Sechs Entscheidungen des BVerfG, die Du kennen solltest
Das BVerfG hatte im vergangenen Jahr alle Hände voll zu tun. Es wurden unter anderem Rechtsfragen geklärt, die uns alle in nächster Zeit betreffen werden. Wir haben Dir hier die 6 wichtigsten Entscheidungen des BVerfG aus 2019 herausgesucht, die Du – nicht nur für die kommenden Prüfungen – kennen solltest.
Höchstinstanzlich bestätigt: Mietpreisbremse verfassungskonform
Sie war jahrelang umstritten, aber nun herrscht rechtliche Gewissheit: Das 2015 eingeführte Instrument zur bundesweiten Mietpreisregulierung – die sogenannte Mietpreisbremse – ist mit unserem Grundgesetz vereinbar. Diese verletze weder die Eigentumsgarantie noch die Vertragsfreiheit und auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz. Die Regelung des § 555d BGB kann somit weiter angewendet werden. In der Norm ist vorgesehen, dass die Miete in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt zu Beginn des Mietverhältnisses höchstens 10% höher als eine ortsübliche Vergleichsmiete sein darf. Erläuterungen zu den Ausführungen des BVerfG und wie ein „angespannter Wohnungsmarkt“ überhaupt zu definieren wäre, findest Du hier in unserem Beitrag.
Grundsatzurteil: BVerfG stärkt „Recht auf Vergessenwerden“
2019 musste sich das BVerfG auch erstmalig mit dem „Recht auf Vergessenwerden“ beschäftigen und hat ein Grundsatzurteil getroffen. Das aus der DSGVO resultierende Recht soll seit 2014 sicherstellen, dass digitale Informationen mit Personenbezug nicht dauerhaft online zur Verfügung stehen. Denn bisher heißt es im allgemeinen Sprachgebrauch eher: „Das Internet vergisst nichts.“ Die Entscheidung des BVerfG hat einen hohen europarechtlichen Bezug. In der Entscheidung ging es neben dem anzuwendenden Prüfungsmaßstab nämlich auch um das Verhältnis von Grundgesetz – Unionsrecht. Ein spannendes Urteil über Grundrechte, die Pressefreiheit und einen Doppelmord auf hoher See. Hier kannst Du alles Wichtige dazu nachlesen.
BVerfG erläutert schmalen Grat von Meinungsfreiheit, Beleidigung und Schmähkritik
In einer anderen Sache klärte das BVerfG einen Rechtsstreit, der seit 2014 in Bremen herrscht. Ursprünglich ging es um eine Schadensersatzforderung wegen mangelhafter Malerarbeiten. Dieser „Klassiker“ im Alltag wurde aber schnell zum Nebenschauplatz, da der spätere Beschwerdeführer vor dem BVerfG die Richterin in Bremen für befangen hielt. Dabei zog er Vergleiche zu „nationalsozialistischen Gerichten“ und „Hexenprozessen“. Das BVerfG erläuterte im vergangenen Sommer noch einmal den Grat zwischen Meinungsfreiheit, Beleidigung und Schmähkritik. Das Gericht betonte, dass eine Aussage nicht zu schnell als Schmähkritik eingestuft werden dürfe, denn dann würde keine Abwägung als solche mehr erfolgen. Im Mittelpunkt stehe stets der Sachbezug – und solange dieser gegeben sei und die Äußerung nicht bloß die persönliche Herabsetzung beabsichtige, sei diese auch nicht als Schmähkritik einzustufen. Ausführlich kannst Du Dir das hier noch einmal in unserem Beitrag durchlesen – wir riechen verfassungsrechtliches Prüfungspotential!
BVerfG zu unangemeldeten Kundgebungen und der Strafbarkeit eines „faktischen Leiters”
Ebenfalls prüfungsrelevant ist die Versammlungsfreiheit, seit eh und je. 2019 hat sich das BVerfG mit unangemeldeten Kundgebungen und der Strafbarkeit eines – Achtung! – „faktischen Leiters“ auseinandergesetzt. Der Beschwerdeführer einer nun abgelehnten Verfassungsbeschwerde war in einer „Anti-Atom-Bewegung“ aktiv. Er und 4 weitere Aktivisten trafen sich an einer Brücke, an der sich 2 von ihnen mit einem beschrifteten Banner abseilten und es zwischen sich spannten. Der Beschwerdeführer organisierte einen Großteil der Planung. Die Versammlung war allerdings nicht angemeldet und das zuständige Amtsgericht sprach den Beschwerdeführer wegen Durchführung einer nicht angemeldeten Versammlung schuldig. Spannend: Er war nicht der „tatsächliche“ Leiter, sondern nur der „faktische“ Leiter der Versammlung gewesen. Das BVerfG zog interessante Schlüsse zum strafrechtlichen Analogieverbot und Schuldprinzip. Letztendlich sei die Sanktionierung des „faktischen Leiters“ mit Art. 8 I GG vereinbar. Einen ausführlichen Beitrag dazu findest Du hier. Weil wir aber auch hier hohe Prüfungsrelevanz sehen, haben wir den Fall zusätzlich klausurtypisch für Dich aufbereitet.
BVerfG zum vollständigen Ausschluss der Stiefkindadoption in nichtehelichen Familien
Dann hat sich der erste Senat des BVerfG auch mit der sogenannten Stiefkindadoption und den zugrundeliegenden §§ 1754 und 1755 BGB beschäftigt und hält die Regelungen für verfassungswidrig. Er sieht darin eine Ungleichbehandlung im Sinne des Art. 3 I GG. Nach den zivilrechtlichen Normen ist es lediglich Ehepartnern möglich, Kinder des einen Ehegatten als gemeinsame Kinder anzunehmen. Ohne eine Eheschließung verliert der bisherige Elternteil mit Annahme des Kindes durch den Partner seine Elternschaft. Dies hätte in dem für die Entscheidung des BVerfG zugrundeliegenden Fall dazu geführt, dass das Verwandtschaftsverhältnis zwischen der Mutter und den Kindern mit Adoption durch den neuen Lebenspartner geendet hätte. Eine fortschrittliche Entscheidung des BVerfG, denn im Klartext heißt es: Stabile Beziehungen kann es auch ohne das Institut der Ehe geben. Modernes Familienrecht, das Du ausführlich hier nachlesen kannst.
BVerfG bestätigt Vereinsverbote: “Farben für Waisenkinder e.V.” und das “Gremium MC Germany” scheitern vor dem BVerfG
Das BVerfG nahm mehrere Verfassungsbeschwerden zu sechs Vereinsverboten und zwei Beschlüssen nicht zur Entscheidung an: Zum einen sei ein Verbot von Motorrad-„Rocker“-Vereinigungen verfassungsgemäß, weil Mitglieder anscheinend darin gefördert werden, Strafgesetze zu verletzen. Zum anderen bleibe ein Verein verboten, der wissentlich Spenden an Dritte weiterleitet, die wiederum den Terrorismus unterstützen. Spannende Fälle, bei denen sich ein genauerer Blick lohnt.
70 Jahre Grundgesetz: Von Freiheit und Selbstverwirklichung
Hierbei handelt es sich zwar nicht um eine konkrete Entscheidung des BVerfG. Nicht zu vergessen bleibt aber, dass das Grundgesetz im Jahr 2019 sein 70-jähriges Jubiläum feiern durfte. Es ging hier um Freiheit und Selbstverwirklichung und um hitzige Debatten zu (fast) vergessenen Artikeln des Grundgesetzes.
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