Anspruchsaufbau

Aufbau der Prüfung - Anspruchsaufbau

Wenn man einen Anspruch ausfindig gemacht hat, ist beim Anspruchsaufbau zu berücksichtigen, ob der Anspruch entstanden, nicht erloschen und durchsetzbar ist. 

I. Anspruch entstanden

Zunächst ist im Anspruchsaufbau zu prüfen, ob der Anspruch entstanden ist. Hierbei ist im Anspruchsaufbau zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen zu unterscheiden.

1. Vertragliche Ansprüche

Vertragliche Ansprüche kommen zustande, indem sich die Parteien einigen und diese Einigung auch wirksam ist.

a) Einigung, §§ 145 ff. BGB

Eine Einigung kommt durch zwei übereinstimmende Willenserklärungen, Angebot und Annahme, zustande.

b) Wirksamkeit

Die Wirksamkeit liegt vor, wenn keine rechtshindernden Einwendungen bestehen. Das sind Einwendungen, die dazu führen, dass der Anspruch nicht einmal entsteht (Nichtigkeitsgründe). Beispiel: A verkauft dem B sein Fahrzeug und A ist während des Vertrags unerkannt geisteskrank und damit nach den §§ 104, 105 BGB geschäftsunfähig. Dann haben sich A und B zwar geeinigt, diese Einigung ist jedoch aufgrund der unerkannten Geisteskrankheit nach den §§ 104, 105 BGB unwirksam.

2. Gesetzliche Ansprüche

Bei den gesetzlichen Ansprüchen ist im Anspruchsaufbau bei dem Punkt Anspruch entstanden keine Einigung zu prüfen. Vielmehr müssen für einen gesetzlichen Anspruch die Tatbestandsvoraussetzungen der betreffenden Norm vorliegen. Beispiel: A fährt dem B eine Beule in sein Auto. B hat folglich einen Schadensersatzanspruch gegen den A aus § 823 I BGB, wenn die Voraussetzungen des § 823 I BGB vorliegen. Diese sind Rechtsgutsverletzung, Verletzungsverhalten, Zurechnung, Rechtswidrigkeit und Verschulden. 

II. Anspruch nicht erloschen

Im Anspruchsaufbau folgt sodann die Prüfung, ob der Anspruch auch nicht erloschen ist (Kein Erlöschen des Anspruchs/ Anspruch nicht untergegangen). Hier sind rechtsvernichtende Einwendungen zu prüfen. Dies sind Einwendungen, die dazu führen, dass ein bereits entstandener Anspruch wieder vernichtet wird, also erlischt. Beispiel1: Erfüllung gemäß § 362 BGB. A verkauft dem B sein Auto und übereignet es auch. Damit tritt nach § 362 BGB Erfüllung ein, sodass A dem B, wenn B noch einmal kommen und Erfüllung verlangen würde, die rechtsvernichtende Einwendung der Erfüllung entgegenhalten kann. Der Anspruch ist zwar wirksam entstanden, jedoch nach § 362 BGB erloschen. Beispiel2: Unmöglichkeit gemäß § 275 BGB. A verkauft dem B ein Auto und nach Abschluss des Kaufvertrags und vor Übereignung entsteht aufgrund eines Unfalls ein Totalschaden. Somit ist der Anspruch zwar wirksam entstanden, jedoch aufgrund von Unmöglichkeit nach § 275 I BGB nicht mehr erfüllbar und damit erloschen. Beispiel3: Anfechtung gemäß den §§ 142 I, 119 ff. BGB. A verkauft dem B ein Fahrzeug. B hat sich bei dieser Gelegenheit beispielsweise über den Fahrzeugtyp geirrt und erklärt die Anfechtung. Dann kann B nicht mehr die Übereignung des Fahrzeugs verlangen, wie auch A nicht die Zahlung des Kaufpreises verlangen kann. Hierbei ist zwar strittig, ob die Anfechtung eine rechtsvernichtende oder eine bereits rechtshindernde Einwendung darstellt, da im Falle der Anfechtung aufgrund der ex tunc Wirkung das Rechtsgeschäft als von Anfang an nichtig anzusehen ist. Wichtig ist jedoch nur, dass die Anfechtung an einer der beiden Stellen im Anspruchsaufbau geprüft wird. 

III. Anspruch durchsetzbar

Zuletzt schließt sich im Anspruchsaufbau die Prüfung an, ob der Anspruch durchsetzbar ist. Hier sind rechtshemmende Einreden zu prüfen. Der Unterschiede zwischen den Einwendungen und den Einreden besteht darin, dass man über Einreden reden muss, diese also geltend gemacht werden müssen. Das bedeutet, dass Einwendungen von Amts wegen zu prüfen sind, und zwar selbst dann, wenn sich die betroffene Partei nicht auf die Einwendung beruft. Einreden sind hingegen nur dann zu prüfen, wenn sich die Beteiligten auf sie berufen. Ist Letzteres nicht der Fall, ist die Einrede zu ignorieren oder darauf hinzuweisen, dass sich die betreffende Partei nicht darauf berufen hat. Im Anspruchsaufbau sind sowohl dauerhafte (peremptorische) als auch vorübergehende Einreden zu prüfen.

1. Dauerhafte Einreden

Eine dauerhafte Einrede ist beispielsweise die Verjährung gemäß den §§ 194 ff. BGB. Beispiel: Wenn A gegen B einen Anspruch auf Kaufpreiszahlung hat und Jahre später zu B kommt, um das Geld von ihm zu verlangen, dann ist der Anspruch zwar entstanden und auch nicht erloschen. A kann ihn aber aufgrund der Verjährung nicht mehr durchsetzen.

2. Vorübergehende Einreden

Vorübergehende Einreden sind beispielsweise das Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB und die Einrede des nicht erfüllten Vertrags gemäß § 320 BGB. Beispiel § 320 BGB: A verkauft dem B seinen Wagen und fährt zu B und verlangt den Kaufpreis. B hält dem A entgegen, dass er dann auch Übereignung des Fahrzeugs möchte. Solange A dem B nicht zumindest das Auto angeboten hat, ist B nicht verpflichtet, dem A den Kaufpreis zu zahlen und umgekehrt. Allerdings betrifft § 320 BGB nur die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Pflichten. § 273 BGB regelt hingegen das Zurückbehaltungsrecht bei Pflichten, die nicht im Gegenseitigkeitsverhältnis stehen. Beispiel. Wenn der Vermieter am Ende der Mietzeit die Kaution nicht herausgibt, weil der Mieter die erforderlichen Schönheitsreparaturen noch nicht vorgenommen hat, dann sind dies nicht die Hauptleistungspflichten im Mietvertrag, sondern Pflichten, die anlässlich des Mietvertrags aneinander gegenübergestellt werden.

 

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