A. Einleitung
Die (objektive) Klagehäufung nach § 260 ZPO, auch Anspruchshäufung genannt (s. Überschrift des § 260 ZPO), ist in Praxis und Klausur überaus häufig anzutreffen. Unter einer Klagehäufung versteht man die Geltendmachung von mehreren Streitgegenständen in einer Klage (Mehrheit von Streitgegenständen). Unter Zugrundelegung des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs, wonach der Streitgegenstand aus dem Klageantrag und dem Lebenssachverhalt (sog. Klage- oder Anspruchsgrund, s. § 253 II Nr. 2 ZPO) besteht, liegt eine Klagehäufung in drei Fällen vor:
- Der Kläger stellt mehrere Klageanträge. Das ist beispielsweise der Fall, wenn der Kläger neben der Hauptforderung (Klageantrag zu 1)) in einem weiteren Klageantrag zu 2) Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten begehrt.
- Der Kläger stellt nur einen Klageantrag, legt seiner Klage aber mehrere Lebenssachverhalte zugrunde (sog. verdeckte Klagehäufung).
- Der Kläger stellt mehrere Klageanträge, die auf mehreren Lebenssachverhalte beruhen.
Keine Mehrheit von Streitgegenständen liegt aber vor, wenn der Kläger einen Antrag auf mehrere verschiedenen materiell-rechtliche Anspruchsgrundlagen stützt (sog. Anspruchsgrundlagenkonkurrenz), so etwa bei einer Schadensersatzklage, der Ansprüche aus Vertrag (§ 280 BGB) und Delikt (§ 823 BGB) zugrunde liegen. Zwar spricht § 260 ZPO von „Ansprüchen“, meint damit aber prozessuale Ansprüche und damit Streitgegenstände.
Es gibt drei verschiedene Arten der Klagehäufung, erstens die kumulative Klagehäufung, zweitens die eventuelle Klagehäufung (Eventualklagehäufung) und drittens die alternative Klagehäufung:
Bei der kumulativen Klagehäufung macht der Kläger mehrere prozessuale Ansprüche nebeneinander (unbedingt) geltend, während er bei der eventuellen Klagehäufung (Eventualklagehäufung)verschiedene Streitgegenstände in ein bestimmtes (bedingtes) Rangverhältnis stellt, an das das Gericht gebunden ist (§ 308 I ZPO). Man spricht dann von Haupt- und Hilfsantrag, wobei der Kläger verschiedene Bedingungen setzen kann. Entweder soll über den Hilfsantrag nur entschieden werden, wenn der Hauptantrag unbegründet ist (sog. echte Eventualklagehäufung), oder – umgekehrt – der Hilfsantrag soll nur beschieden werden, wenn der Hauptantrag begründet ist (sog. unechte Eventualklagehäufung). In beiden Fällen wird der Hilfsantrag sofort, aber (innerprozessual) auflösend bedingt (vgl. § 158 II BGB) rechtshängig, was für den Eintritt der an die Rechtshängigkeit knüpfenden Rechtsfolgen (bspw. Verjährungshemmung nach § 204 I Nr. 1 BGB) von Bedeutung sein kann. Bei der alternativen (wahlweisen) Klagehäufung macht der Kläger den einen oder den anderen prozessualen Anspruch geltend und überlässt dem Gericht die Wahl. Solche Klagehäufungen sind grundsätzlich unzulässig, weil sie gegen das Bestimmtheitsgebot des § 253 II Nr. 2 ZPO verstoßen. Nur im (seltenen) Fall einer echten Wahlschuld auf Seiten des Schuldners (§ 262 BGB) ist die alternative Klagehäufung zulässig, weil dem Schuldner in Übereinstimmung mit dem materiellen Recht dessen Wahlrecht erhalten bleiben soll. Der Gläubiger kann dann im Rahmen der Zwangsvollstreckung gegebenenfalls das Wahlrecht ausüben (§ 264 BGB).
B. Die kumulative Klagehäufung
Im Rubrum eines Zivilurteils führt die kumulative Klagehäufung nicht zu Besonderheiten.
Im Tenor ist – wie immer – darauf zu achten, dass die Hauptsacheentscheidung alle Streitgegenstände erschöpfend behandelt. Bleibt der Tenor hinter den Anträgen zurück (§ 308 I ZPO), ist die Klage im Übrigen abzuweisen. Bei der einheitlich zu treffenden Kostengrundentscheidung (§§ 91 ff. ZPO) ist zu beachten, dass eine Klagehäufung grundsätzlich zu einer Addition der jeweiligen Gebührenstreitwerte führt (§ 39 GKG). Eine Addition unterbleibt aber bei Nebenforderungen (§ 43 GKG) und bei wirtschaftlicher Identität.
Bei der Abfassung des Tatbestandes ist zu unterscheiden, ob die verschiedenen Streitgegenstände aus einem einheitlichen Lebensvorgang resultieren (bspw. aus einem Verkehrsunfall) oder auf verschiedenen Lebensvorgängen beruhen. Im ersten Fall sollte der Tatbestand einheitlich aufgebaut und die verschiedenen Streitgegenstände in den normalen Aufbau integriert werden. Im zweiten Fall hingegen sollte der Sachvortrag zu den einzelnen Streitgegenständen getrennt werden, um die Übersichtlichkeit und damit die Verständlichkeit des Tatbestandes zu wahren.
In den Entscheidungsgründen kann sich im Rahmen der Zulässigkeit die Frage nach der sachlichen Zuständigkeit des angerufenen Gerichts (§§ 23, 71 GVG) stellen. Wie bei der Bestimmung des Gebührenstreitwerts werden die jeweiligen Streitgegenstände auch im Rahmen des Zuständigkeitsstreitwertes addiert (Streitwertaddition nach § 5 Hs. 1 ZPO), soweit es sich nicht um Nebenforderungen handelt (§ 4 I ZPO) oder die Streitgegenstände wirtschaftlich identisch sind. Wird also beispielsweise eine Herausgabeklage mit einem Wert von 4.000 Euro mit einer Zahlungsklage über 3.000 Euro verbunden, ist für jeden Einzelstreitwert zwar das Amtsgericht zuständig (§ 23 Nr. 1 GVG). Weil die Einzelstreitwerte aber gemäß § 5 Hs. 1 ZPO grundsätzlich zu addieren sind, beträgt der Zuständigkeitsstreitwert 7.000 Euro. Sachlich zuständig ist damit gemäß § 23 Nr. 1, 71 I GVG das Landgericht, soweit nicht eine streitwertunabhängige Zuständigkeit der Amtsgerichte im Sinne von § 23 Nr. 2 GVG begründet ist. Am Ende der Zulässigkeit (oder „zwischen“ Zulässigkeit und Begründetheit) ist darzustellen, ob die verschiedenen Streitgegenstände miteinander verbunden werden können. Hier geht es um die Voraussetzungen von § 260 ZPO. Danach ist eine objektive Klagehäufung zulässig, wenn Parteiidentität sowie Prozessartidentität (nicht zu verwechseln mit Klageartidentität!) vorliegen und das Prozessgericht für jeden Streitgegenstand (unter Beachtung von § 5 Hs. 1 ZPO, s.o.) zuständig ist. Es handelt sich dabei nicht um eine „echte Zulässigkeitsvoraussetzung“. Fehlt es nämlich (nur) an den Voraussetzungen des § 260 ZPO, wird die Klage nicht als unzulässig abgewiesen. Vielmehr werden die Verfahren nach § 145 ZPO durch Beschluss getrennt.
In der Begründetheit sind alle Streitgegenstände gesondert darzustellen. Sollte die Klage nicht vollumfänglich begründet sein, beginnt man in der Regel mit dem begründeten Teil und widmet sich erst im Anschluss dem unbegründeten Teil. Eine Besonderheit ist zu beachten, wenn der Kläger die Klagehäufung erst nachträglich, also nach Rechtshängigkeit in den Rechtsstreit einführt. Der BGH behandelt die nachträgliche Klagehäufung wie eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO. Sie ist also nur zulässig, wenn der Beklagte einwilligt (§ 263 Alt. 1 ZPO) oder sich rügelos einlässt (§ 267 ZPO) oder wenn die nachträgliche Klagehäufung sachdienlich ist (§ 263 Alt. 2 ZPO). Ein Fall des § 264 ZPO dürfte hingegen nicht vorliegen. Denn § 264 ZPO ist nur auf solche Klageänderungen anwendbar, die ausschließlich auf einer Änderung des Klageantrages beruhen (siehe dazu den Einleitungssatz von § 264 ZPO: „ohne Änderung des Klagegrundes“). Bei einer nachträglichen Klagehäufung wird der Kläger aber in aller Regel (auch) einen neuen Lebenssachverhalt in den Prozess einführen.
C. Ausblick
In den nächsten Wochen werden wir uns in Teil 2 des Beitrags der Eventualklagehäufung widmen.
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