BGH zu räuberischem Diebstahl und schwerer räuberischer Erpressung

BGH zu räuberischem Diebstahl und schwerer räuberischer Erpressung

BGH, Beschl. v. 14.03.2023 – 4 StR 451/22, und BGH, Urt. v. 20.06.2023 – 5 StR 67/23

Vermögensdelikte mit Nötigungsbezug sind absolute Dauerbrenner vor Gericht und damit - Du ahnst es schon - auch in den strafrechtlichen Klausuren. Diese Woche haben wir zwei Entscheidungen des BGH für Dich und eine selten anzutreffende Feststellung des BGH zur Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung.

A. Sachverhalt

L entwendet aus einem unversperrten Schuppen ein E-Bike, um es für sich zu behalten. Dabei wird er von dem G beobachtet, der daraufhin mit seinem Pkw die Verfolgung des mit dem Fahrrad davonfahrenden L aufnimmt. Nach kurzer Zeit verliert der G den L aus den Augen. Unterdessen ist S, der Sohn des G, über den Diebstahl informiert worden. Auch er nimmt sofort in Begleitung von zwei Freunden mit einem Pkw die Verfolgung des L auf. Etwa zehn Minuten nachdem sie losgefahren sind und ca. 1,4 Kilometer vom Tatort des Diebstahls entfernt, kommt ihnen der L auf einer einspurigen Straße in seinem Pkw entgegen. Beide Fahrzeuge halten an. S steigt aus, um den L zu fragen, ob er vielleicht einen Fahrraddieb gesehen habe. Zunächst hegt S gegenüber L noch keinen Verdacht, bis er das gestohlene E-Bike im Inneren des Fahrzeugs des L auf den umgeklappten Rücksitzen liegen sieht. Er öffnet die linke hintere Tür des Wagens, um das Fahrrad zurückzuerlangen. Als L dies erkennt, fährt er zügig mit einer Geschwindigkeit von ca. 25 km/h rückwärts, um den S davon abzuhalten, sich den Besitz des Rades zu verschaffen. Durch dieses Fahrmanöver wird S, der sich an einem Griff der geöffneten Fahrzeugtür festhält, einige Meter mitgezogen und geht dann zu Boden. L setzt zunächst weiter zurück, bis ihm einer der Freunde des S mit seinem Fahrzeug den Weg abschneidet. Daraufhin fährt L nunmehr vorwärts mit einer Geschwindigkeit von zunächst 50 bis 80 km/h auf S zu, der sich gerade wieder aufgerappelt hat und mittig auf der Fahrbahn steht. Ohne auszuweichen nähert sich ihm der L, reduziert jedoch die Geschwindigkeit auf bis zu 20 bis 25 km/h. Als er noch ca. vier bis fünf Meter von S entfernt ist, springt dieser zur Seite und bringt sich in Sicherheit. Bei dem anschließenden Versuch, neben dem Fahrzeug herzulaufen, zieht sich S erhebliche Verletzungen zu. L handelt während des gesamten Geschehens in der Absicht, sich im Besitz des E-Bikes zu halten und den begangenen Diebstahl zu verdecken. Dabei nimmt er billigend in Kauf, dass sich der S durch das Mitziehen mit dem Fahrzeug und das frontale Zufahren auf ihn erhebliche, auch potentiell lebensgefährliche Verletzungen zuziehen würde.

Am Abend sucht L einen Imbiss auf, wo F mit Reinigungsarbeiten beschäftigt ist. Mit dessen Billigung begibt er sich zunächst in einen mit Spielautomaten ausgestatteten Nebenraum, tritt dann nach einiger Zeit über in den Gastraum und ruft den F zu sich. Aufgrund eines zuvor gefassten Tatplans hält der L dabei einen handelsüblichen Schraubendreher in seiner Hand, den er für das Aufbrechen von Spielautomaten mitgebracht hat. Er tritt in bedrohlicher Weise nah an den F heran und fordert ihn schreiend mit den Worten „Gib mir Geld“ auf, ihm aus der offenen Kasse den Bargeldbestand zu übergeben. Dabei steht der L etwa einen halben Meter von F entfernt und hält den Schraubendreher – für den F deutlich erkennbar – unbewegt in der Hand. Ihm ist bewusst, etwaigen Widerstand des F gegebenenfalls durch einen jederzeit möglichen Einsatz des Schraubendrehers als Drohwerkzeug oder gegen den Körper des F überwinden zu können. Wie beabsichtigt nimmt der F der Kasse 150 Euro in kleinen Scheinen und übergibt diese an den L. Im Nebenraum hebelt der L sodann einen Spielautomaten auf und entnimmt eine mit einem Schloss gesicherte Geldkassette, um das darin befindliche Geld für sich zu behalten. Nach einem hierdurch ausgelösten akustischen Alarm ergreift der L die Flucht ins Freie. Das Bargeld, das der F dem L ausgehändigt hatte, wird später nicht mehr wiedergefunden. Die Geldkassette aus dem Spielautomaten verbleibt in dem Imbiss, ohne dass der L ihr das Geld entnehmen konnte.

Wie hat sich L strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Die Verfolgungsjagd (erster Tatkomplex)

1. Räuberischer Diebstahl, § 252 StGB

L könnte sich wegen räuberischem Diebstahl nach § 252 StGB strafbar gemacht haben, indem er im Anschluss an die Entwendung des E-Bikes mithilfe seines Fahrzeugs versucht hat, S „abzuschütteln“.

Nach § 252 StGB ist derjenige, der, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betroffen, gegen eine Person Gewalt verübt oder Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben anwendet, um sich im Besitz des gestohlenen Gutes zu erhalten, gleich einem Räuber zu bestrafen. Der Tatbestand des § 252 BGB setzt als sog. „Anschlussdelikt“ voraus, dass eine andere Tat als Vortat (objektiv und subjektiv tatbestandsmäßig sowie rechtswidrig, nicht aber zwingend auch schuldhaft) begangen worden ist, etwa – wie ausdrücklich benannt – ein Diebstahl i.S.v. § 242 StGB. Ferner muss der Täter der Vortat „auf frischer Tat betroffen“ sein (zeitlich-räumlicher Zusammenhang und bestimmte Tatsituation) und ein qualifiziertes Nötigungsmittel– Gewalt gegen eine Person oder Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben – einsetzen. In subjektiver Hinsicht ist mindestens bedingter Vorsatz bezüglich der objektiven Voraussetzungen (also Vortat, Betroffensein, Anwendung des Nötigungsmittels) erforderlich sowie eine sog. Selbstbesitzerhaltungsabsicht, also der zielgerichtete Wille, eine Gewahrsamsentziehung zu verhindern, die gegenwärtig ist oder unmittelbar bevorsteht, um die Zueignung zu sichern.

L hat hier die objektiven und subjektiven Voraussetzungen eines Diebstahls i.S.v. § 242 StGB verwirklicht. Er hat aus einem unversperrten Schuppen ein E-Bike – eine für ihn fremde Sache – entwendet und ist damit weggefahren, also den Gewahrsam eines anderen gebrochen und eigenen begründet. Dabei handelte L auch rechtswidrig. Fraglich ist aber, ob L auch „auf frischer Tat betroffen“ worden ist, als er von S „aufgebracht“ wird und diesen versucht hat „abzuschütteln“. Dazu der BGH (4 StR 451/22):

„1.b.aa) Das Tatbestandsmerkmal „auf frischer Tat betroffen“ im Sinne dieser Vorschrift ist erfüllt, wenn der Dieb noch in unmittelbarer Nähe zum Tatort und alsbald nach der Tatausführung wahrgenommen wird, also im Moment der Wahrnehmung noch ein enger, sowohl örtlicher als auch zeitlicher Zusammenhang mit der Vortat besteht (st. Rspr.; …). Ist dies der Fall und wendet der Täter in der Folge eines der in § 252 StGB genannten Nötigungsmittel in Besitzerhaltungsabsicht an, kommt es für die Tatbestandsverwirklichung im Übrigen nicht mehr darauf an, dass sich das Nötigungsmittel gegen eine Person richtet, die ihn auf frischer Tat betroffen hat. Vielmehr genügt es, dass die Nötigungshandlung eine Folge des Betroffenseins ist und zu diesem in einem Bezug steht. Ein derartiger Bezug ist auch dann noch gegeben, wenn das Nötigungsmittel im Rahmen der sogenannten Nacheile angewendet wird. Voraussetzung hierfür ist, dass der Täter in unmittelbarem Anschluss an das Betreffen auf frischer Tat verfolgt wird und diese Verfolgung bis zu dem Einsatz des Nötigungsmittels ohne Zäsur fortgesetzt wird. Ist dies der Fall, kommt es auf einen engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhang zwischen Vortat und dem Einsatz des Nötigungsmittels nicht mehr an (…).
bb) Zwar ist der [L] von dem Vater des [S] bei der Begehung des Diebstahls und damit auf frischer Tat betroffen worden. Die Feststellungen ergeben aber nicht, dass die spätere Anwendung von Gewalt gegen den [S] in dem erforderlichen Bezug zu diesem Betroffensein auf frischer Tat stand. Der [G], der den [L] auf frischer Tat betroffen hatte, musste dessen Verfolgung aufgeben. Im Zeitpunkt der Gewaltanwendung lag keine zäsurlose Verfolgung mehr vor. Denn der [S] und seine Freunde haben, nachdem sie Kenntnis vom Diebstahl erlangt hatten, eine eigene, neue Suche nach dem [L] begonnen; dabei hatten sie keine Vorstellung von dessen Person. Ihr Zusammentreffen mit ihm und die Erkenntnis von seiner Täterschaft beruhten nicht auf Wahrnehmungen, die „auf frischer Tat“ gemacht wurden, sondern waren eher dem Zufall geschuldet.“

L hat sich damit nicht wegen räuberischen Diebstahls nach § 252 StGB strafbar gemacht.

2. Gefährliche Körperverletzung, §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB

L hat sich aber wegen gefährlicher Körperverletzung nach den §§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB strafbar gemacht, indem sich der S durch das Mitziehen mit dem von L geführten Fahrzeug und das frontale Zufahren auf ihn erhebliche Verletzungen zugezogen hat. Ein fahrendes Kraftfahrzeug, das zur Verletzung einer Person eingesetzt wird, ist als ein „gefährliches Werkzeug“ i.S. dieser Bestimmung anzusehen, wenn es – wie hier – die Körperverletzung durch das von außen auf den Körper des Tatopfers einwirkende gefährliche Tatmittel verursacht wird (vgl. dazu BGH, NStZ 2007, 405; StV 2013, 438).

3. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB

L hat sich nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht, indem er mit dem Fahrzeug erst rückwärts und dann auf S zugefahren ist. Danach macht sich strafbar, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er einen „ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff [wie Ziff. 1 und 2] vornimmt“ und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet. Dazu der BGH:

„1.c. (…) dass auch die Annahme einer Strafbarkeit des [L] gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB durch das Zufahren auf den [S] von den Feststellungen nicht getragen wird, da sich aus ihnen die Situation eines „Beinahe-Unfalls“ nicht ergibt (…). Eine solche könnte jedoch schon bei der vorangegangen Rückwärtsfahrt des [L] eingetreten sein, als sich der [S] am Griff der Fahrzeugtür festhielt und der [L] versuchte, ihn abzuschütteln (…). Sollten sich auch insofern keine Feststellungen mehr treffen lassen, kommt zudem ein Versuch nach § 315b Abs. 2 StGB in Betracht, wenn der [L] mit bedingtem Schädigungsvorsatz gehandelt und damit auch billigend in Kauf genommen hat, dass der [S] konkret gefährdet werde (…).“

4. Zwischenergebnis

L hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) strafbar gemacht.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil der L mit seiner Revision – gestützt auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts, sog. Sachrüge – angegriffen hat, hatte den L u.a. wegen besonders schweren räuberischen Diebstahls (§ 252 StGB i.V.m. §§ 249 Abs. 1, 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung und gefährlichem Eingriff in den Straßenverkehr schuldig gesprochen. Der 4. Strafsenat des BGH hat das Urteil mit den zugehörigen Feststellungen und im Strafausspruch aufgehoben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer zurückverwiesen. Zu der zutreffenden Verurteilung des L wegen einer Tat nach den §§ 223, 224 StGB hat der Senat noch ergänzend ausgeführt: „c) Damit kann (…) die Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung (…) nicht bestehen bleiben, denn die Strafkammer ist insoweit von Tateinheit ausgegangen.“ (vgl. § 52 StGB).

II. Der Imbiss (zweiter Tatkomplex)

1. Besonders schwere räuberische Erpressung, §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB

L könnte sich wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß den §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht haben, indem er – mit einem handelsüblichen Schraubendreher in der Hand – dem F in bedrohlicher Weise gegenübertrat, ihn mit den Worten „Gib mir Geld“ anschrie und ihm F daraufhin einen Geldbetrag von 150 Euro aus der Kasse des Imbisses übergab.

L müsste dazu einen Menschen rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung genötigt und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zugefügt haben, um sich oder einen Dritten zu Unrecht zu bereichern (§ 253 Abs. 1 StGB). Wird die Erpressung durch Gewalt gegen eine Person oder unter Anwendung von Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen, so ist der Täter gleich einem Räuber zu bestrafen (§ 255 StGB). Die Qualifikation nach § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB ist erfüllt, wenn der Täter oder ein anderer Beteiligter bei der Tat ein „anderes gefährliches Werkzeug“ verwendet.

L ist in bedrohlicher Weise nah an den F herangetreten und hat ihn schreiend mit den Worten „Gib mir Geld“ aufgefordert, ihm aus der offenen Kasse den Bargeldbestand zu übergeben, woraufhin F – unter dem Eindruck dieser Drohung mit einem empfindlichen Übel stehend – dem L einen Betrag von 150 Euro ausgehändigt (bzw. der L dem F diesen Betrag „abgenötigt“ hat) und wodurch dem Inhaber des Imbisses (ein „anderer“) ein (Vermögens-)Nachteil in der entsprechenden Höhe zugefügt worden ist. Die objektiven Voraussetzungen nach § 253 Abs. 1 StGB sind damit erfüllt. Die räuberische Erpressung gemäß § 255 StGB setzt zudem die Anwendung von Gewalt oder eine (qualifizierte) Drohung voraus. Hierfür genügt nicht jede Drohung mit einer Körperverletzung; vielmehr erfordert das Merkmal der Drohung mit einer – gegenwärtigen – Gefahr für Leib oder Leben eine gewisse Schwere des in Aussicht gestellten Angriffs auf die körperliche Unversehrtheit (vgl. BGH, NStZ 2022, 409). Auch diese Voraussetzungen hat L hier erfüllt. Der F musste aufgrund der mit dem Schraubendreher verbundenen Drohkulisse mit einer erheblichen Einwirkung auf seine körperliche Unversehrtheit durch den L rechnen.

Fraglich ist, ob L ein „anderes gefährliches Werkzeug“ verwendet hat. Dazu der BGH (5 StR 67/23):

„III.1.a) Das Tatbestandsmerkmal des Verwendens im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB umfasst jeden zweckgerichteten Gebrauch eines objektiv gefährlichen Tatmittels. Nach der Konzeption der Raubdelikte bezieht sich das Verwenden auf den Einsatz des Nötigungsmittels zur Verwirklichung des Raubtatbestands; es liegt sonach vor, wenn der Täter eine Waffe oder ein gefährliches Werkzeug gerade als Mittel entweder der Ausübung von Gewalt gegen eine Person oder der Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben gebraucht, um die Wegnahme einer fremden beweglichen Sache zu ermöglichen oder – im Fall des § 255 StGB – eine andere Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen und dadurch dem Vermögen des Genötigten oder eines anderen Nachteil zuzufügen. Im Fall der Drohung muss das Tatopfer das Nötigungsmittel und die Androhung seines Einsatzes wahrnehmen. Denn hierunter ist das ausdrückliche oder schlüssige In-Aussicht-Stellen eines künftigen Übels zu verstehen, auf das der Drohende Einfluss hat oder zu haben vorgibt. Eine Drohung erfordert daher, dass der Bedrohte Kenntnis von ihr erlangt und dadurch in eine Zwangslage gerät (….).
b) Gemessen hieran hat der [L] den Schraubendreher bei seiner Drohung gegenüber dem [F] im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB verwendet. Hierzu genügte, dass er seine verbale Drohung unterstrich, indem er das Werkzeug dabei gut sichtbar in der Hand hielt, und ihm bewusst war, dass der [F] dies wahrnahm. Entgegen der Ansicht des Landgerichts hat der [L] den Schraubendreher damit durchaus „als Waffenersatz eingesetzt“. Für die Verwendung bei der Drohung – einem konkludent vollziehbaren Kommunikationsakt – war nicht erforderlich, damit zusätzlich Hieb- oder Stichbewegungen in Richtung des Adressaten der Drohung vorzunehmen oder solche verbal anzukündigen.
c) Bei einem Schraubendreher handelt es sich grundsätzlich um ein gefährliches Werkzeug im Sinne des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB, denn ein solcher ist nach seiner objektiven Beschaffenheit geeignet, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen, etwa bei einem Einsatz als Stichwerkzeug (…). Die genauen Abmessungen des hier verwendeten Schraubendrehers teilt das Urteil zwar nicht mit. Auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen wird die genannte Eignung durch die nicht näher ausgefüllte Bezeichnung als „handelsüblich“ und den späteren erfolgreichen Einsatz zum Aufhebeln eines Spielautomaten aber noch hinreichend belegt.“

L hat damit alle objektiven Voraussetzungen der §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB erfüllt.

Ferner hat L in Bezug auf die Verwirklichung der §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB vorsätzlich gehandelt und hatte die Absicht, sich rechtswidrig und „stoffgleich“ zu bereichern. Auch besteht ein finaler Zusammenhang zwischen dem Einsatz des qualifizierten Nötigungsmittels (Drohung mit Schraubendreher gegenüber F) und dem erstrebten Bereicherungserfolg (Hergabe des Geldes).

L, der rechtswidrig und schuldhaft gehandelt hat, hat sich damit wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung gemäß den §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB strafbar gemacht.

2. Versuchter Diebstahl mit Waffen, §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1 StGB

L hat sich auch wegen versuchten Diebstahls mit Waffen gemäß den §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, indem er einen Spielautomaten aufgehebelt und die mit einem Schloss gesicherte Geldkassette entnommen hat, um das darin befindliche Geld für sich zu behalten.

Der Versuch ist strafbar (§ 244 Abs. 2 StGB) und die Tat ist nicht vollendet (die Kassette bleib Imbiss).

L hatte einen auf die Verwirklichung des qualifizierten Diebstahls nach den §§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB gerichteten Tatplan (Vorsatz). Er wollte den Gewahrsam an dem in der Kassette befindlichen Bargeld brechen und eigenen daran begründen sowie das „erbeutete“ Geld für sich behalten (Absicht rechtswidriger Zueignung). Ferner umfasste der Tatplan des L auch die Begehung des Diebstahls „mit einem anderen gefährlichen Werkzeug“ (§ 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB), indem er den Schraubendreher zum Aufhebeln des Spielautomaten nutzte und so präsent hielt. Dazu der BGH (5 StR 67/23):

„III.2. Der Schraubendreher stellte auch im Sinne dieser Vorschrift ein gefährliches Werkzeug dar (…). Dass er dem [L] bei der Wegnahme aus dem Automaten nur mehr als Aufbruchswerkzeug diente, steht dieser Einordnung nicht entgegen, weil die aus seiner Beschaffenheit resultierende objektive Gefährlichkeit hierdurch nicht reduziert wird. Da für § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB schon die mit dem Beisichführen verbundene latente Gefahr des Gebrauchs eines derartigen Gegenstands genügt (..), kommt es außerdem nicht darauf an, dass der [L] die gegebene Eignung des Schraubendrehers als „Waffenersatz“ (…) hier durch dessen vorangehende Verwendung als Drohmittel sogar schon konkret illustriert hatte.“
Der [L] hat den Schraubendreher zudem (auch) bei dem Diebstahl bei sich geführt. Hierzu genügt bei einem mitgebrachten Werkzeug, dass es sich für den Täter in Griffweite befand oder er sich seiner jederzeit ohne nennenswerten Zeitaufwand bedienen konnte (…). Dies wird durch die Urteilsgründe – der Schraubendreher war vom [L] zum Aufbrechen von Spielautomaten mitgenommen worden, wurde hierzu bei der Tat benutzt und verblieb während des gesamten Geschehens am Tatort, wo er später aufgefunden wurde – hinreichend belegt.“

Mit dem Aufbrechen der Geldkassette hat L zur Tatbegehung auch unmittelbar angesetzt, also nach seiner Vorstellung (subjektiv) die Schwelle zum „Jetzt-geht’s-los“ überschritten und objektiv zur tatbestandsmäßigen Handlung angesetzt, sodass sein Tun ohne wesentliche Zwischenakte in die Tatbestandserfüllung (Vollendung der Wegnahme durch Gewahrsamswechsel) hätte übergehen können.

3. Zwischenergebnis

L hat sich im zweiten Tatkomplex (Imbiss) wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB) und wegen versuchten Diebstahls mit Waffen (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Beide Delikte stehen in Tateinheit zueinander.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil sowohl der L als auch die Staatsanwaltschaft mit ihrer Revision angegriffen haben, hatte den L (nur) wegen schwerer räuberischer Erpressung gemäß §§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 1 Nr. 1b StGB in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl (§§ 242, 22, 23 StGB) verurteilt. Der 5. Strafsenat des BGH hat den Schuldspruch – ohne die getroffenen Feststellungen – aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer zurückverwiesen.

Bei der Verwirklichung der Voraussetzungen des § 250 Abs. 2 Nr. 1 StGB „(…) [ist der] Schuldspruch dahin [zu fassen], dass [der Angeklagte] des besonders schweren räuberischen Diebstahls schuldig [ist]; denn die von § 260 Abs. 4 Satz 1 StPO geforderte rechtliche Bezeichnung der Straftat verlangt eine Kennzeichnung der Qualifikation in der Urteilsformel, bei welcher der gegenüber § 250 Abs. 1 StGB erhöhte Unrechtsgehalt zum Ausdruck kommt“ (vgl. dazu BGH, Beschl. v. 3.9.2009 – 3 StR 297/09).

III. Gesamtergebnis

L hat sich wegen gefährlicher Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Nr. 2 Alt. 2 StGB) und – dazu in Tatmehrheit stehend – wegen besonders schwerer räuberischer Erpressung (§§ 253 Abs. 1, 255, 250 Abs. 2 Nr. 1 Alt. 2 StGB) in Tateinheit mit versuchtem Diebstahl mit Waffen (§§ 242 Abs. 1, 244 Abs. 1 Nr. 1a, 22, 23 Abs. 1 StGB) strafbar gemacht. Es ist daher eine Gesamtstrafe zu bilden (§§ 53, 54 StGB).

C. Prüfungsrelevanz

Sowohl der räuberische Diebstahl als auch – bzw. und – die (besonders / schwere) räuberische Erpressung bieten sich aufgrund ihrer vielfältigen Voraussetzungen sehr gut für eine Prüfungssituation an.

Abgesehen davon wird auch die strafgerichtliche Praxis häufig mit entsprechenden Fällen befasst. Wegen der – in der universitären Ausbildung mit zu den „Klassikern“ des Strafrechts geltenden – Abgrenzung der §§ 253, 255 StGB vom Raub (§ 249 StGB) schweigen sich die Urteile der Strafgerichte zumeist aus. Nur selten wird folgendes konstatiert:

„Die Abgrenzung von Raub und räuberischer Erpressung erfolgt nach ständiger Rspr. des BGH nach dem äußeren Erscheinungsbild des vermögensschädigenden Verhaltens des Verletzten. Wird dieser gezwungen, die Wegnahme der Sache durch den Täter selbst zu dulden, so liegt Raub vor; wird er dagegen zur Vornahme einer vermögensschädigenden Handlung, mithin einer Weggabe, genötigt, so ist – sofern eine Absicht rechtswidriger Bereicherung gegeben ist – eine räuberische Erpressung anzunehmen. (…) Das mit Waffeneinsatz erzwungene Verhalten (…) hat nur zu einer Gewahrsamslockerung, nicht aber zu einer Gewahrsamsübertragung geführt (…). Es hat lediglich die Möglichkeit zur anschließenden Wegnahme eröffnet, aber noch keinen neuen Gewahrsam der Angekl. begründet “ (vgl. BGH, NStZ 2023, 351, Rn. 5 zur „Entnahme“ von Bargeld aus einer Kasse).

Anlass, über die (straf-)rechtliche Bewertung eines erpresserischen Verhaltens zu befinden, hat auch folgender Sachverhalt gegeben: Der Täter T war in seiner Eigenschaft als Zollbeamter an einer Durchsuchung im Haus des Geschädigten G beteiligt, bei der mithilfe eines Bargeldspürhundes ein größerer Bargeldbetrag gefunden und teilweise im Haus belassen wurde. Einige Monate später entschloss sich T aufgrund eigener finanzieller Schwierigkeiten, von dem G notfalls unter Einsatz eines Messers als Drohmittel einen größeren Geldbetrag erlangen zu wollen. Er suchte ihn auf und gab vor, „vom Amtsgericht wegen einer ausstehenden Restforderung der Krankenkasse in Höhe von 12.000 Euro gegen die alte Firma des G zu kommen“, wodurch er ihn zur Herausgabe dieses Betrages veranlassen wollte. Als es hierzu nicht kam, gab der T wahrheitswidrig an, er habe einen Bargeldspürhund angefordert, mit dem „das Haus auf den Kopf gestellt werde“. Hiermit wollte er erreichen, dass der G seiner Behauptung, eine Amtsperson zu sein, die eine Forderung beizutreiben habe, Glauben schenkte und die Forderung erfüllte. Nachdem auch dies erfolglos geblieben war, hielt der T dem G im weiteren Verlauf des Geschehens ein mitgeführtes Messer vor und äußerte nun, dass er ihn „abstechen“ werde, wenn er das Geld nicht erhalte. Das Landgericht, dessen Urteil mit der Revision des T angegriffen wurde, hat das Verhalten des T – Anforderung eines Bargeldspürhundes, bei dessen Einsatz das „Haus auf den Kopf“ gestellt werden werde – als versuchte Erpressung und die spätere Drohung mit dem Messer als hierzu in Tateinheit stehende versuchte „(besonders) schwere räuberische Erpressung“ gewertet.

Dazu der BGH (NStZ 2023, 412):

„Richtigerweise ist insoweit nur eine Tat der versuchten besonders schweren räuberischen Erpressung gegeben. Dabei kann offenbleiben, ob sich dies im vorliegenden Fall aus einer diese beiden Handlungen des [T] verbindenden Bewertungseinheit ergibt. Für den Erpressungstatbestand (§ 253 StGB) ist in der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zwar anerkannt, dass mehrere Angriffe auf die Willensentschließung des Opfers als eine Tat im Rechtssinne zu werten sind, wenn dabei lediglich die ursprüngliche Drohung den Umständen angepasst und aktualisiert, im Übrigen aber dieselbe Leistung gefordert wird. Die rechtliche Bewertungseinheit endet in diesen Fällen erst, wenn der Täter sein Ziel vollständig erreicht hat oder nach den insoweit entsprechend heranzuziehenden Wertungen des Rücktrittsrechts von einem fehlgeschlagenen Versuch auszugehen ist (…). Die Annahme einer Bewertungseinheit setzt jedoch weiter voraus, dass die sukzessive ausgeführten tatbestandlichen Handlungen auf die vorhergehende aufsetzen und sich nicht als neuer Anlauf zur Erreichung des ursprünglich angestrebten Taterfolges darstellen (…). Dies erscheint (…) zweifelhaft. Denn es liegt nahe, dass sich das Inaussichtstellen des Messereinsatzes auch aus Sicht des [T] nicht mehr als eine bloße Aktualisierung der anfänglichen, weiter durchgehaltenen Drohung (das Haus mithilfe eines Spürhundes zu durchsuchen) darstellte, weil mit ihm der ursprünglich [von T] erstrebte Anschein, eine Amtsperson mit entsprechenden Zwangsbefugnissen zu sein, erkennbar obsolet geworden war. Allerdings hätte die Erpressung (§ 253 StGB) hier auch dann keine eigenständige Bedeutung, wenn die Voraussetzungen einer rechtlichen Bewertungseinheit nicht erfüllt sein sollten. Denn angesichts des engen zeitlichen und räumlichen Zusammenhangs der Ausführungshandlungen sowie des von Anfang an bereits einen etwaigen Einsatz des Messers umfassenden Willens des [T] wäre anderenfalls (…) eine die beiden Erpressungshandlungen verbindende natürliche Handlungseinheit gegeben (…), die durch den Wechsel des Angriffsmittels nicht in Frage gestellt wird (…). Hiervon ausgehend würde jedoch der Grundtatbestand der (versuchten) Erpressung durch den Qualifikationstatbestand der (versuchten) besonders schweren räuberischen Erpressung im Wege der Gesetzeskonkurrenz verdrängt. (…)“