Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
F ist eine reiche Frau, die gerne eine neue Küche hätte. Sie wendet sich an H, einen Handwerker, der ihr eine Küche planen, bauen, liefern und einbauen soll. Da H normalerweise nur mit Unternehmern zusammenarbeitet, die ihrerseits die AGB stellen, lädt er sich AGB aus dem Internet herunter. In denen heißt es, dass der Auftraggeber vorab per Überweisung, spätestens aber bei Lieferung in bar die Rechnung zu begleichen habe. Die F unterschreibt vorbehaltlos. Am nächsten Tag redet F mit ihrem Anwalt, der ihr sagt, das sei ungewöhnlich, dass sie vorleisten müsse und sie solle versuchen, etwas dagegen zu unternehmen. Sie meldet sich bei H, dieser will aber von der Klausel nicht ablassen. Letzten Endes kommt er F nur so weit entgegen, dass sie 90% bei Lieferung und 10% nach dem Aufbau zahlen soll. Irgendwann liefert H die Küche. Da F gerade kein Bargeld zur Hand hat, geht sie zur Bank, um welches zu holen. In der Zwischenzeit baut H aus Langeweile die komplette Küche auf. Als F von der Bank zurück kommt , erkennt sie, dass die Küche an einer Seite 10 cm zu lang ist und daher die Verandatür blockiert. Sie verlangt Beseitigung des Mangels und behält bis dahin das Geld zurück. H verlangt Zahlung der 27.000 €. Am nächsten Tag sucht H seinen Anwalt auf. Dieser sagt ihm, seine AGB -Klausel sei zwar etwas knifflig, aber immerhin habe er ja nur die einmalige Verwendung geplant und außerdem den Vertrag individuell ergänzt. Er solle daher auf keinen Fall nacherfüllen, bis er die 27.000€ erhalten habe. Dies teilt der H der F auch mit: Er werde auf keinen Fall nacherfüllen, bis er das Geld habe und notfalls auch vor Gericht ziehen. Als F diesen Brief erhält, ist sie stinksauer. Sie antwortet H augenblicklich per Einschreiben: Sie werde einen anderen Handwerker mit der Nacherfüllung beauftragen und H die Kosten dafür in Rechnung stellen. 4 Tage später beauftragt sie den A, der die Arbeiten für 3.000 € ausführt. Diese stellt sie H in Rechnung. Dieser sagt, er sei ja immerhin gutgläubig gewesen, da er seinem Anwalt vertraut habe.
Frage: Hat F gegen H einen Anspruch auf 3.000€?
Abwandlung:
F hat jetzt einen ebenso reichen Mann. Der ist froh, dass seine Frau sich um alles mit der Küche und Einrichtung kümmert. Alles verläuft so wie oben. Aber der Brief des H erreicht den E, nicht die F. E sucht seinen Anwalt auf und fragt:
Frage 2: Ist der E aus dem Geschäft der F ebenso berechtigt und verpflichtet wie die F?
Frage 3: Angenommen, der E hat dieselben Ansprüche wie F, kann er dann, ohne Rücksprache mit F zu halten, die Ansprüche gegenüber H geltend machen?
Unverbindliche Lösungsskizze
1. Teil: Ausgangsfall (Frage 1)
A. F gegen H auf Schadensersatz i.H.v. 3.000 Euro, §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB
I. Anspruch entstanden
Wirksamer Kaufvertrag (+)
Mangel
Hier: Montagefehler, § 434 II 1 BGB
Bei Gefahrübergang (+)
Voraussetzungen der §§ 280 I, III, 281 BGB
a) Schuldverhältnis (+)
b) Pflichtverletzung
aa) Nichterbringung oder nicht wie geschuldete Erbringung einer fälligen und noch möglichen Leistungspflicht
- Problem: Leistungsverweigerungsrecht des H aufgrund einer vereinbarten Vorauszahlung?
(1) Auslegung der Klausel, §§ 133, 157 BGB
- „90 % Zahlung spätestens bei Lieferung“ soll gerade Nacherfüllungsansprüche von vorheriger Zahlung abhängig machen
(2) Wirksamkeit der Klausel
(a) Unwirksamkeit nach § 475 I BGB
(-); Arg.: gilt nicht im Kontext eines Schadensersatzanspruchs, § 475 III BGB
(b) Unwirksamkeit nach §§ 305 ff. BGB
(aa) Sachlicher Anwendungsbereich: AGB, § 305 I BGB
Problem: Nur einmalige Verwendung geplant – unbeachtlich; Arg.: § 310 III Nr. 2 BGB
Problem: Individuelle Ergänzung, § 305 I 3 BGB – unbeachtlich; Arg.: geringfügige Änderung, § 242 BGB
(bb) Persönlicher Anwendungsbereich: Einbeziehung, § 305 II, III BGB (+)
(cc) Inhaltskontrolle
Hier: § 309 Nr. 8 b dd BGB
(dd) Rechtsfolge: Geltung der gesetzlichen Regelungen, § 306 II BGB
bb) Leistungsaufforderung mit angemessener Fristsetzung
(-), aber endgültiger Verweigerung der Nacherfüllung, § 281 II 1. Fall BGB
c) Vertretenmüssen
Problem: Bezugspunkt des Vertretenmüssens
aA: die mangelhafte Leistung -> (+); Arg.: vermutet, keine Exkulpation durch H
aA: die unterbliebene Nacherfüllung –> wohl (-); Arg.: anwaltlicher Rat
hM: alternativ die mangelhafte Leistung oder die unterbliebene Nacherfüllung –> (+); Arg.: keine Exkulpation bzgl. mangelhafte Leistung (s.o.)
d) Rechtsfolge: Schadensersatz statt der Leistung
aa) Schaden
(+); Arg.: Herausgeforderte Aufwendung = Schaden
bb) Statt der Leistung
(+); Arg.: Äquivalenzinteresse
- Kein Ausschluss
(+), auch nicht durch AGB (s.o.)
II. Anspruch nicht erloschen (+)
III Anspruch durchsetzbar (+)
IV. Ergebnis: (+)
B. Sonstige Ansprüche
I. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 BGB
(-); Arg.: Unmöglichkeit (Zweckerreichung) von F selbst zu vertreten
II. §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 284 BGB
(-); Arg.: 3000 Euro für Reparatur keine „frustrierten Aufwendungen“
III. §§ 683 S. 1, 670 BGB
(-); Arg.: Kaufrecht lex specialis
IV. §§ 812 I 1 2. Fall BGB
(-); Arg.: Kaufrecht lex specialis
2. Teil: Abwandlung
A. Frage 2: Mitverpflichtung bzw. –berechtigung des Ehemannes E
- § 1357 I 2 BGB
I. Wirksame Ehe (+)
II. Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs, § 1357 I 1 BGB
- konkrete-objektive Betrachtungsweise (+); Arg.: „reiche Frau“
III. Keine Offenlegung als Eigengeschäft, § 1357 I 2 BGB
IV. Keine Beschränkung, § 1357 II BGB
V. Keine Getrenntleben, § 1357 III BGB
VI. Rechtsfolge: Mitverpflichtung und Mitberechtigung, § 1357 I 2 BGB
VII. Ergebnis: (+)
B. Frage 2: Geltendmachung dieses Anspruchs durch E ohne Rücksprache mit F
Problem: Art der Mitberechtigung bei § 1357 I 2 BGB
aA: Gemeinschaftliche Gläubiger –> (-)
hM: Gesamtgläubiger –> (+); Arg.: Praktikabilität
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