Einsatz einer schwenkbaren Kamera

Einsatz einer schwenkbaren Kamera

Hat der Nachbar einen Unterlassungsanspruch?

Nicht wenige Haus- und Grundstückseigentümer installieren Videokameras auf ihrem Anwesen, um sich so sicherer zu fühlen und auch, um mögliche Einbrecher abzuschrecken. Zum Einsatz kommt dann oftmals hochmoderne Technik u.a. Geräte, die per Fernsteuerung ausgerichtet werden können und somit potenziell auch die umliegenden Grundstücke vor die Linse geraten können. Dass damit nicht alle Nachbarn glücklich sind, dürfte wohl auf der Hand liegen. Doch wie ist diese Fallkonstellation rechtlich einzuordnen und wie wird dies von Gerichten beurteilt?

Was ist passiert?

A ist Eigentümer eines mit einem Einfamilienhaus bebauten Grundstücks in der Gemeinde C. B ist Eigentümer des benachbarten Grundstücks. Auf Letzterem befindet sich ein Mehrfamilienhaus mit mehreren Mietwohnungen. Das nachbarliche Verhältnis ist aufgrund von Meinungsverschiedenheiten über diverse bauliche Maßnahmen bereits ersichtlich angekratzt. Ende des Jahres 2023 installierte A eine Kamera unterhalb des Balkons seines Hauses, die von den Balkonen der Mietwohnungen teilweise sichtbar ist. Die Kamera besitzt den zu Beginn beschriebenen Steuerungsmechanismus. Außerdem ist sie in der Lage, auch gezielt Personen aufzuspüren und sich dann automatisch bei Bewegungen neu auszurichten, wobei streitig war, ob diese Funktion tatsächlich eingesetzt wurde. B beantragte nun den A im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, den Einsatz dieser Kamera zukünftig zu unterlassen bzw. sie jedenfalls nur so zu nutzen, dass das Nachbargrundstück nicht auf dem angefertigten Bildmaterial erscheint.

Rechtliche Einordnung

In Situationen, in denen ein Grundstückseigentümer hinsichtlich einer Beeinträchtigung seines Eigentums Unterlassung verlangt, ist stets an den Unterlassungsanspruch aus § 1004 BGB zu denken. Sofern es aber - wie hier - um Bild- und Tonaufzeichnungen geht, ist unbedingt auch an eine analoge Anwendung des § 1004 BGB zu denken, namentlich an einen quasinegatorischen Unterlassungsanspruch. Diese durch die Rechtsprechung geschaffene Konstruktion findet dann Anwendung, wenn andere absolute, von § 823 I BGB geschützte Rechte beeinträchtigt werden. Zwar ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht nicht explizit in § 823 I BGB genannt, umfasst aber das Recht, für sich zu sein und den Einblick durch Dritte auszuschließen, sodass es als sonstiges absolutes Recht ebenfalls abwehrfähig ist.

Die Entscheidung des AG Gelnhausen

Das Amtsgericht ist der Auffassung, dass dem B gegen A ein Anspruch aus §§ 1004 I, 823 I BGB auch tatsächlich zustehe. Es begründet dies damit, dass die aktuelle Situation eine nicht gerechtfertigte Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Verfügungsklägers darstelle.

Bemerkenswert ist hierbei, dass nach Auffassung des Gerichts bereits das durch die montierte Kamera entstehende Gefühl der ständigen Überwachung einen Unterlassungsanspruch begründet. Auf die Tatsache, ob tatsächlich Aufnahmen angefertigt werden, komme es demnach gar nicht an, ebenso wenig darauf, ob die Kamera wirklich auf das Nachbargrundstück ausgerichtet wird. Es genüge bereits, dass die Kamera diese technische Funktion besitze und so auch objektive Dritte eine Überwachung ernsthaft befürchten müssten. Ein derartiger Überwachungsdruck bestehe nur dann nicht, wenn das Gerät ausschließlich manuell und mit gewissem sichtbaren Aufwand neu ausgerichtet werden könne.

Auch spiele laut Gericht das bereits angespannte nachbarliche Verhältnis hier ebenfalls eine Rolle. Dadurch werde das ungute Gefühl, vom anderen Grundstück aus ausspioniert zu werden, in nachvollziehbarer Weise verstärkt.

Schließlich sei die Maßnahme B auch nicht deshalb gerechtfertigt, weil er damit das grundsätzlich legitime Ziel, sein Eigentum zu schützen, verfolge. Dies gehe hier nämlich mit einer unverhältnismäßigen Beeinträchtigung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers einher, sodass dieser das Handeln des B nicht hinnehmen müsse.

Prüfungsrelevanz

Nachbarrechtliche Streitigkeiten sind bereits als solche ein beliebter Klausuraufhänger. In der hier behandelten Konstellation kommt hinzu, dass § 1004 BGB nicht nur in seiner Grundform, sondern in der Variante des quasi negatorischen Unterlassungsanspruchs einschlägig ist, wobei dieser den vielen Studierenden wohl eher nur im Zusammenhang mit unerwünschten Aussagen oder Berichterstattung bekannt sein dürfte. Allein schon deshalb ist es lohnenswert, sich mit der hiesigen Entscheidung näher zu beschäftigen und einen genaueren Blick auf den Unterlassungsanspruch zu werfen.

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