BGH zu Urkundenfälschung und Betrug gegenüber einer Beihilfestelle

BGH zu Urkundenfälschung und Betrug gegenüber einer Beihilfestelle

Zu Unrecht erstattete Beihilfeleistungen in Höhe von 23.668,72 Euro

Dieses aktuelle Urteil des BGH behandelt die komplexen rechtlichen Fragen rund um Beihilfebetrug, Urkundenfälschung und der Grenzen des Gebrauchens von Dokumenten im Rechtsverkehr. Dabei werden sowohl Fragen des Betruges nach § 263 StGB als auch der Urkundenfälschung gem. § 267 StGB detailliert erörtert. Inwieweit können manipulierte Kopien als unechte Urkunden gewertet werden und wie wird der Betrug durch solche Dokumente rechtlich bewertet?

A. Sachverhalt

Der O ist städtischer Beamter und beihilfeberechtigt, bekommt also für ärztliche (Heil-)Behandlungen von seinem Dienstherrn eine Kostenerstattung. In der Absicht, diese später der Beihilfestelle der Stadt als angeblich echt zur Abrechnung vorzulegen, fertigt O insgesamt 102 falsche Arztrechnungen, Rezepte und Fahrtkostenabrechnungen. Er geht dabei so vor, dass er teilweise Rechnungen wie die eines ärztlichen Abrechnungsdienstes vollständig selbst am PC erstellt. In anderen Fällen verfälscht er Rezepte oder Rechnungen, die in der Vergangenheit tatsächlich durch einen Arzt ausgestellt worden sind, indem er das Datum der Originale und weitere Angaben jeweils mit an seinem PC selbst hergestellten Papierausschnitten überklebt, welche das aktuell gewünschte Datum oder weitere Daten zeigen. Von dem so neu zusammengesetzten Dokument fertigt er zur Verdeckung der vorherigen Manipulation eine Kopie, die er sodann im Rahmen des Beihilfeantrags einreicht. Darüber hinaus macht O gegenüber der Stadt Ansprüche auf eine sog. Verhinderungspflege für seine Tochter geltend. Dazu fertigt er Erklärungen über angeblich aufgewandte Pflegestunden im Namen einer Pflegekraft und unterzeichnet diese mit einem entsprechenden Schriftzug. Insgesamt reicht O in 18 Fällen Beihilfeanträge mit Rechnungen ein, die er in einer der beschriebenen Vorgehensweisen selbst erstellt hat. Die Beihilfestelle erstattet ihm zu Unrecht einen Betrag in Höhe von insgesamt 23.668,72 Euro. Beim letzten Antrag wird keine Beihilfeleistung mehr angewiesen, da die Sachbearbeiterin der Beihilfestelle Verdacht schöpft.

Wie hat sich O strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Betrug, § 263 I StGB

O könnte sich in 18 Fällen wegen Betruges nach § 263 I StGB strafbar gemacht haben, indem er bei der Beihilfestelle der Stadt „falsche“ Unterlagen zwecks Erhalt einer Kostenerstattung einreichte und die Beihilfestelle ihm daraufhin einen Geldbetrag in Höhe von insgesamt 23.668,72 Euro auszahlte.

O müsste in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt haben, dass er durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregte oder unterhielt.

O hat – in 17 Fällen – den objektiven Tatbestand des Betruges nach § 263 I StGB verwirklicht. Er hat die Sachbearbeiterin der Beihilfestelle über Tatsachen getäuscht, also objektiv in die Irre geführt mit dem – subjektiven – Ziel, bei ihr eine Fehlvorstellung von der Wirklichkeit hervorzurufen: O hat auf deren Vorstellungsbild durch die Vorlage der (falschen) Arztrechnungen, Rezepte und Fahrtkostenabrechnungen dahin eingewirkt, dass er beihilfefähige Aufwendungen für ärztliche Behandlungen und die sog. Verhinderungspflege gehabt hat, was aber nicht den Tatsachen entsprach. Dadurch ist bei der Sachbearbeiterin ein Irrtum erregt worden, woraufhin diese – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – über das Vermögen der Beihilfestelle bzw. ihrem Rechtsträger (in deren Lager sie steht sog. Dreiecksbetrug) verfügt und eine Auszahlung von insgesamt 23.668,72 Euro an O veranlasst hat. Ferner ist dadurch kausal ein Vermögensschaden bei der der Beihilfestelle bzw. ihrem Rechtsträger entstanden, weil der Auszahlung der Gelder an O kein entsprechender Anspruch des O auf Erstattung im Rahmen des Beihilferechts gegenüberstand, sodass hier bei einer Gesamtsaldierung eine Differenz verblieben ist. Im letzten Fall (Fall 18) ist es nicht zur Auszahlung eines Geldbetrages gekommen, sodass es an einer Vollendung des Tatbestandes fehlt; insoweit kommt eine Versuchsstrafbarkeit in Frage.

O hat auch mit Vorsatz, also Wissen und Wollen der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes gehandelt sowie mit der Absicht, sich rechtswidrig zu bereichern. O hatte den zielgerichteten Willen, sich durch die Vorlage der „falschen“ Abrechnungsunterlagen einen Vermögensvorteil zu verschaffen, der rechtswidrig war; er hatte auf die Erstattung der Beträge nach dem Beihilferecht keinerlei Anspruch.

O hat rechtswidrig und schuldhaft gehandelt.

O hat sich danach – in 17 Fällen – wegen Betruges nach § 263 I StGB strafbar gemacht.

Hinweis: O könnte – was im Rahmen der Strafzumessung von Bedeutung wäre – auch die sog. Strafzumessungstatbestände nach § 263 II Nr. 1 und 2 StGB verwirklicht haben, also „gewerbsmäßig“ gehandelt und/oder einen „einen Vermögensverlust großen Ausmaßes herbeiführt“ haben (sog. Regelbeispiele). In einem solchen „besonders schweren Fall“ des Betruges ist die Strafandrohung Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren (anstatt Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder Geldstrafe nach dem sog. Regelstrafrahmen, den § 263 I StGB eröffnet). „Gewerbsmäßigkeit“ ist gegeben, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen (siehe BGH, Beschl. v. 17.12.2014 − 3 StR 484/14, 397 zu § 243 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 StGB). Ein „Vermögensverlust großen Ausmaßes” liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Vermögensverlust wertmäßig den Betrag von 50.000 Euro nicht erreicht (vgl. BGH, Urteil vom 7. 10. 2003 - 1 StR 274/03, II. 2. b). Letzteres ist vorliegend der Fall. Betreffend die „Gewerbsmäßigkeit“ liegt angesichts der Vielzahl der Fälle und des Umfangs der ertrogenen Geldbeträge indes ein entsprechendes Gewinnstreben des O nahe, und zwar auch schon betreffend die erste Tat (BGH, Urteil vom 11. 9. 2003 - 4 StR 193/03, 266).

II. Versuchter Betrug, §§ 263 I, 22, 23 I StGB

Ferner hat sich O in einem Fall (Fall 18) wegen versuchten Betruges nach den §§ 263 I, 22, 23 I StGB strafbar gemacht, indem er bei der Beihilfestelle der Stadt „falsche“ Unterlagen zwecks Erhalt einer Kostenerstattung einreichte mit dem Ziel, die Beihilfestelle zu einer Auszahlung zu veranlassen.

Die(se) Tat ist nicht vollendet (s.o.). Ferner hatte O einen Tatplan, also Vorsatz hinsichtlich der Verwirklichung eines Betruges i.S.v. § 263 I StGB nebst der erforderlichen Absicht rechtswidriger Bereicherung (s.o.). Er hat zur Tatbegehung auch unmittelbar angesetzt – also subjektiv die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt, sodass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung übergehen konnte –, indem er die Abrechnungsunterlagen bei der Beihilfestelle eingereicht hat. Das Tun des O war hier so eng mit der tatbestandlichen Ausführungshandlung verknüpft, dass es bei ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Verwirklichung des gesamten Straftatbestandes – insbesondere der Geldzahlung – führen sollte.

Anhaltspunkte dafür, dass O wegen eines Rücktritts straflos ist (§ 24 I StGB), bestehen nicht.

O – rechtswidrig und schuldhaft handelnd – hat sich wegen versuchten Betruges strafbar gemacht.

Hinweis: Das Regelbeispiel der „Gewerbsmäßigkeit“ ist vorliegend von O voll verwirklicht bzw. vollendet worden (s.o.), weswegen ein „versuchter Betrug in einem besonders schweren Fall“ gegeben ist.

III. Urkundenfälschung, § 267 I StGB

O könnte sich zudem in 18 Fällen wegen Urkundenfälschung nach § 267 I StGB strafbar gemacht haben, indem er 102 falsche Arztrechnungen, Rezepte und Fahrtkostenabrechnungen – teilweise durch Herstellung am PC, teilweise durch Veränderungen früherer Originalrechnungen und -rezepte mittels Überkleben mit am PC gefertigten Ausschnitten und Fertigung einer Kopie – angefertigt hat.

Nach § 267 I StGB macht sich strafbar, wer – zur Täuschung im Rechtsverkehr – eine unechte Urkunde herstellt (Var. 1), eine echte Urkunde verfälscht (Var. 2) oder eine unechte oder verfälschte Urkunde gebraucht (Var. 3). Eine „Urkunde“ i.S. der Norm ist eine verkörperte Gedankenerklärung, die zum Beweis geeignet und bestimmt ist und ihren Aussteller erkennen lässt (s. etwa BGH Urteil vom 10.11.2022 – 5 StR 283/22, Rn. 36 zur Urkundsqualität eines Impfpasses). Eine „Urkunde“ muss demnach drei Funktionen erfüllen: eine Perpetuierungsfunktion, eine Beweisfunktion und zudem eine Garantiefunktion.

Eine Urkunde ist „unecht“, wenn sie nicht von demjenigen stammt, der aus ihr als Aussteller hervorgeht; es wird der Anschein erweckt, ihr Aussteller sei eine andere Person als diejenige, von der sie herrührt (sog. Geistigkeitstheorie, s. BGH, Beschl. v. 4.6.2013 – 2 StR 59/13, Rn. 13). Ein „Verfälschung“ einer Urkunde liegt vor, wenn ihr Gedankeninhalt nachträglich in einer Weise verändert wird, durch die der Anschein erweckt wird, der Aussteller habe die Erklärung in der Form abgegeben, die sie durch die Veränderung erlangt hat; die Urkunde muss infolge des Eingriffs eine andere Tatsache zu beweisen scheinen als zuvor (OLG Köln, Beschluss vom 6. 10. 2009 - 81 Ss 43/09). Die Tathandlung des „Gebrauchmachens“ verwirklicht, wer die Urkunde demjenigen, der durch sie getäuscht werden soll, so gegenständlich zugänglich macht, dass dieser sie wahrnehmen kann (vgl. dazu BGH, Urt. v. 17.10.2019 – 3 StR 521/18, Rn. 34).

1. Herstellen einer unechten Urkunde, § 267 I Var. 1 StGB (PC-Rechnungen)

O könnte hier unechte „Urkunden“ i.S.v. § 267 I Var. 1 StGB dadurch hergestellt haben, dass er Rechnungen wie die eines ärztlichen Abrechnungsdienstes vollständig selbst am Computer erstellt hat. Solche Rechnungen sind „Urkunden“ im Sinne des Tatbestandes, also eine (auf Papier) verkörperte Gedankenerklärung, die ihren Aussteller (den Abrechnungsdienst) erkennen lassen und zum Beweis im Rechtsverkehr (bspw. zur Geltendmachung einer Forderung oder – wie hier – zur Einreichung bei der Beihilfestelle) geeignet und bestimmt sind. Die von O so hergestellten Rechnungen sind auch „unecht“, weil sie falsch vorgeben, vom Arzt bzw. dem Abrechnungsdienst zu stammen. Dazu der BGH:

„2.b.) Die Strafkammer hat in allen 18 Fällen neben einem vollendeten oder versuchten Betrug eine tateinheitliche Strafbarkeit wegen Urkundenfälschung bejaht. Dabei hat sie zutreffend eine Strafbarkeit nach § 267 Abs. 1 Alt. 1 StGB angenommen, soweit der [O] Rechnungen vollständig selbst am PC erstellte (betreffend jedenfalls die Rechnungen [des ärztlichen Abrechnungsdienstes]), die er offenbar ausdruckte, und soweit er Rechnungen für eine angebliche Verhinderungspflege für seine Stieftochter ebenfalls als solche neu erstellte und unterzeichnete.“

O handelt vorsätzlich – mit Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung – sowie „zur Täuschung im Rechtsverkehr“. Der direkte Vorsatz des O war auf die Herbeiführung eines Irrtums bei dem Getäuschten sowie die Veranlassung des Getäuschten zu einem rechtserheblichen Handeln gerichtet.

Er handelte auch rechtswidrig und schuldhaft.

O hat sich daher wegen Herstellens unechter Urkunden (§ 267 I Var. 1 StGB) strafbar gemacht.

2. Gebrauchmachen von einer unechten Urkunde, § 267 I Var. 3 StGB (PC-Rechnungen)

O hat von diesen – am Computer gefertigten – Urkunden auch „Gebrauch“ gemacht i.S.v. § 267 I Var. 3 StGB, indem er diese bei der Beihilfestelle eingereicht, also der Sachbearbeiterin, die er täuschen wollte (s.o.), so gegenständlich zugänglich macht, dass diese sie wahrnehmen konnte. Dazu der BGH:

„(…) Hierdurch hat er jeweils unechte Urkunden hergestellt, die er mit Vorlage bei der Beihilfestelle zudem im Sinne von § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB im Rechtsverkehr gebrauchte. (…)“

O hat sich wegen Gebrauchsmachens unechter Urkunden (§ 267 I Var. 3 StGB) strafbar gemacht.

3. Herstellen einer unechten Urkunde, § 267 I Var. 1 StGB (Kopiervorlagen)

O könnte sich wegen Herstellens einer unechten Urkunde gemäß § 267 I Var. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Datum der Originalrezepte oder -rechnungen und weitere Angaben jeweils mit an seinem PC selbst hergestellten Papierausschnitten, welche das aktuell gewünschte Datum oder weitere Daten zeigen, überklebte, um diese dann zu kopieren und bei der Beihilfe einzureichen.

Dazu müsste eine Fotokopie grundsätzlich selbst eine Erklärung des Ausstellers enthalten. Tatsächlich handelt es sich dabei aber nur um die bildliche Wiedergabe der in einem anderen Schriftstück verkörperten Erklärung, sodass es an der notwendigen Garantiefunktion für die Richtigkeit des Inhalts fehlt. Es ist vorliegend auch nichts dafür ersichtlich, dass die von O gefertigten Kopien den Anschein von Originalurkunden erwecken und nach seinem Willen als vom angeblichen Aussteller stammende Urschriften erscheinen sollten. O wollte und sollte bei der Beihilfestelle gerade (nur) Kopien einreichen.

O hat sich nicht wegen Herstellens einer unechten Urkunde (§ 267 I Var. 1 StGB) strafbar gemacht.

4. Verfälschen einer echten Urkunde, § 267 I Var. 2 StGB (Kopiervorlagen)

O könnte sich aber wegen des Verfälschens echter Urkunden nach § 267 I Var. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er das Datum der Originalrezepte oder -rechnungen und weitere Angaben jeweils mit an seinem PC selbst hergestellten Papierausschnitten, welche das aktuell gewünschte Datum oder weitere Daten zeigen, überklebte, um diese dann zu kopieren und bei der Beihilfe einzureichen.

Fraglich ist, ob es sich bei der Herstellung solcher „Collagen“ um das Verfälschen einer echten Urkunde handelt. Maßgebend dafür wäre, dass O durch das Überkleben die Beweisrichtung früherer „Urkunden“ geändert hat, ohne dass die Urkundsqualität dadurch verloren gegangen ist. Bei dem bloßen Aufeinanderlegen von Originalrechnungen – also „Urkunden“ im tatbestandlichen Sinne – und Teilen der selbst hergestellten Papierausdrucken ist dies hier allerdings nicht der Fall, weil es an einer hinreichend festen Verbindung und damit an der Verkörperung der neuen Erklärung fehlt. Etwas anderes folgt auch nicht daraus, dass diese körperlichen Gegenstände miteinander verklebt worden sind: das so hergestellte Ergebnis ist nicht „zum Beweis geeignet und bestimmt“, also keine „Urkunde“, weil deren Hersteller (O) nicht beabsichtigt hat, diese in den Rechtsverkehr gelangen zu lassen (keine Beweisbestimmung) und die Manipulation dort auch entdeckt worden wäre (keine Beweiseignung). Dazu der BGH:

„Soweit der [O] Originalrechnungen mit beschrifteten Papierausschnitten überklebte und dann von dem neu zusammengesetzten Dokument jeweils eine Kopie bei der Beihilfestelle einreichte, ist das Landgericht dagegen zu Unrecht davon ausgegangen, dass damit im Sinne von § 267 Abs. 1 Alt. 2 StGB echte Urkunden verfälscht wurden. Denn die für diese Tatvariante erforderliche nachträgliche Änderung des Erklärungs- und Beweisgehalts einer Urkunde muss einerseits, wenn auch nicht unumkehrbar, so doch auf Dauer angelegt sein (…) und darf andererseits dem Tatobjekt seine Urkundeneigenschaft nicht nehmen (…). Das Ergebnis der Verfälschung muss daher weiterhin die Merkmale einer Urkunde im Sinne des § 267 Abs. 1 StGB aufweisen (..), also eine verkörperte Erklärung enthalten, die ihrem gedanklichen Inhalt nach geeignet und bestimmt ist, für ein Rechtsverhältnis Beweis zu erbringen, und die ihren Aussteller erkennen lässt (…). Eine – als solche erkennbare – Collage ist demnach keine Urkunde (…), weil ihr die Eignung und Bestimmung fehlt, im Rechtsverkehr Beweis zu erbringen (…).“

O hat sich nicht wegen des Verfälschens echter Urkunden (§ 267 I Var. 2 StGB) strafbar gemacht.

5. Gebrauchmachen von einer Urkunde, § 267 I Var. 3 StGB (Einreichung der Kopien)

O könnte sich aber wegen des Gebrauchmachens von Urkunden i.S.v. § 267 I Var. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Kopien der hergestellten Collagen bei der Beihilfestelle einreichte.

Dazu müsste es sich bei den Kopien jeweils um eine „unechte oder verfälschte“ Urkunden gehandelt haben, die O der Beihilfestelle bzw. der Sachbearbeiterin zur Wahrnehmung zugänglich gemacht hat. Die Kopien, die O von / aus den selbst gefertigten Collagen hergestellt hat, erfüllten indes schon nicht die tatbestandlichen Anforderungen an eine „Urkunde“ i.S.v. § 267 I StGB (s.o.). Dazu der BGH:

„Das Vorgehen des [O], bei der Beihilfestelle jeweils nur Kopien derartiger Collagen einzureichen, erfüllte daher auch nicht den Tatbestand des Gebrauchmachens von einer unechten oder verfälschten Urkunde. Zwar kann von einer Urschrift auch in der Weise im Sinne des § 267 Abs. 1 Alt. 3 StGB Gebrauch gemacht werden, dass dem zu täuschenden Rechtsverkehr eine Ablichtung zugänglich gemacht wird (…). Ein derartiges mittelbares Gebrauchmachen setzt jedoch gleichfalls eine unechte oder verfälschte Urkunde voraus (…), an der es hier fehlt (…). Da der [O] offensichtlich Kopien vorlegte, die als solche erkennbar waren und nicht den Eindruck von Originalen erwecken sollten, bildeten auch sie keine tauglichen Tatobjekte (…).“

O hat sich nicht wegen Gebrauchmachens von Urkunden (§ 267 I Var. 3 StGB) strafbar gemacht.

6. Ergebnis

O hat sich in den Fällen, in denen er am PC selbst gefertigte „falsche“ Rechnungen bei der Beihilfestelle eingereicht hat, wegen Herstellens einer unechten Urkunde (§ 267 I Var. 1 StGB) und wegen Gebrauchmachens von einer unechten Urkunde (§ 267 I Var. 3 StGB) strafbar gemacht. Stellt ein Täter – wie hier – eine unechte Urkunde her und gebraucht diese dann, so begeht er jeweils lediglich nur eine Urkundenfälschung i.S.v. § 267 I StGB. Beide Tathandlungen bilden als natürliche Handlungseinheit nur eine Tat, wenn und soweit dieser Gebrauch dem schon bei der Fälschung bestehenden konkreten Gesamtvorsatz des Täters entspricht (BGH, Urt. v. 22.6.2023 – 4 StR 481/22, Rn. 12).

IV. Fälschung technischer Aufzeichnungen, § 268 StGB

O hat sich auch nicht wegen Fälschung technischer Aufzeichnungen nach § 268 I und II StGB strafbar gemacht. Dazu müsste O nach § 268 I StGB zur Täuschung im Rechtsverkehr eine unechte technische Aufzeichnung (i.S.v. II) herstellt oder eine technische Aufzeichnung verfälscht oder eine unechte oder verfälschte technische Aufzeichnung gebraucht haben. Eine „technische Aufzeichnung“ ist eine Darstellung von Daten, Mess- oder Rechenwerten, Zuständen oder Geschehensabläufen, die durch ein technisches Gerät ganz oder zum Teil selbsttätig bewirkt wird, den Gegenstand der Aufzeichnung allgemein oder für Eingeweihte erkennen lässt und zum Beweis einer rechtlich erheblichen Tatsache bestimmt ist, gleichviel ob ihr die Bestimmung schon bei der Herstellung oder erst später gegeben wird. Entscheidend ist dabei, dass das technische Gerät eine Aufzeichnung hervorbringt, die einen neuen Informationsgehalt enthält bzw. zu einem Informationszuwachs führt. Das ist bei der Anfertigung von Kopien durch ein Kopiergerät nicht der Fall: eine hergestellte Fotokopie vermittelt nur ein einigermaßen getreues Abbild des Originals; sie enthält – ähnlich wie eine Abschrift – nur die (bildliche) Wiedergabe der in einem anderen Schriftstück verkörperten Erklärung (BGH, Urteil vom 11. 5. 1971 - 1 StR 387/70).

V. Ergebnis

O hat sich in 17 Fällen wegen (vollendeten) Betruges nach § 263 I StGB und in einem Fall wegen versuchten Betruges (§§ 263 I, 22, 23 I StGB) sowie – in den Fällen, in denen er am PC selbst gefertigte „falsche“ Rechnungen bei der Beihilfestelle eingereicht hat – wegen Urkundenfälschung nach § 267 I StGB strafbar gemacht. Die Taten stehen zueinander jeweils in Tateinheit (§ 52 StGB).

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil der O u.a. mit einer auf die sog. Sachrüge – Rüge der Verletzung materiellen Rechts – gestützten Revision angefochten hat, hatte O in allen 18 Fällen wegen tateinheitlich begangener Urkundenfälschung i.S.v. § 267 I StGB verurteilt. Der 5. Strafsenat hat das Urteil daraufhin in Teilen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen, weil teilweise aus den Urteilsgründen keine ausreichenden Feststellungen dazu hervorgingen, ob von O nur Kopien eingereicht worden sind, denen eine Collage zugrunde lag, oder ob zusätzlich auch vollständig am PC erstellte Rechnungen eingesetzt wurden.

C. Prüfungsrelevanz

Urkundsdelikte nach § 267 StGB – tatsächlich wie rechtlich verknüpft etwa mit Betrug (§ 263 StGB) – bieten sich wegen ihrer Praxisnähe und ihrer Vielzahl von Tatbestandsvarianten und -anforderungen sehr gut für eine saubere und strukturierte juristische Prüfung an. Die hiesige Entscheidung des BGH lenkt den Blick auf ein „Standardproblem“ in diesem Bereich, nämlich der (straf-)rechtlichen Bewertung von Collagen und Kopien sowie dem Gebrauchmachen im Rechtsverkehr davon. Der 5. Strafsenat bestätigt damit sowohl die gefestigte Rechtsprechung, wonach sowohl Collagen als auch Kopien die Urkundsqualität an sich abzusprechen ist, weswegen auch eine Strafbarkeit nach § 267 StGB ausscheidet.

Entgegen der in der Literatur verbreiteten Meinung, wonach das Vorlegen der Fotokopie einer unechten Urkunde nur mittelbare Verwendung, aber kein „Gebrauchen“ derselben i.S.v. § 267 I Var. 3 StGB darstellt, beurteilt die Rechtsprechung dies anders: eine Strafbarkeit wegen „Gebrauchmachens“ kann gegeben sein, wenn der Täter eine unechte oder verfälschte Urkunde durch Verwendung einer Kopie „mittelbar gebraucht“ (vgl. etwa BGH, Urt. v. 16.6.2016 – 1 StR 20/16, Rn. 46 zur Übermittlung von unter Einsatz einer Software zur Bildbearbeitung hergestellten Unterlagen im Wege einer Faxkopie an Banken sowie BGH, Beschluss vom 26. 2. 2003 - 2 StR 411/02, zu hergestellten Collagen). Das setzt aber zwingend voraus, dass der Täter mit der Vorlage der Kopie den Anschein einer Originalurkunde erwecken wollte. Ist das nicht der Fall, ist diese Handlung im Rahmen von § 267 StGB straflos.

Zu einer mittäterschaftlichen banden- und gewerbsmäßigen Urkundenfälschung i.S.v. § 267 I und IV StGB hat der BGH jüngst entschieden (vgl. Beschluss vom 20.12.2022 – 2 StR 341/22):
„(…) Beim Herstellen und Gebrauchmachen einer unechten Urkunde [handelt es sich] nicht um ein eigenhändiges Delikt (…), sodass Mittäterschaft (§ 25 II StGB) möglich ist (…). Eine solche kann regelmäßig angenommen werden, wenn aufgrund einer gemeinsamen Abrede der eine Tatgenosse die Urkunde herstellen lässt und der andere sie gebraucht oder wenn beide beim Gebrauch zusammenwirken (…). Denkbar ist auch eine Beteiligung des Auftraggebers als Mittäter an der Herstellung der unechten Urkunde durch einen anderen (…). Dabei erfordert Mittäterschaft nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Tatbeitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt (…). Sie setzt indes konkrete Feststellungen zu der objektiv aus einem wesentlichen Tatbeitrag bestehenden Mitwirkung voraus, die sich nach der Willensrichtung der sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellt. (…)“

Die Entscheidung des 5. Senats ist sehr lesenswert und für die Prüfungsvorbereitung bestens geeignet!

(BGH, Beschluss vom 04.05.2023 – 5 StR 38/23)