Störung des Hausfriedens durch Duschen und Staubsaugen?

Störung des Hausfriedens durch Duschen und Staubsaugen?

Berechtigt auch typisches Wohnverhalten zur außerordentlichen Kündigung?

Im besonderen Schuldrecht gehört das Mietrecht mit zu den Prüfungsklassikern und bietet den Prüfungsämtern umfassende Möglichkeiten, problematische Klausuren für Dich zu erstellen. Das AG Hamburg musste sich in seiner aktuellen Entscheidung (Az. 21 C 344/24) zwar “nur” mit einer Klage auf Herausgabe der Mietwohnung nach einer außerordentlichen Kündigung beschäftigen, aber dennoch hat es der Fall in sich. Was Du alles aus einem vermeintlichen “Standardfall” herausholen kannst, zeigen wir Dir in unserer Entscheidungsbesprechung.

Was ist passiert?

Zwischen A und B besteht seit 2005 ein unbefristeter Mietvertrag über die 116 qm große Wohnung in dem Mehrparteienhaus der A. Da die 79-jährige B mittlerweile pflegebedürftig ist, zog zwischenzeitlich ihr Sohn, der C, mit in die Wohnung ein. Bei dem Mehrparteienhaus handelt es sich um einen Altbau, der baubedingt hellhörig ist.

Im Zeitraum von April 2023 bis August 2023 beschwerten sich vermehrt andere Mieter der Hausgemeinschaft über lärmverursachende Verhaltensweisen zu Abend- und Nachtzeiten bei A. Hierbei beanstandeten diese Mieter vor allem ein vermehrtes Baden, Duschen, Staubsaugen, Waschmaschine betätigen, lautes Streiten sowie Möbelrücken in der Zeit zwischen 22.45 Uhr und 6.30 Uhr. Ein solches Verhalten wurde bereits im Jahr 2022 durch die anderen Mieter erstmals bemängelt.

A mahnte B und C daraufhin, wie auch schon im Jahr 2022, erneut in der Zeit von April bis August 2023 mehrfach ab. Zur Klärung der Situation bat A um persönliche Gespräche. Hierauf reagierten weder B noch C.

Anfang 2024 wurden B und C aufgrund von Sanierungs- und Modernisierungsmaßnahmen kurzweilig ausgegliedert. Nach der Durchführung dieser Arbeiten kündigte A der B mit Schreiben vom 24.07.2024 außerordentlich und setzte B und C eine Frist zur Räumung bis zum 09.08.2024.

B und C räumten die Wohnung nicht fristgerecht. Krankheitsbedingt leide B unter kribbelnden Beinen, wodurch sie nachts in der Badewanne im kalten Wasser ihre Beine abkühlen müsse. Hierfür müssten die Mieter ein gewisses Maß an Toleranz aufbringen.

A erhob sodann gegen B und C Klage vor dem Amtsgericht Hamburg und beantragte, B und C zu verurteilen, die Wohnung in (..) Hamburg, 2. Obergeschoss links, geräumt herauszugeben.

Rechtlicher Hintergrund

Das Amtsgericht Hamburg verurteilte B und C als Gesamtschuldner die Wohnung in (…) Hamburg, 2. Obergeschoss links, geräumt herauszugeben. Den Herausgabeanspruch leitet das Gericht aus §§ 546 I, II, 549 I BGB her, weil das Mietverhältnis durch die außerordentliche Kündigung der A vom 24.07.2024 gemäß §§ 543 I, 569 II BGB beendet worden sei.

Einstiegsnorm bei einem Herausgabeverlangen seitens des Vermieters ist § 546 BGB. Hieraus ergibt sich zum einen die Rückgabepflicht des Mieters (Abs. 1) und zum anderen, dass der Vermieter nach Beendigung des Mietverhältnisses die Mietsache auch von einem Dritten zurückfordern kann (Abs. 2). Absatz 2 ist hier relevant, weil nur B Mieterin der streitgegenständlichen Wohnung ist und ihr Sohn C nur Bewohner ist. A möchte aber, dass sowohl B als auch C die Wohnung räumen.

Die Rückgabepflicht gemäß § 546 I BGB bejahte das Gericht im vorliegenden Fall, weil die von A ausgesprochene außerordentliche Kündigung wirksam sei. Das Recht zur außerordentlichen Kündigung ist im Mietrecht im allgemeinen Teil in § 543 BGB geregelt und speziell für Verträge über die Wohnraummiete zusätzlich noch in § 569 BGB normiert.

Erinnere Dich noch einmal, dass für eine Kündigung zunächst eine wirksame Kündigungserklärung gemäß §§ 568, 569 IV BGB erforderlich ist, die A formgerecht am 24.07.2024 erklärt hat. Merke Dir, dass gemäß § 569 IV BGB der zur Kündigung führende wichtige Grund in dem Kündigungsschreiben anzugeben ist. In diesem Fall also ein umfassendes Lärmprotokoll, aus dem sich die Ruhestörungen mit Datum und zeitlicher Dauer ergeben, welches A der Kündigung beigefügt hatte.

Den zur außerordentlichen Kündigung führende “wichtige Grund” gemäß §§ 543 I, 569 II BGB prüfst Du dann in zwei Schritten. Zunächst muss überhaupt erst mal ein wichtiger Grund “an sich” bestehen, der dann im zweiten Schritt nach einer Interessenabwägung eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar macht.

Der Wortlaut von §§ 543 I und 569 II BGB fordert eine nachhaltige Störung des Hausfriedens. Mach Dir bewusst, dass es sich hierbei um einen unbestimmten Rechtsbegriff handelt, den Du in Deiner Klausur mit “Leben” füllen musst. Das heißt, Du musst hier mit den konkreten Sachverhaltsangaben arbeiten und argumentieren. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass eine nachhaltige Störung immer dann vorliegt, wenn das Gebot der Rücksichtnahme gemäß § 241 I BGB verletzt wird. Hier bekommt Deine Argumentation nun einen gesetzlichen Anknüpfungspunkt und Du kannst Dich an dem bekannten Abwägungsmaßstab des Rücksichtnahmegebots orientieren.

Vorliegend haben B und C ihre Rücksichtnahmepflicht verletzt, weil der mit ihrem Verhalten verbundene Lärm den üblichen und hinzunehmenden Umfang deutlich überschritten habe. Ausschlaggebend für die Bewertung sind zum einen “die Lautstärke, der zeitliche Umfang, die Sozialadäquanz und zum anderen die Möglichkeit von Gegenmaßnahmen zur Lärmprävention sowie bauliche Gegebenheiten.” Um diese Parameter auszufüllen, musst Du nun die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen heranziehen. In diesem Fall waren es das LImSchG Deines Bundeslandes sowie die TA-Lärm.

Gemäß dem HmbLärmSchG i.V.m. der TA-Lärm ergibt sich daraus, dass die übliche Nachtzeit zwischen 22.00 Uhr und 6.00 Uhr gilt, wobei die Rücksichtnahme ab 22.00 Uhr erhöht und zwischen 0.00 Uhr und 6.00 Uhr deutlich erhöht ist. Das lärmverursachende Verhalten von B und C habe sich genau in dieser Zeitspanne abgespielt. Zwar kann ein Mieter in seiner Wohnung auch in dieser Zeit duschen und auf Toilette gehen und andere Sachen erledigen, denn gelegentliche Störungen müssen die anderen Mieter dulden. Allerdings darf diese Nutzung nicht das sozial adäquate Maß überschreiten, was bei dem Verhalten von B und C allerdings der Fall sei.

Zur Begründung dieser Überschreitung hat das Gericht sowohl eine horizontale als auch vertikale Betrachtung vorgenommen. Zeitlich horizontal sei das Maß wegen der Regelmäßigkeit der Lärmbeeinträchtigung überschritten und zeitlich vertikal aufgrund der Umfänge, in denen der Lärm andauerte, so das AG Hamburg. Das Gericht ist der Überzeugung, dass B und C regelmäßig, nahezu täglich in der Zeit von 22.00 Uhr bis 6.00 Uhr teilweise zwei bis drei Stunden u.a. die Waschmaschine benutzt hätten, Staub gesaugt sowie Möbel verrückt und die Dusche benutzt hätten. Dies ergebe sich aus den Lärmprotokollen. Hinzu komme laut Gericht, dass sich die streitgegenständliche Wohnung in einem Altbau befinde, bei dem die Wände besonders hellhörig seien und dadurch solche Geräusche besonders intensiv von den anderen Mietern wahrgenommen würden.

In der Gesamtschau lässt sich also laut Gericht festhalten, dass das Verhalten von B und C zeige, dass sie bei ihren Aktivitäten in keinster Weise auf ihre Nachbarn Rücksicht genommen hätten. Außerdem sei für das Gericht nicht ersichtlich, dass B und C versucht hätten, z.B. durch Dämmmatten oder Dämmfüße Gegenmaßnahmen zur Lärmprävention vorzunehmen.

Im Anschluss daran führte das AG Hamburg die erforderliche Abwägung aller Umstände des Einzelfalls durch, wobei es die beiderseitigen Interessen berücksichtigte. Hierbei kam das Gericht zu dem Schluss, dass eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist unzumutbar sei. Dies begründete das Gericht im Wesentlichen mit zwei Argumenten. Zum einen damit, dass es für das lärmverursachende Verhalten von B und C zur Nachtzeit keine Rechtfertigung gebe. Insbesondere sei der Gesundheitszustand von B kein Umstand, der die Ruhestörung wie z.B. das Staubsaugen und Möbelrücken entschuldigen würde. Selbst zum nächtlichen Duschen bestehe kein Zusammenhang. An dieser Stelle kannst Du noch mögliche Gegenmaßnahmen, wie z.B. das Wassereinlassen in die Badewanne vor der Nachtzeit oder das Kühlen mit Eiswürfeln, die B und C nicht ergriffen haben, als Argument anführen.

Zum anderen stützte das Gericht seine Abwägung darauf, dass B und C den Lärm schuldhaft herbeigeführt hätten. Schließlich habe A die B und den C mehrfach abgemahnt und um persönliche Gespräche gebeten, auf die B und C nicht reagierten.

Wichtig ist, dass Du Dir in diesem Zusammenhang merkst, dass ein Verschulden für eine außerordentliche Kündigung nicht erforderlich ist, aber von Dir gut als weiteres Abwägungskriterium herangezogen werden kann. Das Verschulden wird auch hier gemäß § 280 I 2 BGB vermutet.

Aufseiten der anderen Mieter war laut Gericht zu berücksichtigen, dass aufgrund der Hellhörigkeit des Altbaus ein höheres Maß an Duldung und Toleranz des Lärms anzusetzen war.

Prüfungsrelevanz

Anhand der Entscheidung des AG Hamburg kannst Du sehr schön sehen, dass auch schon eine typische Klausur zur außerordentlichen Kündigung ohne große Sonderprobleme “es in sich haben kann”. Bei solchen “Standardklausuren” ist es dann wichtig, dass Du sehr sauber arbeitest und alle einschlägigen gesetzlichen Normen zitierst. Eine Ungenauigkeit Deinerseits dürfte Dir von Deinem:r Korrektor:in in diesen Klausuren wohl eher nicht verziehen werden.

Solltest Du Dich schon etwas weiter in Deinem Studium befinden oder kurz vor Deinem zweiten Examen stehen, solltest Du insbesondere ein Augenmerk auf den Klageantrag gemäß § 253 II Nr. 2 ZPO bzw. den Tenor haben. Bei Klagen auf Herausgabe ist es umso wichtiger, dass der Tenor vollstreckbar ist. Der Tenor ist erst vollstreckbar, wenn der Gegenstand so konkret wie möglich beschrieben ist und für den Gerichtsvollzieher ohne weiteres identifizierbar ist. Unzulässig ist dabei, auf etwaige Listen Bezug zu nehmen, in denen der Gegenstand näher beschrieben wird.

In diesem Zusammenhang solltest Du auch an § 255 ZPO denken. Nach § 255 I ZPO kann eine Klage auf Herausgabe mit der Fristsetzung und dem Antrag verbunden werden, den Beklagten bei fruchtlosen Fristablauf statt Herausgabe zur Zahlung von Schadensersatz zu verurteilen. Hierbei handelt es sich dann um eine sogenannte Stufenklage. Folge eines solchen Schadensersatzantrags ist dann aber, dass gemäß § 281 IV BGB der Anspruch auf die Primärleistung, hier also die Herausgabe der Wohnung, ausgeschlossen ist. Daher solltest Du stets vorsichtig mit einem solchen Antrag sein.

Außerdem solltest Du auf dem Schirm haben, dass für Klagen über Mietverhältnisse die Amtsgerichte ausschließlich gemäß § 23 Nr. 2a GVG sachlich zuständig sind.

Du willst das Herz Deines Korrektors oder Deiner Korrektorin höherschlagen lassen? Dann solltest Du Dir folgende Zahl notieren: 721. Im Zusammenhang mit der Klage auf Herausgabe von Wohnraum solltest Du immer einmal kurz an eine Verlängerung der Räumungsfrist nach § 721 I ZPO denken, denn das Gericht kann die Räumungsfrist auch von Amts wegen verlängern. Das heißt also, dass hier nicht zwingend ein Antrag des Mieters erforderlich ist.

Auch wenn Du wahrscheinlich mit diesem Anspruch nicht so vertraut bist, solltest Du Dich davon nicht aus dem Konzept bringen lassen. Der zentrale Prüfungspunkt ist hier gemäß § 721 I ZPO “eine den Umständen nach angemessene Räumungsfrist”. Diese Formulierung schreit nach einer umfassenden Abwägung sämtlicher Interessen der Betroffenen. Hier kommt es also mehr auf Deine juristische Argumentation und Deinen gesunden Sachverstand an als auf konkretes Spezialwissen. Und denk dran, dass der Sachverhalt Dir die entscheidenden Informationen für Deine Abwägung liefert.

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