Abgelaufene TÜV-Plakette

Abgelaufene TÜV-Plakette

Ersatzfähigkeit von Mietwagenkosten oder generelles Nutzungsverbot

Das BGB regelt den Umfang des Schadensersatzes nach den §§ 249 ff. BGB, wobei das Schadensrecht von einer umfangreichen Rechtsprechung geprägt ist und die Ersatzfähigkeit stets eine einzelfallbezogene Betrachtung erfordert. Denn nicht jeder Schaden ist nach dem BGB ersatzfähig. Der BGH hat sich nun mit der Frage beschäftigt, ob sich eine drohende Untersagungsanordnung eines verunfallten Kfz auf die ersatzfähigen Schadensposten, die ein Verkehrsunfall typischerweise mit sich zieht, auswirkt.

Was ist passiert?

Der Sachverhalt in diesem Fall ist unstreitig: Der Beklagte verursachte mit seinem Pkw einen Unfall, wobei das klägerische Fahrzeug einen Totalschaden erlitt. Im Zeitpunkt des Unfalls war die TÜV-Plakette um mehr als ein halbes Jahr abgelaufen.

Für die Dauer von zwei Wochen mietete sich der Kläger einen Mietwagen, dessen Kosten er vom Beklagten erstattet haben möchte.

Daher klagte der Kläger zunächst vor dem AG Erlangen, welches seiner Klage stattgab. Dies wollte der Beklagte nicht auf sich sitzen lassen und legte deshalb Berufung vor dem LG Nürnberg-Fürth ein. Schließlich sei die TÜV-Plakette des klägerischen Fahrzeuges abgelaufen, wodurch der Kläger sein Fahrzeug nicht mit Billigung der Rechtsordnung hätte nutzen dürfen. Das Berufungsgericht hob das Urteil des AG Erlangen auf und folgte der Begründung des Beklagten. Mit diesem Urteil gab sich dann der Kläger wiederum nicht zufrieden und zog vor den BGH.

Rechtlicher Hintergrund

Der BGH hob mit seinem Revisionsurteil die Entscheidung des Landgerichts auf und brachte nun endlich Klarheit in diesen langjährigen Rechtsstreit. Der BGH begründete seine Entscheidung wie folgt: “Ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten kann nicht allein wegen eines überschrittenen Vorführtermins zur Haupt- und Abgasuntersuchung (…) verneint werden. Der Kläger war ohne den Unfall nicht bereits aus Rechtsgründen an der Nutzung des Fahrzeuges gehindert”.

Mit dieser Aussage wirft der BGH das “Kernproblem” des Falls auf. Im Mittelpunkt der rechtlichen Bewertung steht die Frage, ob durch die abgelaufene TÜV-Plakette die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeuges rechtmäßig bleibt und ihr dementsprechend noch ein Geldwert zugesprochen werden kann, der ersatzfähig ist. Du siehst also, dass sich der Schwerpunkt im Prüfungspunkt “Ersatzfähigkeit des Schadens” abspielt.

Diese Frage beantwortete der BGH mit einem klaren Ja!

Kurz noch einmal für Dich als Erinnerung:

Zentrale Norm im Schadensrecht ist der § 249 BGB. Gemäß § 249 I BGB hat derjenige, der zum Schadensersatz verpflichtet ist, den Zustand herzustellen, der bestehen würde, wenn der zum Ersatz verpflichtende Umstand nicht eingetreten wäre. Nach Abs. 2 Satz 1 kann der Geschädigte den zur Herstellung erforderlichen Geldbetrag verlangen, wenn wegen einer Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten ist.

Ist der Pkw infolge eines Unfalls nicht mehr nutzbar, sind die Kosten für einen Mietwagen als erforderlicher Herstellungsaufwand also grundsätzlich über § 249 II 1 BGB erstattungsfähig.

Das nach “grundsätzlich” folgende “aber” kommt jetzt: Die Erstattungsfähigkeit der Mietwagenkosten ist aber dann ausgeschlossen, wenn der Geschädigte “ohnehin aus anderen Gründen an der Benutzung seines Fahrzeuges gehindert gewesen wäre”.

An diese Ausnahme knüpft das Berufungsgericht seine Begründung an und kommt zu dem Schluss, dass der Kläger mangels Haupt- und Abgasuntersuchung sein Fahrzeug nicht mit Billigung der Rechtsordnung hätte nutzen dürfen und somit aus anderen Gründen an der Benutzung seines Fahrzeuges gehindert gewesen wäre. Aufgrund der abgelaufenen TÜV-Plakette hätten die Behörden die Stilllegung des Fahrzeugs androhen und durchsetzen können. Mit dieser Begründung hob das Landgericht sodann das erstinstanzliche Urteil des AG auf.

Diese Argumentation hält der Überprüfung durch den BGH nicht stand. Folgende Begründung führt das Revisionsgericht an:

  1. Aus der StVZO ergibt sich nicht, dass jede Nutzung eines (verkehrssicheren) Fahrzeuges mit ungültig gewordener Prüfplakette rechtswidrig wäre. Aus § 29 Abs. 7 Satz 4 StVZO ergibt sich lediglich, dass die zuständige Behörde für die Fahrzeuge, die keine gültige Prüfplakette enthalten, den Betrieb des Fahrzeuges im öffentlichen Verkehr untersagen oder beschränken kann. Demnach wäre eine Nutzung des Pkw also nur dann rechtswidrig, wenn die zuständige Behörde den Betrieb untersagt oder beschränkt hätte.

  2. Eine andere Bewertung kann sich auch nicht aus dem “Sicherheitscharakter” einer regelmäßigen Hauptuntersuchung ergeben. Ein generelles Nutzungsverbot ab dem Zeitpunkt des Überschreitens des Vorführtermins kann weder aus den Wertungen der StVZO noch aus der EU-Richtlinie über die regelmäßige technische Überwachung von Kfz hergeleitet werden und lässt sich nicht ausdrücklich dem Wortlaut entnehmen.

  3. Durch den Schadensersatz werde auch kein entgangener Gewinn kompensiert, der nur unter Verletzung eines gesetzlichen Verbotes hätte erzielt werden können. Bei den Mietwagenkosten handele es sich aus Sicht des BGH um erforderliche Herstellungskosten. Außerdem lasse sich u.a. aus § 29 StVZO nicht ableiten, “dass jeder Gebrauch eines Fahrzeuges mit ungültig gewordener Prüfplakette verhindert werden soll”.

  4. Aus der Möglichkeit der sofortigen Untersagung und Beschränkung durch die zuständige Behörde gemäß § 29 Abs. 7 Satz 4 StVZO folge gerade nicht, dass der faktischen Nutzung des Pkws kein Geldwert zu komme. Trotz dessen bleibt die rechtmäßige Nutzungsmöglichkeit bis zum Handeln der Behörde bestehen. Durch den Unfall ist diese rechtmäßige Nutzungsmöglichkeit jedoch entfallen.

Prüfungsrelevanz

Mit dieser Entscheidung zeigt Dir der BGH erneut, welche Bedeutung der Prüfungspunkt “Ersatzfähigkeit des Schadens” bekommen kann. Im Studium ist es mir oft passiert, dass ich gerade diesen Punkt zu schnell abgehandelt habe. Dies lag zum einen daran, dass ich die anspruchsbegründenden Voraussetzungen zu sehr im Blick hatte und zum anderen aber auch daran, dass es sich hierbei um einen der letzten Prüfungspunkte handelt. Bei diesem Prüfungspunkt kannst Du gerade am Ende Deiner Klausurlösung noch einfach wertvolle Punkte sammeln.

Aus dieser Urteilsbesprechung solltest Du Dir daher mitnehmen, dass Du eigentlich in fast jeder Klausur zum Schadensrecht, die einzelnen Schadensposten aufdröseln solltest. Hierbei wollen die Prüfer:innen in der Regel fast immer die entsprechende Norm aus den §§ 249 ff. BGB hören, nach der die Schadensposition ersatzfähig ist und eine kurze Begründung Deines “Warums” lesen. Hierbei solltest Du an die typischen Raffinessen des Schadensrechts denken, wie z.B. die Schadensminderung wegen des Abzugs neu für alt oder für ersparte Eigenaufwendungen. Rund um Schäden an Kfz solltest Du zudem die klassischen ersatzfähigen Schadensposten beherrschen. Aber auch das Mitverschulden nach § 254 BGB solltest Du auf dem Schirm haben.

Solltest Du kurz vor Deinem zweiten Examen stehen, kannst Du diese Entscheidung gut zum Anlass nehmen, noch einmal die Prüfung einer Berufung zu wiederholen. Ein solcher Klausureinstieg bietet sich vor allem in Deiner Anwaltsklausur gut an. In solchen Klausuren liegt dann in der Regel ein Schwerpunkt in der Prüfung der Zulässigkeit. Beliebt sind in diesem Zusammenhang Fristprobleme und der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

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