Die Eventualklagehäufung
In Teil 1 unseres Beitrags „Die Klagehäufung im Zivilurteil“ haben wir uns nach einer Einleitung mit der kumulativen Klagehäufung befasst. In diesem Teil wollen wir uns der eventuellen Klagehäufung (Eventualklagehäufung) widmen.
A. Einleitung
Wir erinnern uns:
Bei der Eventualklagehäufung stellt der Kläger verschiedene Streitgegenstände (zur Wiederholung: Der Streitgegenstand besteht aus Antrag und Klagegrund, vgl. § 253 II Nr. 2 ZPO) in ein bestimmtes (bedingtes) Rangverhältnis. An die vom ihm gesetzte Bedingung zwischen Haupt- und Hilfsantrag, die als innerprozessuale Bedingung nicht gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 II Nr. 2 ZPO verstößt, ist das Gericht gebunden (§ 308 I ZPO). Der Kläger kann verschiedene Bedingungen setzen. Entweder soll über den Hilfsantrag nur entschieden werden, wenn der Hauptantrag unbegründet ist (sog. echte Eventualklagehäufung), oder – umgekehrt – der Hilfsantrag soll nur beschieden werden, wenn der Hauptantrag begründet ist (sog. unechte Eventualklagehäufung). In beiden Fällen wird der Hilfsantrag sofort, aber (innerprozessual) auflösend bedingt (vgl. § 158 II BGB) rechtshängig, was für den Eintritt der an die Rechtshängigkeit knüpfenden Rechtsfolgen (bspw. Verjährungshemmung nach § 204 I Nr. 1 BGB oder Rechtshängigkeitszinsen nach § 291 BGB) von Bedeutung sein kann.
B. Die kumulative Klagehäufung im Zivilurteil
Im Rubrum eines Zivilurteils führt die Eventualklagehäufung nicht zu Besonderheiten.
Im Tenor ist besonders aufmerksam darauf zu achten, dass die Entscheidung zur Hauptsache alle Streitgegenstände erschöpfend behandelt. Bleibt der Tenor hinter den Anträgen zurück (§ 308 I ZPO), ist die Klage im Übrigen abzuweisen. Das wird bei der echten Eventualklagehäufung, bei der nur der Hilfsantrag begründet ist, häufig übersehen: Hier ist die Klage im Übrigen, nämlich wegen des unbegründeten Hauptantrags abzuweisen.
Allgemein gilt, dass über den Hilfsantrag eine Entscheidung nicht ergehen darf, wenn die vom Kläger gesetzte auflösende Bedingung (§ 158 II BGB) eingetreten ist. Dann entfällt nämlich automatisch die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags, weswegen er der Entscheidungsbefugnis des Gerichts entzogen ist. Eine Entscheidung über den Hilfsantrag wäre ein grober prozessualer Fehler.
Bei der einheitlich zu treffenden Kostengrundentscheidung (§§ 91 ff. ZPO) ist zu beachten, dass für den Gebührenstreitwert im Fall der Eventualklagehäufung eine Sondervorschrift existiert. Nach § 45 I 2 GKG werden Haupt- und Hilfsantrag zusammengerechnet, soweit eine (gerichtliche) Entscheidung über den Hilfsantrag ergeht oder dieser durch eine vergleichsweise Einigung erledigt wird (§ 45 IV GKG). Eine Addition unterbleibt aber, wenn Haupt- und Hilfsantrag denselben Gegenstand betreffen (§ 45 I 3 GKG). Insoweit gilt die sogenannte Identitätsformel, wonach „derselbe Gegenstand“ im Sinne von § 45 I 3 GKG dann betroffen ist, wenn die Ansprüche einander ausschließen und damit notwendigerweise die Zuerkennung des einen Anspruchs mit der Aberkennung des anderen verbunden ist.
Bei der Abfassung des Tatbestandes ist – ebenso wie bei der kumulativen Klagehäufung – zu unterscheiden, ob die verschiedenen Streitgegenstände aus einem einheitlichen Lebensvorgang resultieren (bspw. aus einem Verkehrsunfall) oder auf verschiedenen Lebensvorgängen beruhen. Im ersten Fall sollte der Tatbestand einheitlich aufgebaut und die verschiedenen Streitgegenstände in den normalen Aufbau integriert werden. Im zweiten Fall hingegen sollte der Sachvortrag zu den einzelnen Streitgegenständen getrennt werden, um die Übersichtlichkeit und damit die Verständlichkeit des Tatbestandes zu wahren. Hier bietet sich dann auch ein Überleitungssatz zwischen dem Sachverhalt zum Hauptantrag und dem zum Hilfsantrag an („Hilfsweise begehrt der**Kläger, …“). Im Einleitungssatz sollten beide Anträge bereits erwähnt werden.
In den Entscheidungsgründen ist sauber zwischen Zulässigkeit und Begründetheit des Hauptantrags einerseits und Zulässigkeit und Begründetheit des Hilfsantrags andererseits zu trennen. Zur Zulässigkeit und Begründetheit des Hilfsantrags dürfen Ausführungen nur dann erfolgen, wenn die vom Kläger gesetzte auflösende Bedingung nicht eingetreten ist. Ansonsten entfällt nämlich die Rechtshängigkeit des Hilfsantrags, weswegen das Gericht keine Entscheidung (mehr) darüber treffen darf.
Schon im Rahmen der Zulässigkeit des Hauptantrags kann sich die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (§§ 23, 71 GVG) stellen. Anders als bei der kumulativen Klagehäufung, bei der die Streitgegenstände für den Zuständigkeitsstreitwert addiert werden (§ 5 Hs. 1 ZPO), kommt es bei der echten Eventualklagehäufung (Hilfsantrag wird für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag keinen Erfolg hat) nicht zu einer Addition. Dort bestimmt sich der Zuständigkeitsstreitwert vielmehr nach dem höchsten Einzelstreitwert, also entweder nach dem Haupt- oder dem Hilfsantrag. Eine Zusammenrechnung nach § 5 Hs. 1 ZPO findet hingegen nicht statt, weil über die Anträge nicht nebeneinander, sondern allenfalls nacheinander entschieden werden kann. Wird also beispielsweise ein Hauptantrag mit einem Wert von 4.000 Euro mit einem (echten) Hilfsantrag über 3.000 Euro verbunden, beträgt der Zuständigkeitsstreitwert 4.000 Euro (Wert des Hauptantrags). Sachlich zuständig ist damit das Amtsgericht (§ 23 Nr. 1 GVG), soweit nicht eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der Landgerichte (§ 71 II GVG) begründet ist. Bei der unechten Eventualklagehäufung (Hilfsantrag wird für den Fall gestellt, dass der Hauptantrag Erfolg hat) entspricht diese Vorgehensweise ebenfalls der herrschenden Auffassung, zum Teil wird dort aber auch für eine Addition beider Anträge plädiert. Dafür spricht, dass es hier zu einem Erfolg sowohl des Haupt- als auch des Hilfsantrags kommen kann. Dagegen spricht, dass eben nicht von Anfang feststeht, ob der Kläger eine Entscheidung über beide Anträge begehrt.
Im Anschluss an die Zulässigkeit des Hauptantrags folgt die Prüfung seiner Begründetheit.
Je nach Ausgang der Entscheidung über den Hauptantrag und je nach vom Kläger gesetzter Bedingung (echte Eventualklagehäufung oder unechte Eventualklagehäufung) folgen nun Ausführungen zur Zulässigkeit des Hilfsantrags. Hier kann man (kurz) darauf hinweisen, dass der „bedingte“ Hilfsantrag trotz § 253 II Nr. 2 ZPO zulässig ist, weil es sich um eine innerprozessuale Bedingung handelt. Am Ende der Zulässigkeit des Hilfsantrags (oder „zwischen“ Zulässigkeit und Begründetheit) ist darzustellen, ob die Haupt- und Hilfsantrag miteinander verbunden werden können. Hier geht es um die uns aus dem ersten Teil bekannten Voraussetzungen von § 260 ZPO (Parteiidentität, Prozessartidentität, Zuständigkeit desselben Prozessgerichts).
Auch bei der Eventualklagehäufung ist zu beachten, dass der BGH die nachträgliche Klagehäufungwie eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO behandelt. Sie ist also nur zulässig, wenn der Beklagte einwilligt (§ 263 Alt. 1 ZPO) oder sich rügelos einlässt (§ 267 ZPO) oder wenn die nachträgliche Klagehäufung sachdienlich ist (§ 263 Alt. 2 ZPO).
C. Fazit
Die Klagehäufung (§ 260 ZPO) gehört zum Standardwissen im Zivilprozessrecht und ist besonders praxis- und klausurrelevant. Der Umgang mit ihr in einem Zivilurteil sollte daher sicher beherrscht werden.
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