Schmerzensgeld nach Todesangst: OLG Brandenburg zur psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung nach § 253 BGB

Schmerzensgeld nach Todesangst: OLG Brandenburg zur psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung nach § 253 BGB

Wer sich intensiv mit der deliktischen Haftung nach § 823 BGB beschäftigt, kommt an der Fallgruppe des Schmerzensgeldes bei psychischen Gesundheitsbeeinträchtigungen nicht vorbei. Besonders spannend – und klausurrelevant – wird es, wenn die psychische Belastung nicht durch den Tod eines Angehörigen, sondern durch eigenes Erleben extremer Todesangst entsteht. In solchen Konstellationen stellt sich die Frage, ob ein immaterieller Schaden im Sinne des § 253 BGB vorliegt (Stichwort: Schockschaden). Das OLG Brandenburg hat sich kürzlich mit genau dieser Problematik bei einer missglückten Heißluftballonfahrt auseinandergesetzt.

Pilot ging über Bord - Passagiere erleiden Todesangst

Was wie eine Netflixproduktion klingt, ereilte den späteren Kläger in der Realität: Er unternahm eine Heißluftballonfahrt, bei der nach mehreren erfolglosen Landeversuchen der Pilot über Bord ging und der Heißluftballon anschließend plötzlich wieder aufstieg. Dies führte bei ihm zu Todesangst, auch wenn die Passagiere den Ballon selbstständig ohne Pilot nach wenigen Minuten zum Landen bringen konnten. Die Passagiere litten neben verschiedenen körperlichen Verletzungen verständlicherweise auch unter Todesangst.

Haftung durch Unterlassen nach § 823 I BGB – Wetterlage und Verantwortung des Piloten

Ursache für diesen Unfall waren die schlechten Wetterbedingungen an diesem Tag. Die Windverhältnisse am Morgen des Ballonstartes hätten es laut OLG Brandenburg erforderlich gemacht, dass der Pilot sich erneut mit der Wettersituation hätte auseinandersetzen müssen. Hätte der Pilot sich unmittelbar vor der Ballonfahrt eine aktualisierte Wetterauskunft eingeholt, hätte er in dieser Folge die Nichteignung eines Ballonstarts unmissverständlich erkennen müssen. Daher habe der Pilot durch das Unterlassen der gebotenen Erkundigung zunächst die kausale Ursache für den Ballonfahrtunfall gemäß § 823 I BGB gesetzt.

Weiterhin kam das OLG Brandenburg zu der rechtlichen Beurteilung, dass auch die bei dem klagenden Passagier aufgetretene Todesangst eine pathologisch fassbare Gesundheitsbeeinträchtigung darstelle, welche einen immateriellen Schaden darstelle, für den der Betroffene Schmerzensgeld verlangen könne. Das Gericht wendet im Rahmen seiner Entscheidung also die aus der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zum Schockschaden an.

Schwere Beeinträchtigung durch die Todesangst

Bei der zugrunde liegenden Ballonfahrt habe der Pilot mehrfach versucht, den Ballon sicher zu landen, was aufgrund der starken Windverhältnisse allerdings erfolglos blieb. Im Anschluss daran fiel der Pilot dann aus dem Korb und der Ballon habe nachfolgend wieder schnell an Höhe gewonnen. Daraufhin sei eine andere Passagierin schreiend in Panik ausgebrochen. Dem klagenden Passagier sei demnach nachvollziehbar sein Tod vor Augen geführt worden. Dies habe zu einer psychischen Belastung geführt, die das gesundheitliche Befinden fühlbar beeinträchtigt habe und somit pathologisch fassbar sei.

Verständlichkeit und Nachvollziehbarkeit der Todesangst

Nach dem geschilderten Hergang der Ballonfahrt sei nach allgemeiner Lebenserfahrung verständlich, dass Passagiere sich derart hilflos fühlen, dass sie Todesangst hatten. Zu sehen, wie der Pilot aus dem Korb gefallen sei und “nur noch ein kleiner werdender Punkt auf der Erde” gewesen sei in Kombination damit, dass selbst dem Piloten zuvor keine sichere Landung geglückt sei, führe laut Gericht zu dem nachvollziehbaren Eindruck der Passagiere, dass eine sichere Landung ohne Pilot erst recht nicht gelingen werde. Diese Todesangst habe sich verständlicherweise noch einmal dadurch verstärkt, dass die anderen Passagiere ebenfalls in Todesangst geraten seien.

Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823, 253 BGB

Das OLG Brandenburg hat vorliegend einen Schadensersatzanspruch gemäß §§ 823, 253 BGB geprüft. Da sich der ganze Vorfall in der Luft abgespielt hat, solltest Du Dir merken, dass Du zunächst die Anwendbarkeit des § 823 BGB kurz prüfst und dann bejahst. Denn auch Luftfahrzeugführer und sonstiges Luftpersonal unterliegen der deliktischen Haftung nach den §§ 823 BGB ff. Hier sollten ein bis zwei Sätze vollkommen ausreichen. Diese kurze Thematisierung kostet Dich nicht viel Zeit und Du zeigst Deinem:r Korrektor:in Dein Problembewusstsein.

Mit dem vorliegenden Fall kannst Du gleich mehrere typische Probleme im Rahmen von § 823 BGB wiederholen:

  1. Unterlassen einer gebotenen Handlung und

  2. Vorliegen einer rein psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung.

Sollten Dir diese Punkte in Deiner Klausur begegnen, solltest Du Dir hier jeweils ein rotes Kreuz setzen. Denn hier handelt es sich dann um Deine Klausurschwerpunkte. Für Dich heißt es nun, dass Du diese Prüfungspunkte mit besonders viel “Liebe” behandeln solltest und hier sorgfältig und im Gutachtenstil unter Deinen Klausursachverhalt subsumieren solltest.

Klausurtipp: Verkehrssicherungspflichten und Unterlassen

Zur Wiederholung kannst Du Dir in diesem Zusammenhang auch noch einmal die Fallgruppe rund um die Verletzung der Verkehrssicherungspflichten anschauen. Denn diese werden oftmals durch ein Unterlassen verletzt und sind auch sehr beliebt bei unseren Prüfungsämtern. Verkehrssicherungspflichten laufen Dir auch beim Amtshaftungsanspruch gemäß § 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG über den Weg. Versuche nach Möglichkeit solche Verknüpfungen zu erkennen und nicht starr Anspruch für Anspruch zu lernen.

Grundsätze zur psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung

Für die Geltendmachung rein psychischer Gesundheitsbeeinträchtigungen solltest Du die gefestigten Grundsätze der Rechtsprechung kennen. Hintergrund hierfür ist, dass eine Gesundheitsbeeinträchtigung pathologisch messbar sein muss. Bei psychischen Belastungen ist dies gerade problematisch und nur unter bestimmten Voraussetzungen der Fall. Denke daran, dass der BGH zuletzt diese Voraussetzungen modifiziert hat und es hier eine Rechtsprechungsänderung gab. Nun mehr reicht es aus, dass der psychischen Beeinträchtigung lediglich ein Krankheitswert zukommt und nach allgemeiner Lebenserfahrung nachvollziehbar ist. Nicht mehr erforderlich ist, dass das Leiden über dasjenige hinausgeht, was in solchen Fällen üblicherweise erlebt wird. Auch hier reicht es in der Regel nicht aus, diese Voraussetzungen bloß abzuklappern. Deine Punkte bekommst Du an dieser Stelle für eine saubere und ordentliche Argumentation und Subsumtion unter Deinen Klausursachverhalt. Eine bloße floskelhafte Begründung solltest Du nach Möglichkeit vermeiden.

Fazit für Deine Klausur

Vorteil solcher Klausuren ist, dass Du es hier mit bekannten Problemschwerpunkten zu tun hast, deren Begründung Du in der Regel schon kennst. Hier geht es nicht darum, dass Du ein unbekanntes Problem mit Hilfe Deines juristischen Sachverstandes lösen musst, wofür es dann oftmals schon alleine für das Problembewusstsein Punkte gibt. Bei solchen Klausuren liegt dann die Schwierigkeit darin, dass Du eine detaillierte und tiefgründige Subsumtion unter Deinen Klausursachverhalt vornimmst und versuchst, diesen so gut wie es geht auszuschlachten. Hier geht es darum, zu zeigen, dass Du lebensnah argumentieren kannst.

Mehr zu außergewöhnlichen Schmerzensgeldkonstellationen

Psychische Belastungen, kuriose Verletzungen oder moralische Zwickmühlen – das Deliktsrecht kennt viele Gesichter. Wenn Du Lust hast, Deinen Blick für außergewöhnliche Konstellationen im Bereich des Schadensersatzes zu schärfen, wirf einen Blick in diese spannenden Fälle:

Ob Preisschild, Datenleck oder rollendes Auto – all diese Fälle fordern Dich heraus, bekannte Anspruchsgrundlagen auf ungewöhnliche Sachverhalte anzuwenden. Genau das macht sie so klausurträchtig.

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