19-Jährige zur Prostitution gezwungen und danach im Fluss versenkt
Ein Fall von schwerer Zwangsprostitution, Vergewaltigung und gefährlicher Körperverletzung wurde nun vor Gericht entschieden. In einem 2021 ergangenen Urteil des Landgerichts Verden brachte die Anklage einen komplexen Fall von schwerer Zwangsprostitution, Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen vor Gericht. Die Angeklagten Ko., Kr. und H. waren wegen ihrer Beteiligung an diesen Taten in unterschiedlichem Maße angeklagt. Doch wie entschied das Gericht letztlich?
Worum geht es?
Der Angeklagte Ko. brachte im April 2020 eine 19-jährige schwer psychisch kranke Frau in seine Gewalt. Ko. hatte die Frau von einem Zuhälter gegen eine Zahlung von 2.000 Euro und den Erlass von Drogenschulden erworben. Er beabsichtigte, sie durch Prostitution auszubeuten und erhebliche Einnahmen zu erzielen. Die Mitangeklagten Kr. und H. waren sich der Situation bewusst und erklärten sich bereit, den Plan zu unterstützen, obwohl sie keinen finanziellen Vorteil erhielten. Trotz des fehlenden Einverständnisses des Opfers, sexuelle Dienstleistungen anzubieten, warb Ko. auf einer Internetplattform für ihre Dienste. H. half bei den Verhandlungen mit Interessenten, während Kr. für eine vorübergehende Unterkunft sorgte und das Opfer zu den vereinbarten Treffpunkten begleitete. Es kam zu mehreren Begegnungen mit Kunden, von denen einige mit unklaren Ergebnissen endeten oder die Kunden das Opfer aufgrund ihres ungewöhnlichen Verhaltens ablehnten.
Das schwer psychotische Opfer befand sich am Abend des 7. April 2020 bis zu seinem Tod in der Obhut von Ko. und H.. Um das Opfer als Einkommensquelle zu erhalten, entschieden sich die Angeklagten, keine dringende medizinische Hilfe in Anspruch zu nehmen, sondern sich stattdessen selbst um das Opfer zu kümmern. Diese Entscheidung verlängerte das Leiden. H. überließ dem Opfer einen „Joint“ zur Beruhigung. Zudem erhielt das Opfer ein Glas Wasser, das eine unbekannte Menge an aufgelöstem Salz enthielt. Außerdem wurde das Opfer gelegentlich gewürgt und bekam den Mund zugehalten. Die 19-Jährige starb schließlich in der Nacht des 9. April 2020, wobei die Todesursache entweder auf Strangulation oder die Auswirkungen der übermäßigen Salzzufuhr zurückgeführt wurde. Das Gericht konnte nicht feststellen, wer den Tod des Opfers verursacht hat. Anschließend fesselte Ko. die Leiche des Opfers an eine Waschbetonplatte und entsorgte sie, indem er sie in einen Schleusenkanal der Weser warf.
Das Urteil und die rechtliche Würdigung des BGH
Das Landgericht Verden verkündete am 21. Oktober 2021 sein Urteil und verurteilte die Angeklagten entsprechend der Anklage. Ko. erhielt wegen schwerer Zwangsprostitution, Vergewaltigung, versuchter Vergewaltigung, versuchter sexueller Nötigung und gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren. Kr. und H. wurden jeweils wegen gefährlicher Körperverletzung durch Unterlassen und Beihilfe zu den vorgenannten Sexualdelikten verurteilt. Außerdem wurde H. eines Betäubungsmitteldelikts für schuldig befunden. Kr. erhielt deshalb eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und neun Monaten, H. wurde zu zwei Jahren und neun Monaten verurteilt.
Der sechste Strafsenat des BGH hat das Urteil auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft und der Angeklagten überprüft und hat hinsichtlich der ergangenen Schuldsprüche nur Änderungen bezüglich der konkurrenzrechtlichen Bewertung festgestellt. Dies führte teilweise zur Aufhebung der Strafaussprüche. Insoweit hat der BGH die Sache an das Landgericht Verden zurückverwiesen. Im Übrigen hat er die Revisionen verworfen. Das Urteil des Landgerichts ist damit überwiegend rechtskräftig. Insbesondere bleibt der Freispruch vom Vorwurf des Mordes bestehen.
Die für diesen Fall und für Klausuren relevanten gesetzlichen Bestimmungen aus dem StGB sind § 13 StGB (Begehung durch Unterlassen), § 211 StGB (Mord) und § 224 StGB (Gefährliche Körperverletzung). Nach § 13 StGB macht sich derjenige strafbar, der es unterlässt, eine strafbare Handlung zu verhindern, wenn er für das Unterbleiben der Handlung rechtlich verantwortlich ist und das Unterlassen der Verwirklichung des Straftatbestandes entspricht. Gemäß § 211 StGB ist Mord definiert als rechtswidrige Tötung eines Menschen in böswilliger Absicht, einschließlich Motiven wie etwa Mordlust, Befriedigung des Geschlechtstriebs, Habgier oder niederen Beweggründen. Hier ist meist die Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag nach § 212 StGB vorzunehmen. Bezüglich § 224 StGB gilt es zu beachten, dass diese Vorschrift auch die gemeinschaftliche Verursachung einer Körperverletzung mit einer anderen Person umfasst. Sie sieht für solche Taten Freiheitsstrafen von sechs Monaten bis zu zehn Jahren vor.
(BGH, Urteil vom 17.05.2023 – 6 St R 275/22)
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen