BGH zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch „Steinewerfer“

BGH zum gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr durch „Steinewerfer“

Wo soll für die Beurteilung der Vorstellung des Täters im Hinblick auf die – absichtliche – Schaffung einer konkreten Gefahrenlage angeknüpft werden?

Die sog. Steinewerfer-Fälle beschäftigen die Strafgerichte schon seit geraumer Zeit, aber auch für die Prüfungsvorbereitung eignen sie sich gut. Die entsprechenden Sachverhalte führen nicht nur zu den Abgrenzungsfragen betreffend bedingten Vorsatz und (grobe) Fahrlässigkeit bei den Tötungsdelikten, sondern lenken den Blick auch und vor allem auf die Straßenverkehrsdelikte in den §§ 315 ff. StGB.

A. Sachverhalt

Der Z befindet sich in einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie. Er leidet außerdem an einer kombinierten Persönlichkeitsstörung. Am Abend fährt er – ohne alkoholisiert zu sein – mit einem Fahrrad umher. Noch bei Tageslicht gelangt er in den Bereich einer Brücke, die in etwa 7 m Höhe über eine Bundesstraße führt. Er ergreift aus einem Schotterhaufen mit einer Hand insgesamt 14 teilweise scharfkantige Schottersteine von unterschiedlicher Größe zwischen 3x3 cm bis 4x7 cm und einem Gesamtgewicht von etwa 500 g, um sie von der Brücke auf einen die Bundesstraße befahrenden Pkw fallen zu lassen. Dabei geht es ihm darum, Wut und Frust auf seine Mitpatienten durch den Aufprall der Steine auf einem Fahrzeugdach und damit etwaig einhergehende Beschädigungen abzubauen.
Da er keine Menschen töten, verletzen oder gefährden will, nimmt er keine großen Steine. Er stellt sich auf die Brücke. Auf der wenig befahrenen Bundesstraße nähert sich die P mit ihrem Pkw von der dem Standort des Z abgewandten Seite. Z beobachtet das mit einer Geschwindigkeit von ca. 70 bis 80 km/h herannahende Fahrzeug, schätzt mit den Steinen in der Hand den Moment ab, in dem das Fahrzeug den Brückenbereich wieder verlassen würde und lässt die Steine sodann fallen. Die Steine treffen nur das Dach des Pkw und verursachen dort einen Sachschaden von etwa 5.000 Euro. Infolge der von ihm benutzten „kleinen Steinchen“ hält Z es nicht für möglich, dass diese die Frontscheibe des Fahrzeugs treffen, sie aufsplittern oder durchschlagen und Insassen treffen würden; Entsprechendes stellt später auch ein Sachverständiger fest. Die mit dem Aufprall verbundenen Geräusche veranlassen die erschrockene P nicht zu einem unkontrollierten Fahrmanöver. Den Tod, die Verletzung oder eine Gefährdung der Insassen nimmt Z nicht billigend in Kauf, den am Fahrzeugdach eingetretenen Sachschaden schon.
Wie hat sich Z strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Versuchter Mord, §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB

Z könnten sich wegen versuchten Mordes nach den §§ 211, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er die Schottersteine von der Brücke auf das durchfahrende Fahrzeug der P geworfen hat.

Die Tat ist nicht vollendet (P ist noch am Leben) und der Versuch dieses Verbrechens ist strafbar.

Fraglich ist aber, ob Z einen Tatentschluss hatte, also den Vorsatz, einen anderen Menschen zu töten. In Betracht kommt insoweit hier – lediglich – bedingter Vorsatz (sog. dolus eventualis). Dazu der BGH:

„II.1.a) Bedingter Tötungsvorsatz ist gegeben, wenn der Täter den Tod als mögliche, nicht ganz fernliegende Folge seines Handelns erkennt (Wissenselement) und dies billigt oder sich um des erstrebten Zieles Willen zumindest mit dem Eintritt des Todes eines anderen Menschen abfindet, mag ihm der Erfolgseintritt auch gleichgültig oder an sich unerwünscht sein (Willenselement). Bewusste Fahrlässigkeit liegt dagegen vor, wenn der Täter mit der als möglich erkannten Tatbestandsverwirklichung nicht einverstanden ist und er ernsthaft und nicht nur vage darauf vertraut, der tatbestandliche Erfolg werde nicht eintreten (st. Rspr.; …).
Ob der Täter nach diesen rechtlichen Maßstäben bedingt vorsätzlich gehandelt hat, ist in Bezug auf beide Vorsatzelemente in jedem Einzelfall umfassend zu prüfen und ggfs. durch tatsächliche Feststellungen zu belegen. Die Prüfung, ob Vorsatz oder bewusste Fahrlässigkeit vorliegt, erfordert eine Gesamtschau aller objektiven und subjektiven Umstände, wobei es vor allem bei der Würdigung des voluntativen Vorsatzelements regelmäßig erforderlich ist, dass sich das Tatgericht mit der Persönlichkeit des Täters auseinandersetzt und dessen psychische Verfassung bei der Tatbegehung, seine Motivlage und die für das Tatgeschehen bedeutsamen Umstände ‒ insbesondere die konkrete Angriffsweise ‒ mit in Betracht zieht. Im Rahmen der vorzunehmenden Gesamtschau stellt die auf der Grundlage der dem Täter bekannten Umstände zu bestimmende objektive Gefährlichkeit der Tathandlung einen wesentlichen Indikator sowohl für das kognitive als auch für das voluntative Vorsatzelement dar (st. Rspr.; …). Die Gefährlichkeit der Tathandlung und der Grad der Wahrscheinlichkeit eines Erfolgseintritts sind aber nicht allein maßgeblich für die Entscheidung, ob ein Täter mit bedingtem Vorsatz gehandelt hat. Vielmehr kommt es auch bei in hohem Maße gefährlichen Handlungen auf die Umstände des Einzelfalls an (…).“

Nach dieser Maßgabe spricht für die Annahme, dass Z nicht (bedingt) vorsätzlich gehandelt hat, insbesondere der Umstand, dass die von ihm verwendeten und bewusst ausgewählten „kleinen Schottersteine“ – objektiv – nicht dafür geeignet gewesen sind, die Windschutzscheibe des Fahrzeugs der P zu beschädigen bzw. zu durchschlagen und die Insassin zu verletzen. Dafür spricht ferner, dass die Bundesstraße, auf der P fuhr, vergleichsweise leer war und die Wahrscheinlichkeit eines wurfbedingten Verkehrsunfalls zwischen P und anderen Fahrzeugen dadurch erheblich vermindert war. Dazu der BGH:

„b) Gemessen an diesen Anforderungen begegnet die Verneinung eines bedingten Tötungsvorsatzes (…) keinen rechtlichen Bedenken. (…) Die Strafkammer hat bei ihrer Überzeugungsbildung rechtsfehlerfrei insbesondere das objektive Tatgeschehen und die Ausführungen des Sachverständigen zur fehlenden Gefährlichkeit der verwendeten Steine berücksichtigt. Damit hat sie ihre Überzeugung tatsachenfundiert begründet, ohne die bestreitende Einlassung des Angeklagten ungeprüft zu übernehmen.
Das Landgericht hat die geminderte objektive Gefährlichkeit der konkreten Angriffsweise bei beiden Elementen des bedingten Tötungsvorsatzes vorsatzkritisch bedacht. Die Strafkammer ist dem Sachverständigen darin gefolgt, dass die verwendeten Schottersteine in der Tatsituation nicht geeignet waren, die Frontscheibe des Pkw zu durchdringen und die Insassen zu treffen. In ihre Würdigung hat die Strafkammer dabei auch eingestellt, dass sich der [Z] keine weiteren Gedanken über die Beschaffenheit der Frontscheibe des beworfenen Pkw machte. Dass sie in der geminderten objektiven Gefährlichkeit der Tatmittel dennoch ein maßgebliches Indiz gegen einen bedingten Tötungsvorsatz gesehen hat, ist eine tatrichterliche Wertung, gegen die aus Rechtsgründen nichts zu erinnern ist.
Auch die Gefahr des Aufsplitterns der Frontscheibe hat das Landgericht bedacht und diese Gefahr mit dem Sachverständigen ausgeschlossen. Ferner hat es die Möglichkeit, dass es infolge einer Sichtbehinderung oder der Aufprallgeräusche der Steine zu einem Unfallgeschehen hätte kommen können, nicht übersehen. Vielmehr hat die Strafkammer insoweit erörtert, dass sich der Fahrzeugführer erschrecken und von der Straße hätte abkommen können. Dennoch hat sich das Landgericht angesichts der verwendeten Tatmittel nicht von der billigenden Inkaufnahme eines Unfalls und des Todes der Insassen durch den [Z] überzeugen können. Dies ist zumal mit Blick auf die herrschenden Verkehrsverhältnisse aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Insoweit besteht kein Rechtssatz, dass ein Täter, der wie der [Z] vorgeht, zugleich grundsätzlich auch mit tödlichen Folgen für die betroffenen Verkehrsteilnehmer rechnet und diese um den Preis der Fortsetzung seines – ihm wie hier bekannten – gefährlichen Tuns innerlich billigt (…).“

Z hat demnach nicht mit bedingtem (Tötungs-)Vorsatz gehandelt.

Hinweis: Die Verurteilung wegen Heimtückemordes in sog. Steinwerfer-Fällen kommt durchaus in Betracht, etwa wenn die Täter „gezielt eine so hochgradige Gefahrenlage geschaffen hatten, dass das Ausbleiben schwererer, möglicherweise tödlicher Folgen nur dem „glücklichen Umstand” zu verdanken war, dass die Fahrzeuge nicht mit höherer als der tatsächlich gefahrenen Geschwindigkeit fuhren bzw. Reifen der betroffenen Fahrzeuge nicht platzten.“ (s. BGH, NJW 2003, 836 f.; dasselbe kann auch gelten beim Wurf mit Gullideckeln oder beim Aufstellen von größeren Hindernissen auf der Fahrbahn).

II. Versuchte Körperverletzung, §§ 223 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB

Z hat sich auch nicht wegen versuchter Körperverletzung nach §§ 223 Abs. 1, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht, weil er keinen Verletzungsvorsatz – in Form eines dolus eventualis – hatte. Dazu der BGH:

„II.2. Die Verneinung eines bedingten Körperverletzungsvorsatzes (…) ist rechtsfehlerfrei.“

III. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB

Z könnte sich aber wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er die „Schottersteine“ von der Brücke auf die Straße hinab warf.

1. Objektiver Tatbestand

Dazu müsste Z zunächst einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr nach § 315b Abs. 1 StGB vorgenommen haben. Nach dieser Norm macht sich strafbar, wer die Sicherheit des Straßenverkehrs dadurch beeinträchtigt, dass er Anlagen oder Fahrzeuge zerstört, beschädigt oder beseitigt (Nr. 1), Hindernisse bereitet (Nr. 2) oder einen ähnlichen, ebenso gefährlichen Eingriff vornimmt (Nr. 3) und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet.

In Betracht kommt hier die Vornahme eines „ebenso gefährlicher Eingriff“ im Sinne von Nr. 3. Um eine hinreichende Bestimmtheit dieses Tatbestandsmerkmals zu gewährleisten, ist die Auslegung am Gefährdungspotential der Nr. 1 und 2 zu orientieren; erfasst werden also nur solche Verhaltensweisen, die unmittelbar auf einen Verkehrsvorgang einwirken und den in Nr. 1 und 2 genannten Tathandlungen der Art und Gefährlichkeit nach gleichwertig sind. Das ist beim Herabwerfen von Gegenständen von einigem Gewicht von einer Brücke – wie Steinen – auf unmittelbar vorbei- bzw. darunter hindurchfahrende Fahrzeuge unzweifelhaft der Fall (s. nur BGH, NStZ 2003, 206 sowie NJW 2003, 836).

Fraglich ist aber, ob Z durch das Hinabwerfen der Steine auch eine konkrete Gefahr für Leib und Leben eines anderen Menschen (der P) sowie eine Sache von bedeutendem Wert – deren Fahrzeug – geschaffen hat. Das könnte deswegen fraglich sein, weil der Abwurf der Steine aus objektiver Sicht weder ein verändertes Fahrverhalten der P noch eine andere konkrete verkehrsspezifische Gefahr hervorgerufen hat; die bloße Beschädigung des Fahrzeugdachs reicht dafür nicht aus. Dazu hier der BGH:

*„III.1. Die Feststellungen [des Landgerichts] tragen nicht die Annahme, dass sich der [Z] eines vollendeten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr iSd § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB schuldig gemacht hat. Der Eintritt einer konkreten verkehrsspezifischen Gefahr als Folge des Abwurfs der Steine kann dem Urteil nicht entnommen werden.

(…) das (Landgericht hat) weder den Eintritt eines „Beinaheunfalls“ noch einer anderweitigen konkreten verkehrsspezifischen Gefahr festgestellt.
Zwar hat der [Z] iSd § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB in die Sicherheit des Straßenverkehrs eingegriffen. Der Fahrzeugführer konnte aber den Pkw unbeeinträchtigt weiterführen, so dass es in der Folge nicht zu einer kritischen Verkehrssituation im Sinne eines „Beinaheunfalls“ kam. Soweit die Tathandlung (Fallenlassen der Steine) unmittelbar zu einem Sachschaden (Verletzungserfolg) geführt hat, ergeben die Feststellungen nicht, dass diese Verletzung auch auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte, mithin die Dynamik des fahrenden Kraftfahrzeugs zurückzuführen ist (…). Mit dem Eintritt des Sachschadens am Dach des Fahrzeugs verwirklichte sich deshalb keine verkehrstypische Gefahr (…).“*

Z hat damit den objektiven Tatbestand des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB nicht erfüllt.

2. Subjektiver Tatbestand

Z müsste allerdings auch Vorsatz hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale gehabt, also zumindest bedingten Vorsatz hinsichtlich der Tathandlung und der damit bewirkten abstrakten Gefährdung sowie der konkreten Rechtsgutsgefährdung gehandelt haben; auf einen bedingten Schädigungsvorsatz kommt es mangels eines vorschriftswidrigen Verkehrsverhaltens im fließenden Verkehr vorliegend nicht an. Z nahm hier den Tod, die Verletzung oder eine Gefährdung der Insassen des vorbeifahrenden Fahrzeugs indes nicht billigend in Kauf. Infolge der von ihm benutzten „kleinen Steinchen“ hielt er es auch nicht für möglich, dass diese die Frontscheibe des Fahrzeugs treffen, sie aufsplittern oder durchschlagen und Insassen treffen würden. Dazu der BGH:

„II.2. Die Verneinung eines bedingten (…) Gefährdungsvorsatzes des [Z], soweit es um die Gefährdung von Leib oder Leben der Insassen des Pkw geht, ist (…) rechtsfehlerfrei.
Ob Z indes die Beschädigung des Fahrzeugs der P in sein Vorstellungsbild aufgenommen hatte, steht vorliegend (noch) nicht fest, weswegen die Möglichkeit einer Versuchsstrafbarkeit bleibt (s. sogleich).

3. Zwischenergebnis

Z hat sich demnach nicht wegen eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr strafbar gemacht.

IV. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB

Z hat sich auch nicht wegen eines vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in der Variante der beabsichtigten Herbeiführung eines Unglücksfalls gemäß § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB strafbar gemacht, indem er die „Schottersteine“ von der Brücke auf die Straße warf:

*„II.3.a) Soweit die Revision darüber hinaus beanstandet, das (Landgericht) habe mit unzureichender Begründung die Verwirklichung des Qualifikationstatbestands des vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in der Variante der beabsichtigten Herbeiführung eines Unglücksfalls gem. § 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB verneint, zeigt dies (…) keinen den [Z] begünstigenden Rechtsfehler auf. (…) nach den Feststellungen des (Landgerichts scheidet) bereits die Vollendung des Grundtatbestands des § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB aus. [s.o.]

b) Unbeschadet dessen ist selbst eine möglicherweise festzustellende Absicht des [Z], durch den Abwurf der Steine (ausschließlich) Schäden am Dach des Fahrzeugs zu verursachen, nicht geeignet, die qualifizierende Voraussetzung des Handelns in der Absicht, einen Unglücksfall iSd § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB herbeizuführen, zu begründen.

aa) Dieser Qualifikationstatbestand ist nur verwirklicht, wenn es dem Täter darauf ankommt, einen Unglücksfall dadurch herbeizuführen, dass sich die von ihm verursachte konkrete Gefahr verwirklicht (…). Zwar muss seine Absicht nicht auf die Herbeiführung eines Personenschadens gerichtet sein, vielmehr reicht auch die Absicht aus, einen Sachschaden zu verursachen (…). Erforderlich ist aber stets, dass sich nach der Vorstellung des Täters durch seine Tathandlung iSd § 315b Abs. 1 StGB eine verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht (…).

Dies ergibt sich aus dem Wortlaut des § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB, der an den jeweils verwirklichten Grundtatbestand anknüpft. Nach der Rspr. gebietet der Schutzzweck des hier maßgeblichen Grundtatbestands des § 315b Abs. 1 StGB indes eine restriktive Auslegung der Norm, als unter einer konkreten Gefahr für Leib oder Leben oder Sachen von bedeutendem Wert nur verkehrsspezifische Gefahren verstanden werden dürfen (…). Mithin muss, um den vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr iSd § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB zu qualifizieren, auch die Absicht des Täters darauf gerichtet sein, dass sich gerade eine von ihm herbeigeführte verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht.

bb) Eine verkehrsspezifische Gefahr setzt voraus, dass die eingetretene konkrete Gefahr – jedenfalls auch – auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Dies ist der Fall, wenn eine der in § 315b Abs. 1 StGB bezeichneten Tathandlungen über die ihr innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einer kritischen Verkehrssituation geführt hat, in der eines der genannten Individualrechtsgüter im Sinne eines „Beinaheunfalls“ so stark beeinträchtigt war, dass es nur noch vom Zufall abhing, ob das Rechtsgut verletzt wurde oder nicht (…). Der Tatbestand des § 315b Abs. 1 StGB kann aber auch erfüllt sein, wenn die Tathandlung – wie hier – unmittelbar zu einer konkreten Gefahr oder Schädigung führt. In diesem Fall ist eine verkehrsspezifische Gefahr aber nur zu bejahen, wenn der Fortbewegung des von dem Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht (…).

cc) Eine mögliche Absicht des [Z], durch den Abwurf der Steine lediglich das Dach des passierenden Fahrzeugs zu beschädigen, erfüllt diese Anforderungen nicht, da sich dieses Vorstellungsbild nicht auf die Verwirklichung einer verkehrsspezifischen Gefahr richtet, sondern sich in der bloßen Herbeiführung einer Sachbeschädigung erschöpft. Denn der vorgestellte Schadenseintritt ist nicht auf die für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen, er unterscheidet sich vielmehr nicht von einer Sachbeschädigung eines abgestellten Fahrzeugs. Die Dynamik des zu schädigenden Fahrzeugs wirkt sich im Fall einer ausschließlich beabsichtigten Beschädigung des Fahrzeugdachs gerade nicht auf den Schadenseintritt aus (…).

c) Auch im Übrigen hat das (Landgericht) mit rechtsfehlerfreier Begründung ausgeschlossen, dass der [Z] mit seinem Steinwurf die Verwirklichung verkehrsspezifischer Gefahren und damit die Herbeiführung eines Unglücksfalls iSd § 315 Abs. 3 Nr. 1 a StGB beabsichtigte. Dies gilt, wie bereits ausgeführt, zum einen mit Blick auf die nach den Feststellungen nicht einmal von einem bedingten Vorsatz erfasste Herbeiführung eines Unfalls. Zum anderen kam es dem [Z] nach den Feststellungen auch nicht darauf an, (auch) die Frontscheibe des Pkw zu beschädigen, wo sich beim Aufprall der Steine die Dynamik des Straßenverkehrs ausgewirkt hätte. Insoweit hat die Strafkammer mit tragfähiger Begründung, u.a. dem Standort des [Z] auf der dem Geschädigten abgewandten Seite der Brücke, dessen zielgerichteten Willen verneint, die Scheibe zu treffen.“*

V. Gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB

Eine Strafbarkeit des Z wegen eines vorsätzlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in der Variante der beabsichtigten Ermöglichung einer Straftat nach §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB ist ebenfalls nicht gegeben. Es fehlt auch insoweit die Verwirklichung des Grundtatbestandes nach § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB (s.o.). Und eine Ermöglichungsabsicht ist hier ebenfalls nicht gegeben:

„II.4. Der [Z] handelte [nicht] in der Absicht, durch einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr eine andere Straftat zu ermöglichen (§ 315b Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3 iVm § 315 Abs. 3 Nr. 1b StGB). Die vorgenommene Handlung muss – anders als festgestellt – das Mittel zur Ermöglichung der Tat, sie darf nicht die Tat selbst sein (…). Die Tathandlung des [Z] liegt im Fallenlassen der Steine. Sie ist indes zugleich die Schädigungshandlung im Rahmen von § 303 StGB.“

VI. Versuchter gefährlicher Eingriff in den Straßenverkehr, §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB

Fraglich ist, ob sich Z aber wegen versuchtem gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr gemäß den §§ 315b Abs. 1 Nr. 3, 22, 23 Abs. 1 StGB strafbar gemacht. Dazu bedürfte es eines Tatentschlusses, also des Vorsatzes – Wissen und Wollen - hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale. Dazu der BGH:

„III.2. Der Senat kann nicht ausschließen, dass sich der [Z]. des versuchten gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr schuldig gemacht hat. Dies wäre der Fall, wenn sein Tatentschluss zumindest auch darauf gerichtet war, die Windschutzscheibe des Fahrzeugs oder dessen Front zu treffen oder ihm die Trefferfläche gleichgültig war, sich mithin nach dem Vorstellungsbild des [Z] jedenfalls auch die Fahrzeugdynamik in einem iSd § 315b StGB bedeutenden Schadenseintritt auswirken konnte. Eine eigene Entscheidung des Senats und die Umstellung des Schuldspruchs auf versuchten vorsätzlichen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung kommt nicht in Betracht, da sich das (Landgericht) nur dazu verhalten hat, dass der [Z] ein Durchschlagen oder Aufsplittern der Windschutzscheibe nicht billigte, sich aber nicht damit auseinandergesetzt hat, ob er bei Abwurf der Steine andere, zumindest auch auf die Dynamik des Fahrvorgangs zurückzuführende Schäden am Fahrzeug, die die Wertgrenze erreichen (…), in sein Vorstellungsbild aufgenommen hatte. Der Senat vermag nicht auszuschließen, dass der neue Tatrichter insoweit Feststellungen treffen kann.“
Nach derzeitigem Stand hat sich Z nicht wegen eines versuchten § 315b Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

VII. Sachbeschädigung, § 303 Abs. 1 StGB

Z ist aber einer Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB schuldig. Er hat das Dach des Fahrzeugs der P mit den Schottersteinen beschädigt und dort einen Sachschaden von etwa 5.000 Euro verursacht. Diese Schadensverursachung hat Z hier billigend in Kauf genommen, also auch vorsätzlich gehandelt.

Hinweis: Bei der Sachbeschädigung nach § 303 Abs. 1 StGB handelt es sich nach Maßgabe von § 303c StGB um ein sog. relatives Antragsdelikt. Die Tat ist also nur verfolgbar, wenn der Verletzte der Straftat – fristgemäß (§ 77b StGB) und in gehöriger Form (§ 158 Abs. 2 StPO) – einen entsprechenden Antrag i.S. des § 77 StGB stellt oder – wie im konkreten Fall – die Strafverfolgungsbehörde das besondere öffentliche Interesse an der Strafverfolgung bejaht. Andernfalls besteht ein sog. Verfahrenshindernis.

VIII. Ergebnis

Z hat sich – nach derzeitigem Stand – nur wegen Sachbeschädigung nach § 303 StGB strafbar gemacht.

Hinweis: Das Landgericht hatte den Z wegen vorsätzlichen gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Die dagegen von der Staatsanwaltschaft eingelegte Revision zuungunsten des Z, die sie auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützt hatte (Begründung: fehlerhafte Verurteilung des Z nicht auch wegen Mordes), hat der 4. Strafsenat des BGH verworfen und das Urteil des Landgerichts – weil die Revision der Staatsanwaltschaft auch die Wirkung eines zugunsten des Angeklagten eingelegten Rechtsmittels hat (vgl. § 301 StPO) – mit den Feststellungen aufgehoben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere (Große Straf-)Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

C. Prüfungsrelevanz

Grundsätzlich gilt, wie der 4. Senat bereits in anderer Sache festgestellt hat (B. v. 08.06.2021 – 4 StR 68/21), zum subjektiven Tatbestand von § 315b Abs. 1 Nr. 3 StGB: „(…) der Täter [muss es] zumindest für möglich halten und billigend in Kauf nehmen, die Sicherheit des Straßenverkehrs durch einen der Zerstörung, Beschädigung oder Beseitigung von Fahrzeugen oder Anlagen oder der Bereitung von Hindernissen ähnlichen ebenso gefährlichen Eingriff zu beeinträchtigen und dadurch Leib oder Leben anderer oder fremde Sachen von bedeutendem Wert zu gefährden. Als tatbestandsmäßig kommen dabei nur konkrete Gefahren für die benannten Rechtsgüter in Betracht, die über die der Tathandlung innewohnende latente Gefährlichkeit hinaus zu einem „Beinaheunfall“ geführt haben oder in ihrem Erscheinungsbild einem „Beinaheunfall“ gleichen (…). Letzteres setzt voraus, dass sich durch die Tathandlung eine verkehrsspezifische Gefahr verwirklicht, die - jedenfalls auch - auf die Wirkungsweise der für Verkehrsvorgänge typischen Fortbewegungskräfte zurückzuführen ist. Bei Außeneinwirkungen, die ‒ wie hier ‒ nicht durch eine vom Täter ausgenutzte Eigendynamik eines Fahrzeugs gekennzeichnet sind, ist eine verkehrsspezifische Gefahr nur dann zu bejahen, wenn der Fortbewegung des vom Eingriff betroffenen Fahrzeugs in einer Weise entgegengewirkt wird, dass gerade infolge der Dynamik des Straßenverkehrs eine konkrete Gefahr für die Fahrzeuginsassen oder das Fahrzeug entsteht (…).“

Kritisch zu hinterfragen ist insbesondere, wo für die Beurteilung der Vorstellung des Täters im Hinblick auf die – absichtliche – Schaffung einer konkreten Gefahrenlage angeknüpft werden soll. Der 4. Strafsenat überträgt dazu die Rechtsprechung des BGH, die dieser im Zusammenhang mit § 315b Abs. 1 StGB und dem dortigen Gefahrenbegriff entwickelt hat, auf das in § 315b Abs. 3 i.V.m. § 315 Abs. 3 Nr. 1a StGB normierte Absichtsmerkmal und stellt dazu fest, dass die auf Herbeiführung eines Unfalls abzielende Vorstellung des Täters auf die Verwirklichung einer von ihm herbeigeführten verkehrsspezifischen konkreten Gefahr gerichtet sein muss. Das ist insoweit konsequent, führt aber zu zufälligen Ergebnissen, weil die Strafbarkeit des Täters maßgeblich davon abhängen soll, an welcher Stelle das durchfahrende Fahrzeug von den herab geworfenen Steinen getroffen wird: erfolgt der „Einschlag“ lediglich auf dem Dach des Fahrzeugs und bleibt der Fahrzeugführer dabei gelassen, scheidet eine Strafbarkeit regelmäßig aus, während die Tat beim Durchschlagen der Windschutzscheibe strafbar ist.