BGH zu Luftbildaufnahmen vom Feriendomizil eines Prominenten

BGH zu Luftbildaufnahmen vom Feriendomizil eines Prominenten

Kann eine in der Öffentlichkeit bekannte Person die Unterlassung einer Wort- und Bildberichterstattung verlangen?

Viele Menschen sind an dem Privatleben von Prominenten interessiert und dementsprechend finden Berichterstattungen regen Anklang in diesbezügliche Zeitschriften. Können Prominente bezüglich der Luftbildaufnahmen des eigenen Feriendomizils und voller Namensnennung Unterlassung verlangen?

A. Sachverhalt

Der Kläger (K) ist ein international bekannter ehemaliger Formel-1-Weltmeister. Seine Frau und seine Kinder sind ebenfalls Kläger. Die Beklagte (B) ist Verlegerin der Zeitschrift „FREIZEIT SPASS“. B veröffentlichte einen Artikel mit auszugsweise folgendem Inhalt:

“G[voller Name der Klägerin zu 2] […] stand das Glück ins Gesicht geschrieben, als sie in einer Bucht bei Port d’Andratx vor einem Jetski stand. Und auch Bruder M[Vorname des Klägers zu 1] […] flitzte beseelt mit dem Fahrzeug übers Wasser. So ausgelassen hat man die Kinder von M[voller Name des Klägers zu 3] […] ja lange nicht mehr gesehen!

Rückblick. Wegen der Corona-Pandemie mussten auch sie monatelang zu Hause in … bleiben. Jetzt genossen beide unbeschwerte Urlaubstage mit Freunden auf Mallorca, wo Mama C[Vorname der Klägerin zu 4] […] ein traumhaftes Anwesen mit Pool und großem Garten gekauft hat. Sie selbst hielt sich aus der Öffentlichkeit heraus. Vielleicht, weil sie wie im letzten Jahr alles für die Ankunft ihres Mannes vorbereitete. […] Schon früher wurde M[Vorname des Klägers zu 3] mit einem Spezial-Helikopter auf die Insel gebracht.”

Der Beitrag wurde u.a. mit einem Luftbild von dem im Artikel genannten Anwesen illustriert (Bildinschrift: “Das traumhafte Anwesen der Familie auf Mallorca mit Garten und Pool”).

K verlangt von B Unterlassung dieser Wort- und Bildberichterstattung.

B. Entscheidung

K macht insofern einen Unterlassungsanspruch geltend.

I. Unterlassungsanspruch

K könnte gegen B einen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Wort- und Bildberichterstattung haben nach §§ 1004 I 2 BGB analog, 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG.

Ein solcher quasinegatorischer Unterlassungsanspruch nach § 1004 I 2 BGB analog, 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG setzt voraus: Allgemeines Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I, 1 I GG als sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB, Beeinträchtigung, Wiederholungsgefahr, Anspruchsgegner ist Störer, keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB = Rechtswidrigkeit.

1. Analoge Anwendung

In direkter Anwendung betrifft der negatorische Unterlassungsanspruch nach § 1004 I 2 BGB das Eigentum. Da dieses nicht betroffen war, kommt lediglich eine analoge Anwendung in Betracht. Eine Analogie setzt einen vergleichbaren Sachverhalt und eine planwidrige Regelungslücke voraus. Diese Voraussetzungen sind erfüllt bei einer möglichen Beeinträchtigung eines sonstigen Rechts im Sinne des § 823 I BGB.

2. Allgemeines Persönlichkeitsrecht als sonstiges Recht

Das allgemeine Persönlichkeitsrecht nach Art. 2 I i.V.m. 1 I GG, Art. 8 I EMRK (Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens) stellt ein sonstiges Recht im Sinne des § 823 I BGB dar. Unter das allgemeine Persönlichkeitsrecht fällt unter anderem das Recht der Selbstbewahrung, welches das Recht eines geschützten Bereichs der persönlichen Lebensgestaltung verbürgt, mit dem Schutz der Privatsphäre.

Das … Recht auf Achtung der Privatsphäre gesteht jedermann einen autonomen Bereich der eigenen Lebensgestaltung zu, in dem er seine Individualität unter Ausschluss anderer entwickeln und wahrnehmen kann. Dazu gehört auch das Recht, für sich zu sein, sich selbst zu gehören und den Einblick durch andere auszuschließen. Der Schutz der Privatsphäre ist sowohl thematisch als auch räumlich bestimmt. Er umfasst einen räumlich bestimmten - insbesondere häuslichen, aber auch außerhäuslichen - Bereich, in dem der Einzelne die Möglichkeit hat, frei von öffentlicher Beobachtung und der von ihr erzwungenen Selbstkontrolle zu sein, und in dem er zu sich kommen, sich entspannen oder auch gehen lassen kann und der das Bedürfnis verwirklichen hilft, “in Ruhe gelassen zu werden”. Thematisch umfasst der Schutz der Privatsphäre insbesondere Angelegenheiten, die wegen ihres Informationsinhalts typischerweise als “privat” eingestuft werden, etwa weil ihre öffentliche Erörterung oder Zurschaustellung als unschicklich gilt, das Bekanntwerden als peinlich empfunden wird oder nachteilige Reaktionen der Umwelt auslöst …

Die Wort- und Bildberichterstattung könnte eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts bezüglich der Achtung der Privatsphäre des K darstellen. Insofern kommt eine analoge Anwendung des § 1004 I 2 BGB in Betracht.

3. Beeinträchtigung

Ob eine Wort- und Bildberichterstattung bezüglich einer prominenten Person eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts in Bezug auf dessen Privatsphäre darstellt, bedarf einer Prüfung im Einzelfall. Es wird in dem Artikel der Aufenthalt auf dem privaten Anwesen des K unter voller Namensnennung auf Mallorca mit entsprechenden Luftbildaufnahmen geschildert und dargestellt. Das Anwesen des K ist

von außen aufgrund besonderer Schutzmaßnahmen, insbesondere aufgrund seiner Lage in einer “Gated Community”, nicht einsehbar. Die Kläger halten sich dort zu Urlaubs- und Erholungszwecken auf. Mit der Veröffentlichung der Luftbildaufnahme unter namentlicher Zuordnung des abgebildeten Anwesens zu den Klägern wird damit einem breiten Publikum Einblick in einen privaten Lebensbereich der Kläger gewährt, den diese erkennbar vor den Augen der Öffentlichkeit verschließen wollten. Dies genügt hier, um einen Eingriff in die Privatsphäre zu bejahen, ohne dass über die Tatsache der ungewollten Öffnung des privaten Lebensbereichs hinaus noch die Geeignetheit des Anwesens als Rückzugsort dadurch beeinträchtigt sein müsste, dass aufgrund der Berichterstattung die Auffindbarkeit des Grundstücks durch Dritte erleichtert wird.

4. Wiederholungsgefahr

Des Weiteren müsste eine Wiederholungsgefahr gegeben sein. Das ist der Fall, sofern objektiv die Besorgnis besteht, dass weitere Störungen erfolgen. Dafür genügt eine erfolgte Beeinträchtigung. Hieraus ergibt sich eine tatsächliche Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Somit ist die Wiederholungsgefahr gegeben.

5. Anspruchsgegner ist Störer

Darüber hinaus müsste B Störerin sein. B könnte unmittelbare Handlungsstörerin sein. Dies ist diejenige, die eine Beeinträchtigung – hier des allgemeinen Persönlichkeitsrechts – durch ihr eigenes Verhalten adäquat verursacht. B hat den Urlaub des K mit seiner Familie in seinem Feriendomizil mit entsprechenden Luftbildaufnahmen in ihrer Zeitschrift veröffentlicht. Damit ist sie unmittelbare Handlungsstörerin.

6. Keine Duldungspflicht nach § 1004 II BGB = Rechtswidrigkeit

Sofern keine Duldungspflicht für K nach § 1004 II BGB besteht, ist die Veröffentlichung rechtswidrig. Eine Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ist nicht per se rechtswidrig.

Wegen der Eigenart des Persönlichkeitsrechts als Rahmenrecht liegt seine Reichweite nicht absolut fest, sondern muss erst durch eine Abwägung der widerstreitenden grundrechtlich geschützten Belange bestimmt werden, bei der die besonderen Umstände des Einzelfalls sowie die betroffenen Grundrechte und Gewährleistungen der Europäischen Menschenrechtskonvention interpretationsleitend zu berücksichtigen sind. Der Eingriff in das Persönlichkeitsrecht ist nur dann rechtswidrig, wenn das Schutzinteresse des Betroffenen die schutzwürdigen Belange der anderen Seite überwiegt …. Im Streitfall ist das durch Art. 2 I, Art. 1 I GG, Art. 8 I EMRK gewährleistete Interesse der Kläger am Schutz ihres Persönlichkeitsrechts mit dem in Art. 5 I GG, Art. 10 I EMRK verankerten Recht der Beklagten auf Meinungsfreiheit abzuwägen.

Da die Äußerung der Beklagten die Privatsphäre der Kläger betrifft, ist von entscheidender Bedeutung, ob sie sich durch ein berechtigtes Informationsinteresse der Öffentlichkeit rechtfertigen lässt….

Geschützt von der Meinungsfreiheit nach Art. 5 I GG ist sowohl die Meinungsäußerung als auch die Meinungsverbreitung. Die Pressefreiheit gem. Art. 5 I GG soll eine freie Meinungsbildung und Berichterstattung gewährleisten. Zum Schutzbereich der Presse- und Meinungsfreiheit gehört auch die Veröffentlichung von Berichten über das Privatleben von Prominenten.

Im Rahmen der Abwägung kommt dem Gegenstand der Berichterstattung maßgebliche Bedeutung zu, wobei der Informationsgehalt einer Bildberichterstattung im Gesamtkontext, in den das Bild gestellt ist, zu ermitteln ist, insbesondere unter Berücksichtigung der zugehörigen Textberichterstattung…. Je größer der Informationswert für die Öffentlichkeit ist, desto mehr muss das Schutzinteresse desjenigen, über den informiert wird, hinter den Informationsbelangen der Öffentlichkeit zurücktreten. Umgekehrt wiegt aber auch der Schutz der Persönlichkeit des Betroffenen umso schwerer, je geringer der Informationswert für die Allgemeinheit ist….

Bei der Prüfung der Frage, ob und in welchem Ausmaß die Berichterstattung einen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung leistet …, ist von erheblicher Bedeutung, welche Rolle dem Betroffenen in der Öffentlichkeit zukommt. Eine in der Öffentlichkeit unbekannte Privatperson kann einen besonderen Schutz ihres Privatlebens beanspruchen, nicht aber eine Person des öffentlichen Lebens. …

Stets abwägungsrelevant ist auch die Intensität des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht. Diese kann bei einer Bildberichterstattung - wie bei einer Wortberichterstattung - als gering zu werten sein, wenn sie keinen tieferen Einblick in die persönlichen Lebensumstände des Betroffenen vermittelt…

Die Abwägung ergibt, dass das Interesse des K am Schutz seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts hinsichtlich der Privatsphäre nach Art. 2 I i.V.m. 1 I GG, Art. 8 I EMRK das Recht der B auf Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 I GG, Art. 10 I EMRK (Freiheit der Meinungsäußerung) nicht überwiegt. Die angegriffene Wort- und Bildberichterstattung beeinträchtigt die Privatsphäre des K nur geringfügig. Durch die Veröffentlichung des Luftbildes von dem Feriendomizil ist die Privatsphäre des K nur in einem Randbereich betroffen.

Einen tieferen Einblick in die Lebensgewohnheiten der Kläger gewährt die Aufnahme nicht. Zu sehen sind auf dem relativ kleinen Bild lediglich mehrere Gebäude samt umgebender Gartenanlage, wobei unklar bleibt, wo die Grundstücksgrenze der Kläger verläuft. Der im Text erwähnte Pool ist nicht abgebildet. Private Ausstattungsgegenstände der Bewohner sind nicht erkennbar.

Somit besteht eine Duldungspflicht für K nach § 1004 II BGB und die Veröffentlichung ist nicht rechtswidrig.

Ergebnis

K hat gegen B keinen Unterlassungsanspruch hinsichtlich der Wort- und Berichterstattung nach § 1004 I 2 BGB analog, 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG.

C. Prüfungsrelevanz

Ein Verlag berichtet über das Privatleben einer Person des öffentlichen Lebens und diese begehrt Unterlassung. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um die Wort- und Bildberichterstattung bezüglich eines international bekannten ehemaligen Formel-1-Weltmeisters.

Die Entscheidung ist sehr prüfungsrelevant, da sie die Gelegenheit bietet, alle Voraussetzungen eines quasinegatorischen Unterlassungsanspruchs nach § 1004 I 2 BGB, 823 I BGB i.V.m. Art. 2 I, 1 I GG abzuprüfen. Dabei ist eine umfassende Abwägung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Art. 2 I i.V.m. 1 I GG als Rahmenrecht vorzunehmen.

(BGH Urt. v. 05.11.2024 – VI ZR 110/23)

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