
Wann liegt ein wichtiger Grund für die Beendigung eines Fitnessstudiovertrags vor?
Ein Fitnessstudiovertrag hat in der Regel eine bestimmte Laufzeit. Er verpflichtet das Mitglied zur Zahlung der Mitgliedsbeiträge für einen vertraglich vereinbarten Zeitraum, unabhängig davon, ob und wie das Mitglied das Fitnessstudio letztendlich besucht. Es gibt jedoch Ausnahmen, die eine vorzeitige Kündigung der Mitgliedschaft ermöglichen, z.B. Krankheiten. Aber was gilt, wenn der Arzt ein Sportverbot wegen einer Risikoschwangerschaft erteilt?
Was war geschehen?
Die A schloss mit der Fitnessstudiobetreiberin B einen Fitnessstudiovertrag. In dem Vertrag heißt es unter anderem: „Die Mitgliedschaft beginnt am: 24.04.2020. Die Mitgliedschaft wird auf Wunsch des Mitglieds zunächst für die Dauer von 12 Monaten geschlossen. Die Mitgliedschaft verlängert sich jeweils für die Dauer von 12 weiteren Monaten.“ In den AGB der B findet sich folgende Regelung: „Die Mitgliedschaft kann – im gegenseitigen Einverständnis – bei nachgewiesener Krankheit, Schwangerschaft oder Bundeswehr für einen im Voraus zu bestimmenden Zeitpunkt ausgesetzt werden. In diesem Fall verlängert sich die ursprünglich vereinbarte Mitgliedschaft um die Zeitspanne, in welcher sie geruht hat. Ein außerordentliches Kündigungsrecht bleibt hiervon unberührt.“
A kündigte den Vertrag und teilte der B mit, dass ihr Arzt ihr aufgrund ihrer Schwangerschaft aus gesundheitlichen Gründen (Risikoschwangerschaft) sportliche Aktivitäten untersagt habe und bat um Bestätigung der außerordentlichen Kündigung. B weist die außerordentliche Kündigung zurück. A könne für die Zeit der Schwangerschaft eine Aussetzung beantragen, wodurch sich das Vertragsverhältnis insgesamt verlängere. A zahlte die ausstehenden Beiträge nicht und B erhob daraufhin Klage.
Entscheidung des Gerichts
Das LG Freiburg (Urt. v. 06.02.2025 - 3 S 124/23) hat die Klage der B abgewiesen. Der geltend gemachte Anspruch auf Beiträge für die Zeit nach der Kündigung stehe ihr nicht zu, da die A den Vertrag wirksam außerordentlich gekündigt habe.
Der Hauptteil des Falles spielt sich im Anspruchsaufbau also beim Prüfungspunkt „Anspruch erloschen“ ab.
Konkret geht es dann um die Wirksamkeit der außerordentlichen Kündigung. Im Schuldrecht BT ist die außerordentliche Kündigung für bestimmte Verträge noch einmal besonders geregelt. Ein wichtiges Beispiel ist § 543 I BGB für den Mietvertrag. Fehlt ein spezieller außerordentlicher Kündigungsgrund für den Vertragstyp, kannst Du auf § 314 BGB zurückgreifen.
Was gilt nun bei Fitnessstudioverträgen? Der Vertragstypus bei der Mitgliedschaft in einem Fitnessstudio hängt von der geschuldeten Leistung ab. Wird neben der Nutzung der Geräte und der Überlassung der Räume auch eine Einweisung in die Geräte geschuldet und womöglich wird ein persönliches Trainingsprogramm erstellt, liegt ein typengemischter Vertrag mit dienst- und mietvertraglichen Elementen vor. Für diesen typengemischten Vertrag gilt in jedem Fall § 314 I BGB.
Zur Wiederholung für Dich:
Ein wichtiger Grund zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses liegt vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses bis zur vereinbarten Beendigung oder bis zum Ablauf einer Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann (vgl. § 314 I 1 BGB).
Die Prüfung erfolgt dann zweistufig: Zunächst prüfst Du, ob ein Tatbestand vorliegt, der grundsätzlich eine außerordentliche Kündigung rechtfertigen kann. Im zweiten Schritt musst Du umfassend abwägen, welche Interessen im konkreten Fall vorliegen. Der Schwerpunkt liegt klar in der umfassenden Abwägung der Interessen. Wichtig ist, dass Du den Sachverhalt umfassend auswertest und alle Argumente verwendest, sonst schneidest Du Dir wertvolle Punkte ab.
Das Gericht legt hier die Interessen der Parteien sehr schön dar und nimmt eine umfassende und sehr lehrreiche Abwägung vor.
Zunächst stellt es auf die Wertung von Art. 6 IV GG ab. Dem dort normierten Schutzauftrag für Mütter ist auch bei der Auslegung und Anwendung des einfachen Gesetzesrechts Rechnung zu tragen. Es mag verwirrend sein, warum das Gericht hier nun die Grundrechte heranzieht, obwohl es um einen Streit zwischen Privaten geht. Du musst beachten, dass bei der Auslegung von unbestimmten Rechtsbegriffen (zB. „wichtiger Grund“ oder das „berechtigte Interesse“) auch die Grundrechte der beteiligten Parteien zu berücksichtigen (sog. mittelbare Drittwirkung) sind. Es kann also sein, dass die Grundrechte auch in einer Zivilrechtsklausur relevant werden.
Aufseiten der A stellte das Gericht folgende Interessen in die Abwägung ein: Aufgrund des Sportverbots musste A damit rechnen, das Angebot der B schwangerschaftsbedingt für einen erheblichen Zeitraum nur in sehr eingeschränktem Umfang oder gar nicht nutzen zu können, da auch im Falle einer komplikationslosen Geburt nicht mit einer Wiederaufnahme des Trainings unmittelbar nach der Entbindung zu rechnen war. Die weitere Nutzung des Angebots in eingeschränktem Umfang, z.B. durch den Besuch des Solariums oder der Sauna, sei für A nicht zumutbar, da sie gleichzeitig den vollen Mitgliedsbeitrag zahlen müsste. Dieses Interesse gewichtete das Gericht höher als das Interesse der B an ihrer finanziellen Planungssicherheit. Wichtig ist bei der Abwägung auch, aus wessen „Sphäre“ die Gründe für den Kündigungswunsch resultieren. So rechtfertigt allein der Umstand, dass ein Kunde eines Fitnessstudios berufsbedingt seinen Wohnort wechselt, eine außerordentliche Kündigung des Vertrags nicht. Anders ist dies etwa bei einer nicht vom Kunden beeinflussbaren Erkrankung. Dieses Risiko fällt nicht in den Verantwortungsbereich des Kunden.
Die Möglichkeit der Vertragsaussetzung stellt aus Sicht des Gerichts auch kein milderes Mittel dar, das einer außerordentlichen Kündigung entgegenstehe. Denn aus der Klausel ergebe sich kein verbindlicher Anspruch auf ein Aussetzen des Vertrages. Vielmehr ist die Klausel als unverbindliche Möglichkeit zu verstehen. Dies ergibt sich aus der Verwendung der Worte „können“ und „einvernehmlich“. Hier liegt höchstens ein Angebot i.S.v. § 145 BGB vor. Das hier ist ein toller Punkt für die Abwägung. Hier kannst Du mit dem Wortlaut der AGB argumentieren, dass kein verpflichtender Anspruch auf eine Vertragsaussetzung begründet wurde. A war rechtlich nicht verpflichtet, sich auf die mit diesem Angebot verbundene Verlängerung der Vertragslaufzeit einzulassen.
Generell gilt für die Inanspruchnahme einer (vertraglich vereinbarten) Ruhensregelung mit anschließender Vertragsverlängerung, dass diese nur dann zumutbar ist, wenn die Vertragsverlängerung „überschaubar“ ist. Vorliegend hätte die Risikoschwangerschaft und die Zeit nach der Schwangerschaft dazu geführt, dass A insgesamt 19 Wochen nicht hätte trainieren können. Bei einem derart langen Zeitraum von fast 5 Monaten ist es zumindest zweifelhaft, ob vorliegend noch ein „kurzer und überschaubarer Zeitraum“ für die Anwendung der Ruhensregelung mit Vertragsverlängerung vorgelegen hätte.
Prüfungsrelevanz
Der Fitnessstudiovertrag findet regelmäßig seinen Weg zu den Prüfungsämtern. Dabei gibt es verschiedene Schwerpunkte, die immer wieder auftauchen. Zunächst ist der Fitnessstudiovertrag ein typengemischter Vertrag, der je nach Ausgestaltung unterschiedlichen Regelungen unterliegt. Das musst Du sorgsam an der richtigen Stelle herausarbeiten, nämlich bei der Frage, nach welchen Regelungen sich die Kündigung richtet. Zum anderen wird es meist um die Wirksamkeit einer (außerordentlichen) Kündigung gehen. Hier kann das Prüfungsamt Deine Argumentationsfähigkeit und Deinen Umgang mit dem Sachverhalt überprüfen. Wichtig ist, dass Du in zwei Schritten prüfst, ob generell ein Kündigungsgrund vorliegt und dann in die konkrete Interessenabwägung einsteigst. Hier musst Du den Sachverhalt genau aufarbeiten und die Interessen der Parteien darlegen. Auch mit den Verantwortungsbereichen der Parteien kannst Du argumentieren. Keine Sorge: Der Sachverhalt wird Dir genug Stoff liefern. Für Fortgeschrittene lassen sich Klausuren zum Fitnessstudiovertrag auch gut mit einer AGB-Kontrolle anreichern. Dabei solltest Du immer an die Klauselverbote des § 309 Nr. 9 BGB denken, der bestimmte Laufzeitregelungen verbietet.
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