Schmerzensgeld für riskanten Rettungsversuch eines bergab rollenden Autos?

Schmerzensgeld für riskanten Rettungsversuch eines bergab rollenden Autos?

Schadensersatzforderung nach Fahrt mit offenen Sandalen

Ein normales Zusammentreffen zwischen einem Paar vor der gemeinsam bewohnten Wohnung nahm eine unerwartete Wendung. Die damalige Lebensgefährtin des Klägers hatte ihren Wagen am Straßenrand vor dem Haus abgestellt und die beiden genossen ihre gemeinsame Zeit. Doch plötzlich wurde ihre fröhliche Stimmung unterbrochen, als der Kläger bemerkte, dass das Auto langsam rückwärts den Hang hinunter rollte. Ohne zu zögern und nur mit offenen Sandalen bekleidet, reagierte der Kläger instinktiv. Er rannte hinter dem Fahrzeug her und versuchte verzweifelt, es aufzuhalten. Doch er wurde von dem rollenden Fahrzeug niedergestoßen und überrollt. Der Preis, den er für diese Rettung zahlte, war hoch. Hat der vermeintliche Retter nun ein Recht auf Schadensersatz?

Was war geschehen?

Am Unfalltag parkte die Zeugin mit ihrem Pkw, der zum Unfallzeitpunkt bei der Beklagten haftpflichtversichert war, vor der gemeinsamen Wohnung. Als der Kläger das Eintreffen der Zeugin bemerkte, begab er sich in offenen Sandalen vor die Wohnung, um sie zu begrüßen. Nach der Begrüßung sprachen sie darüber, ob das Fahrzeug an einem anderen Ort geparkt werden sollte. Während dieses Gesprächs bemerkte der Kläger, dass das Fahrzeug sich in Bewegung setzte und rückwärts den Hang hinunter rollte. Er reagierte daraufhin sofort, lief hinter das Fahrzeug und versuchte es mit seinen Händen an weiterem Runterrollen aufzuhalten. Allerdings gelang es ihm nicht, das Fahrzeug anzuhalten. Er stolperte und der Pkw überrollte ihn, wobei er etwa 20 Meter mitgeschleift wurde. Das Fahrzeug kam schließlich etwa 33 Meter vom ursprünglichen Abstellort entfernt zum Stehen. Der Mann lag so lange eingeklemmt unter dem zum Stehen gekommenen Auto, bis die Rettungskräfte kamen und ihn befreiten. Er erlitt einen Herzstillstand und musste wiederbelebt werden. Zudem erlitt er Verbrennungen und weitere schwere Verletzungen. Der vermeintliche Retter begehrt nun Schadensersatz von der beklagten Haftpflichtversicherung. Er erhebt Klage und macht insbesondere ein Schmerzensgeld in Höhe von 70.000 Euro geltend. Er ist der Meinung, die Beklagte als Haftpflichversicherung des unfallgegnerischen Fahrzeugs hafte ihm zu 100 % auf Schadenersatz.

Wie entschieden die Gerichte?

Das Landgericht Köln entschied zunächst, dass die Haftpflichtversicherung dem Kläger alle materiellen und immateriellen Schäden ersetzen muss, allerdings nur in einer Höhe von 30 %. Dagegen legten der Kläger und die Beklagte Berufung ein. Der Kläger ist der Auffassung, dass die Versicherung ihm 100 % der Schäden ersetzen muss. Die beklagte Versicherung wiederum ist der Meinung, dass es schon an dem Merkmal „in Betrieb“ im Sinne des § 7 StVG fehle.

Das Oberlandesgericht Köln hielt die Berufungen der Parteien für unbegründet. Zwar komme eine Haftung nach § 7 StVG oder § 18 StVG nicht in Betracht, da die Vorschriften nach § 8 Nr. 2 StVG nicht greifen. Nach § 8 Nr. 2 StVG ist eine Haftung ausgeschlossen, wenn der Verletzte bei dem Betrieb des Fahrzeuges tätig ist. Der Verletzte habe sich hier nach Ansicht des Gerichts den Kräften des Autos bewusst ausgesetzt, wodurch er in unmittelbarer Beziehung zu diesen Triebkräften gestanden habe und damit “bei dem Betrieb” des Fahrzeuges tätig war.

Allerdings bejahte das Gericht den Anspruch aus § 823 I BGB in Verbindung mit § 115 VVG. Durch das ungesicherte Abstellen des Fahrzeuges durch die Fahrerin wurden der Körper und die Gesundheit des Klägers widerrechtlich verletzt. Die ehemalige Lebensgefährtin handelte auch fahrlässig, da sie den Wagen auf dem Hang abstellte, ohne es ausreichend gegen ein Wegrollen zu sichern. Das Nichtsichern des Wagens war auch kausal für den Schaden des Klägers. § 115 VVG erlaubt dem Geschädigten einen Direktanspruch gegen den Versicherer des gegnerischen Unfallfahrzeuges.

Hier nahm es allerdings eine Kürzung des Anspruchs in Höhe von 70 % aufgrund des Mitverschuldens des Klägers nach § 254 BGB vor. Dabei habe es alles schuldhafte Verhalten des Klägers mit in die Bewertung einbezogen, das zu dem Schaden beigetragen hat. Der Kläger habe sich bewusst der Gefahr eines unkontrolliert herunterrollenden Fahrzeuges ausgesetzt. Es habe sich auch nicht um eine Notsituation gehandelt, da lediglich ein Sachschaden des Autos in Betracht gekommen wäre. Dies sei dem Kläger auch bewusst gewesen, Außerdem war dem Kläger auch bewusst, dass er nur mit offenen Sandalen bekleidet war. Des Weiteren sei das Vorhaben, ein rollendes Fahrzeug auf einem Hang mit den bloßen Händen aufzuhalten, aussichtslos gewesen. Dies hätte der Kläger nach Ansicht des Gerichts auch erkennen können. Die Tatsache, dass er spontan und intuitiv handelte, führe hier zu keinem anderen Ergebnis.