
Scheidung als Wegfall der Geschäftsgrundlage: OLG Karlsruhe zur Rückforderung einer Schenkung
Es hätte so schön sein können: eine glückliche Ehe, zwei Kinder und dann auch noch ein geschenktes Eigenheim durch die Schwiegereltern. Doch fünf Jahre später kommt es zur Scheidung des Ehepaares. Nun wollen die Schwiegereltern ihr großzügiges Geschenk gerne rückgängig machen, aber die Hürden für die Rückforderung einer Schenkung sind hoch. Ob und wenn ja, in welcher Höhe die Schwiegereltern doch noch etwas zurückbekommen können, dazu nahm das OLG Karlsruhe ausführlich Stellung.
Was war geschehen? Der Fall im Überblick
Ein Ehepaar aus der Schweiz schenkte 2013 ihrem Sohn und ihrer Schwiegertochter ein mit einem Reihenhaus bebautes Grundstück in der Gemeinde Allensbach am Bodensee und übertrug die jeweils hälftigen Miteigentumsanteile. Der Sohn war zum damaligen Zeitpunkt mit seiner Frau bereits seit 17 Jahren in einer Beziehung und seit 2003 verheiratet, sie hatten zwei gemeinsame Kinder. Das Haus hatte zum Zeitpunkt der Eigentumsübertragung einen Verkehrswert von 390.000 Euro, war allerdings mit einer Grundschuld in Höhe von 90.000 Euro belastet, welche die beiden übernahmen. Zudem nahmen sie ein Darlehen in Höhe von 150.000 Euro auf, um Renovierungsarbeiten durchzuführen, sodass der Nettowert der Immobilie auf 300.000 Euro zu schätzen war. Jedoch zog die Frau dann vier Jahre später aus dem gemeinsamen Haus aus, 2018 reichten sie die Scheidung ein. Daraufhin wollten die Schwiegereltern ihre Schenkung gerne rückgängig machen. Doch ist dies dann überhaupt noch möglich?
So hat das OLG Karlsruhe entschieden
Das Oberlandesgericht Karlsruhe sah einen teilweisen Rückforderungsanspruch für gegeben an. Nach Auffassung des Gerichts liege in der Scheidung der Wegfall der Geschäftsgrundlage für die Zuwendung, sodass ein Anspruch auf Rückgewähr nach §§ 346 I, 313 I BGB bestehe, nur die Höhe sei anders als beantragt anzusetzen. Das Gericht führt zunächst aus, mit der Übertragung des Miteigentumsanteils liege eine wirksame Schenkung gemäß § 516 BGB vor, weil es sich basierend auf dem Nettowert der Immobilie um eine unentgeltliche Vermögenszuwendung gehandelt habe. Die Geschäftsgrundlage dafür sei der Fortbestand der Ehe gewesen, die spätestens mit Rechtshängigkeit der Scheidung weggefallen sei.
So prüfst Du den Wegfall der Geschäftsgrundlage in drei Schritten
Den Wegfall der Geschäftsgrundlage kennst Du vermutlich eher im Zusammenhang mit Kaufverträgen. Was genau diese Geschäftsgrundlage im Gegensatz zu dem Vertragsinhalt ausmacht, liefert das OLG Karlsruhe auch gleich mit.
Geschäftsgrundlage sind die nicht zum eigentlichen Vertragsinhalt erhobenen, bei Vertragsschluss aber zutage getretenen gemeinsamen Vorstellungen beider Vertragsparteien sowie die der einen Vertragspartei erkennbaren und von ihr nicht beanstandeten Vorstellungen der anderen vom Vorhandensein oder dem künftigen Eintritt gewisser Umstände, sofern der Geschäftswille der Parteien auf diesen Vorstellungen aufbaut.
Den Wegfall der Geschäftsgrundlage prüfst Du immer in drei Schritten. Rechtsfolge ist vorrangig die Vertragsanpassung, bei Unzumutbarkeit allerdings auch ein Recht auf Kündigung oder Rücktritt.
Das OLG kam hier zu dem Schluss, dass das Festhalten am Vertrag für das Schweizer Ehepaar nicht zumutbar sei, da die Immobilie für diese einen ganz erheblichen Anteil ihres Gesamtvermögens darstellen würde. Sie würden in der Schweiz mit erheblich höheren Lebenshaltungskosten konfrontiert sein und auf der anderen Seite kein erhebliches Vermögen für die Altersvorsorge besitzen.
Die Höhe des Rückforderungsanspruchs
Hinsichtlich der Höhe des Anspruches aus § 313 I BGB sei aber eine gesamte Rückabwicklung abzulehnen, sondern stattdessen schulde die ehemalige Schwiegertochter Geldersatz für den Teil, der nicht erfolgreich zugewendet wurde. Dies gebiete auch das Grundprinzip des § 313 BGB: Eine Anpassung des Vertrages sei gegenüber der Gesamtabwicklung vorrangig. Entscheidend bei der Berechnung der konkreten Höhe sei dabei die Bestimmung der Zeitspanne, für die der Zweck der Zuwendung eingetreten ist. Hier sei dafür nicht auf den Auszug der Schwiegertochter abzustellen, sondern auf die Trennung der vermögensrechtlichen Verhältnisse durch die Rechtshängigkeit des Scheidungsantrages, der mit dem endgültigen Scheitern der Ehe zusammenfiel. Daher seien hier fünf Jahre der Zweckerreichung zugrunde zu legen. Die Zeitspanne, für die die Zuwendung ausgelegt gewesen sei, richte sich nicht nach der durchschnittlichen Ehedauer in Deutschland oder anderen objektiven Faktoren, sondern sei immer anhand der Umstände im Einzelfall zu berechnen. Im konkreten Falle seien nach Auffassung des Gerichts 25 Jahre angemessen. Von diesen seien hier erst 20 % erreicht gewesen, sodass 80 % von netto 150.000 Euro zurückzufordern seien, also 120.000 Euro.
Das Wichtigste in Kürze:
Geschäftsgrundlage der Schenkung (§ 516 BGB ) war der Fortbestand der Ehe
Mit der Scheidung entfiel die Geschäftsgrundlage
Rückforderung möglich, aber nur anteilig nach dem Verhältnis der “erreichten Zeitspanne”
Prüfungsrelevanz: So wendest Du § 313 BGB in der Klausur richtig an
§ 313 I BGB als Anspruchsgrundlage wird für Dich in der Klausur immer dann relevant werden, wenn alle anderen Instrumente der Vertragsrückabwicklung - also Rücktritt, Widerruf, Anfechtung - ausscheiden. Dabei ergeben sich deren Voraussetzungen zwar direkt aus dem Wortlaut der Norm, allerdings hilft bei der Prüfung das zumindest gedankliche Durchgehen dieser drei Elemente: reales Element, hypothetisches Element und normatives Element. Aus § 313 III 1 BGB ergibt sich sodann die Rechtsfolge der vor dem Rücktritt vorrangigen Vertragsanpassung.
Ansonsten ist es für den geschilderten Fall wichtig, nach dem Trennungs- und Abstraktionsprinzip klar zwischen der Schenkung und der Eigentumsübertragung zu unterscheiden. Das Begehren der Schwiegereltern richtet sich auf die Rückabwicklung der unentgeltlichen Zuwendung, also auf der schuldrechtlichen Ebene. Ausführungen zu einer Rückübertragung des Eigentums würden an dieser Stelle also viele Punkte kosten.
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