhin können Gesetzesverletzungen auch bei Zeugenbelehrungen im Übrigen, vgl. §§ 54,  55 II, 57 StPO. Diese Verstöße können im Revisionsrecht jedoch nicht gerügt werden. Das ergibt sich aus der Rechtskreistheorie. Denn die zuvor genannten Vorschriften schützen den Beschuldigten bzw. Angeklagten nicht in seinen essentiellen Rechten. In der Revisionsklausur kann in solchen Fällen bereits die Gesetzesverletzung oder aber das Beruhen verneint werden.

III. Vereidigung von Zeugen, §§ 59-61 StPO

Gesetzesverstöße können auch im Rahmen der Vereidigung von Zeugen vorkommen, vgl. § 59-61 StPO. Durch das Justizmodernisierungsgesetz ist die Klausurrelevanz dieses Themengebiets zurückgegangen. Dies liegt daran, dass die Nichtvereidigung mittlerweile der Regelfall ist, vgl. § 59 StPO. Zu beachten sind ferner die Vereidigungsverbote. Denn bestimmte Personen dürfen nicht vereidigt werden, vgl. § 60 StPO. Zudem gilt gemäß § 61 StPO für bestimmte Personen das Eidesverweigerungsrecht. Der Zeuge muss danach gegebenenfalls darauf hingewiesen werden, dass er das Recht hat, den Eid zu verweigern, vgl. § 61 StPO.

IV. Gang der Hauptverhandlung, § 243 StPO

Besonderes Augenmerk ist im Rahmen der relativen Revisionsgründe auf den Gang der Hauptverhandlung zu legen, vgl. § 243 StPO. Die dazugehörige Norm sollte sich der Bearbeiter vor der Klausur durchlesen. Insbesondere ist auf die Verlesung des Anklagesatzes und die Belehrungspflicht zu achten. Die Pflicht zum Verlesen des Anklagesatzes ergibt sich aus § 243 III 1 StPO. Wird die Anklage nicht verlesen, stellt dies ein Verstoß dar, der sich das über die Negativbeweiskraft des Protokolls beweisen lässt. Gemäß § 243 V 1 StPO ist der Angeklagte zudem darauf hinzuweisen, dass er nicht aussagen muss. Wird diese Belehrung unterlassen, kann auch dies  über die negative Beweiskraft des Protokolls bewiesen werden.

V. Aufklärungsrüge, § 244 II StPO

Weiterer relativer Revisionsgrund ist die Aufklärungsrüge, vgl. § 244 II StPO. Die Aufklärungsrüge spielt immer dann eine Rolle, wenn kein Beweisantrag vorliegt, sondern ein sogenannter Beweisermittlungsantrag oder eine Beweisanregung. Ein Beweisermittlungsantrag liegt immer dann vor, wenn eine der Voraussetzungen des Beweisantrags fehlt. Die Beweisanregung ist gegeben, wenn ein Prozessbeteiligter anregt, Beweis zu erheben, sich jedoch nicht an die Formalien eines Beweisantrags hält.

VI. Beweisantrag, §§ 244 III-VI, 245 StPO

Der Beweisantrag selbst ist in den §§ 244 III-VI, 245 StPO geregelt. Die Beweisantragsprüfung erfolgt zweitstufig. Zunächst muss festgestellt werden, ob überhaupt ein Beweisantrag vorliegt. Ein Beweisantrag ist das ernsthafte Verlangen eines Prozessbeteiligten über eine die Schuld- oder Rechtsfolgenfrage betreffende Behauptung durch bestimmte, nach der StPO zulässige Beweismittel Beweis zu erheben. Da diese Formulierung sehr lang ist, sollte sich der Klausurbearbeiter die folgenden drei Voraussetzungen merken:

1. Beweistatsache

2. Beweismittel (zulässig nach der StPO)

3. Konnexität

Konnexität bedeutet, dass sich aus dem Antrag ergeben muss, warum das angegebene Beweismittel für die angegebene Beweistatsache relevant sein soll. Liegt ein Beweisantrag vor, kann dieser nur aus Gründen der §§ 244 III, IV, V, 245 II StPO abgelehnt werden. Einzelheiten zu den Ablehnungsgründen werden in einem gesonderten Exkurs erläutert.

VII. Unmittelbarkeitsgrundsatz, § 250 S. 2 StPO

Ferner ist der Unmittelbarkeitsgrundsatz des § 250 S. 2 StPO als Ansatzpunkt für einen relativen Revisionsgrund zu beachten. Aus dieser Norm ergibt sich, dass nur das in der Hauptverhandlung unmittelbar präsentierte Beweismittel können zur Grundlage des Urteils gemacht werden. Surrogate sind grundsätzlich nicht zugelassen. Zu beachtende Ausnahmen sind in den §§ 251, 253, 254, 256 StPO geregelt.

VIII. Letztes Wort, § 258 II 2. HS. StPO

Auch das letzte Wort des Angeklagten kann bei Verstoß einen relativen Revisionsgrund darstellen. Gemäß § 258 II 2. HS StPO muss dem Angeklagten am Ende der Hauptverhandlung das letzte Wort gewährt werden. Fehlt dieser Satz im Protokoll, gilt die negative Beweiskraft desselben. Zudem kann es auch passieren, dass dem Angeklagten das letzte Wort zwar gewährt, danach jedoch wieder in die Hauptverhandlung übergegangen wurde, etwa durch Beweiserhebung oder Erlass eines Beschlusses. Hiernach hätte dem Angeklagten erneut das letzte Wort gewährt werden müssen.

IX. Urteilsberatung, § 260 I StPO

Zu Fehlern kann es darüber hinaus auch bei der Urteilsberatung kommen, vgl. § 260 I StPO. Man könnte annehmen, dass diese Fehler einer Revision nicht zugänglich sei, da es sich hierbei nicht um eine wesentliche Förmlichkeit i.S.d. § 273 StPO handelt. Ob jedoch Fehler bei der Urteilsberatung gemacht wurden, lässt sich über den Freibeweis erfahren, wie beispielsweise über in der Klausur abgedruckte dienstliche Äußerungen des Richters oder Schöffen.

X. Inbegriffsrüge, § 261 StPO

Wichtiger Punkt innerhalb der relativen Revisionsgründe ist auch die sogenannte Inbegriffsrüge, vgl. § 261 StPO. Hierbei ist zwischen den Urteilsgründen und dem Sitzungsprotokoll ein Vergleich anzustellen, um Abweichungen festzustellen. Beispiel 1:  In den Urteilsgründen ist angegeben worden, dass der Beweis durch Videoaufnahmen möglich ist. Es ergibt sich jedoch aus dem Sitzungsprotokoll, dass die Videoaufnahmen nicht in das Verfahren eingeführt wurden. Beispiel 2: Aus dem Sitzungsprotokoll ergibt sich, dass ein entlastendes Beweismittel in das Verfahren eingeführt worden ist. Dieses Beweismittel ist jedoch nicht in den Urteilsgründen aufgeführt.

XI. Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes, § 265 StPO

Weiterer relativer Revisionsgrund ist die Verletzung der Hinweispflicht bei der Veränderung des rechtlichen Gesichtspunktes, § 265 StPO. Hierbei geht es um eine prozessuale Tat, innerhalb derer es einen neuen rechtlichen Gesichtspunkt gibt. Beispiel: Der Beschuldigte ist wegen versuchten Diebstahls angeklagt worden. Im Hauptverfahren stellt sich heraus, dass der Diebstahl nicht nur versucht, sondern sogar vollendet wurde. Deshalb wird der Angeklagte wegen vollendeten Diebstahls verurteilt. Auf diesen neuen rechtlichen Gesichtspunkt hätte der Angeklagte hingewiesen werden müssen.

XII. Urteilsverkündung, § 268 III 1 StPO

Bei der Urteilsverkündung sind Fehler in zweifacher Hinsicht denkbar, vgl. § 268 III 1 StPO. Zum einen kann die Urteilsformel im Urteil vom Hauptverhandlungsprotokoll abweichen. Zum anderen können Urteilsformel und Urteilsgründen voneinander abweichen. Das bedeutet, dass der Tenor nicht von den Urteilsgründen getragen wird.

XIII. Dolmetscher, §§ 189, 190 GVG

Hinsichtlich der Nichtvereidigung eines Dolmetschers sind die §§ 189, 190 GVG zu beachten.

XIV. Beschränkung der Verteidigung, § 338 Nr. 8 StPO

Zuletzt ist über eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung nachzudenken. Diese wird über den relativen Revisionsgrund des § 338 Nr. 8 StPO geltend gemacht. Beispiel: Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren, vgl. Art. 6 EMRK. Eine solche Verletzung ist etwa dann gegeben, wenn der Angeklagte während des gesamten Verfahrens in der Mitte des Gerichtssaals, anstatt neben seinem Verteidiger, sodass letzterer nicht auf den Angeklagten einwirken kann.

 

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