Der Streit um die Herausgabe von Chihuahua “Keks”

Der Streit um die Herausgabe von Chihuahua “Keks”

Kann eine Pflegschaft Eigentum begründen?

Das Amtsgericht München verhandelte einen skurrilen Fall, der sowohl amüsant als auch klausurrelevant ist. Die Parteien stritten sich um den kleinen Chihuahua-Rüden mit dem niedlichen Namen “Keks”. Das beklagte Ehepaar hatte den Hund zur Pflege in seine Obhut genommen und will ihn nun nicht mehr herausgeben. Konnten die Beklagten durch die Inobhutnahme tatsächlich das Eigentum an “Keks” erwerben?

Wer ist Eigentümer von “Keks”?

Die Klägerin erwarb den mittlerweile elfjährigen Chihuahua-Rüden “Keks” im Alter von einem Jahr. Als sie im Jahr 2021 Schwierigkeiten mit der Betreuung von “Keks” bekam, boten die Beklagten ihr an, den Hund in ihre Obhut zu nehmen. Die Klägerin war zu diesem Zeitpunkt hochschwanger und hatte sich frisch von dem Kindsvater getrennt, sodass sie das Angebot dankend annahm.

Als die Klägerin den Hund im Mai 2022 wieder zurückverlangte, weigerten sich seine “Pflegeeltern” allerdings, ihn ihr auszuhändigen. Sie behaupteten, die Klägerin habe ihnen den Hund dauerhaft überlassen. Die Klägerin hingegen behauptete, die Pflege der Beklagten sei von vornherein nur vorübergehend, bis sie “es wieder schaffe”, vereinbart gewesen. Also klagte die ursprüngliche Besitzerin vor dem AG München auf Herausgabe (§ 985 BGB) des Hundes.

AG München gibt Eigentümerin Recht

Das AG München bejahte den Herausgabeanspruch aus § 985 BGB und stellte das Eigentum der Klägerin fest. Die Beklagten hätten kein Besitzrecht an dem Hund und müssten das Tier daher herausgeben. Das Gericht ist davon überzeugt, dass das Tier nur vorübergehend bei den Beklagten verbleiben sollte. Dass die Beklagten sehr um das Tierwohl von “Keks” bemüht waren, würde an dieser Tatsache nichts ändern.

Es sei keine dingliche Einigung nach §§ 929 S.1, 90a BGB zustande gekommen, indem die Klägerin den Hund für eine längere Zeit in die Obhut der Beklagten gab. Es fehle an einem rechtsverbindlichen Erklärungswillen.

Die bayerischen Richter stellten außerdem klar, dass die Klägerin das Eigentum an dem Chihuahua auch nicht durch Dereliktion, § 958 Abs. 1 BGB verloren habe. Voraussetzung dafür wäre, dass der Hund herrenlos gewesen sei. § 959 BGB liefert die Legaldefinition des Begriffs: Demnach ist eine bewegliche Sache herrenlos, wenn der Eigentümer in der Absicht, auf das Eigentum zu verzichten, den Besitz der Sache aufgibt. Diesen Willen habe die Klägerin aber nicht geäußert. Vielmehr habe sie durch das in Obhutgeben an die Beklagten zum Ausdruck gebracht, dass ihr das Schicksal des Hundes am Herzen liege und ihr seine Versorgung wichtig sei.

Schließlich hätten die Beklagten auch kein Besitzrecht aus § 986 Abs. 1 BGB. Insbesondere liege kein schuldrechtliches Besitzrecht aufgrund einer Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB vor.

Eine Schenkung nach § 516 Abs. 1 BGB ist eine Zuwendung, durch die jemand aus seinem Vermögen einen anderen bereichert, wenn beide Teile darüber einig sind, dass die Zuwendung unentgeltlich erfolgt.

Zwar behaupten die Beklagten, die Aussage “Keks solle bei den Beklagten verbleiben”, stelle ein konkludentes Schenkungsversprechen nach § 516 I BGB dar, doch bestreitet die Klägerin einen Schenkungswillen. Nach zivilrechtlichen Regeln trägt im Bestreitensfalle der bzw. die Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast. Können er oder in diesem Falle die Beklagten den Beweis nicht erbringen, so geht die Unaufklärbarkeit zu ihren Lasten. Ein Nachweis über eine entsprechende Einigung einer unentgeltlichen Zuwendung zugunsten der Beklagten sei damit nicht gegeben.

Auf den ersten Blick ein klarer Fall, der sich leicht beantworten lässt. Doch das AG München stellt hier sehr ausführlich mögliche Eigentumserwerbstatbestände dar, die jedes Prüferherz erfreuen dürften. Gerade Sachverhalte mit Bezug zu § 958 I BGB sind doch eher selten anzutreffen.