Neues Kaufrecht und Vertrag über digitale Produkte: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen (Teil 3/4)

Neues Kaufrecht und Vertrag über digitale Produkte: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen (Teil 3/4)

Teil 3: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht

Nachdem wir uns in Teil 2 mit den wichtigsten Änderungen im allgemeinen Kaufrecht befasst haben, schauen wir uns nunmehr im dritten Teil die Änderungen zum Verbrauchsgüterkaufrecht an. Dich erwarten hier die folgenden Themen:

III. Neue Vorschriften im Verbrauchsgüterkaufrecht

  1. Anwendungsbereich, § 474 BGB
  2. Anwendbare Vorschriften, § 475 BGB
  3. Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB
  4. Sonderbestimmung für die Verjährung, § 475e BGB
  5. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB
  6. Beweislastumkehr, § 477 BGB
  7. Sonderbestimmungen für Garantien, § 479 BGB
  8. Abgrenzung zu Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte, § 475a BGB
  9. Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen, §§ 475b, 475c BGB
  10. Dreiteilung des Sachmängelrechts

III. Neue Vorschriften im Verbrauchsgüterkaufrecht

Im Verbrauchsgüterkaufrecht (§§ 474 ff. BGB) hat die WKRL zu deutlich mehr Änderungen geführt. Viele „bahnbrechende“ Neuerungen im Vergleich zur bisherigen Rechtslage sind damit aber zum Glück nicht verbunden. Besondere Beachtung sollte man insbesondere den §§ 476, 477 BGB n.F. schenken. Bedeutsam sind zudem die Neuregelungen in §§ 475a, 475b, 475c BGB, die sich einem allerdings erst erschließen, nachdem man sich auch mit den neuen Vorschriften in den §§ 327 ff. BGB befasst hat. Wir wollen zunächst einmal etwas Druck rausnehmen und uns einen Überblick verschaffen, an welchen Stellen im Gesetz der Gesetzgeber Hand angelegt hat. Hierzu ein Schaubild:

Grafik zur Darstellung neuer Vorschriften im Verbrauchsgüterkaufrecht

1. Anwendungsbereich, § 474 BGB

Legen wir los mit der „Kopfnorm“ des § 474 BGB. Die legt den Anwendungsbereich der besonderen Vorschriften über den Verbrauchsgüterkauf fest. Zunächst werfen wir einen Blick auf den Wortlaut des Gesetzes und heben dabei hervor, was sich im Vergleich zur alten Rechtslage geändert hat:

§ 474 Verbrauchsgüterkauf
(1) Verbrauchsgüterkäufe sind Verträge, durch die ein Verbraucher von einem Unternehmer eine bewegliche Sache Ware (§ 241a Absatz 1) kauft. Um einen Verbrauchsgüterkauf handelt es sich auch bei einem Vertrag, der neben dem Verkauf einer beweglichen Sache Ware die Erbringung einer Dienstleistung durch den Unternehmer zum Gegenstand hat.
(2) Für den Verbrauchsgüterkauf gelten ergänzend die folgenden Vorschriften dieses Untertitels. Dies gilt nicht für gebrauchte Sachen, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft werden, an der der Verbraucher persönlich teilnehmen kann. Für gebrauchte Waren, die in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung (§ 312g Absatz 2 Nummer 10) verkauft werden, gilt dies nicht, wenn dem Verbraucher klare und umfassende Informationen darüber, dass die Vorschriften dieses Untertitels nicht gelten, leicht verfügbar gemacht wurden.

Der Gesetzgeber hat in § 474 I BGB – ebenso wie im gesamten sonstigen Verbrauchsgüterkaufrecht – den Begriff „bewegliche Sache“ durch „Ware“ i.S.v. § 241a I BGB ersetzt. § 241a I BGB definiert die „Waren“ als bewegliche Sachen, die nicht auf Grund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen oder anderen gerichtlichen Maßnahmen verkauft werden. Auch Tiere werden vom Begriff der Ware grundsätzlich erfasst (Wilke, VuR 2021, 283, 286; vgl. auch § 477 I 2 BGB).

Der Ausschlusstatbestand in § 474 II 2 BGB wurde im Vergleich zur alten Gesetzesfassung enger gefasst. Während die §§ 475 ff. BGB bislang generell unanwendbar waren, wenn gebrauchte Sachen in einer öffentlich zugänglichen Versteigerung verkauft wurden, gilt dies nach neuer Rechtslage nur unter der weiteren Voraussetzung, dass dem Verbraucher „klare und umfassende Informationen“ über die Nichtgeltung des Verbrauchsgüterkaufrechts „leicht verfügbar gemacht wurden“. Als „umfassende“ Information genügt nicht der bloße Hinweis, dass die besonderen Vorschriften des Verbrauchsgüterkaufs nicht gelten (Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 31). Man wird aber auch nicht wirklich verlangen können, dass der Verbraucher darüber informiert wird, was stattdessen gilt, also über die allgemeinen Regeln des Kaufrechts (so aber Wilke, VuR 2021, 283, 289). Was genau unter „klaren und umfassenden Informationen“ zu verstehen ist und unter welchen Voraussetzungen sie dem Verbraucher „leicht verfügbar gemacht wurden“, wird in Rechtsprechung und Literatur noch herauszuarbeiten sein.

2. Anwendbare Vorschriften, § 475 BGB

Als nächstes widmen wir uns dem § 475 BGB in seinem neuen Gewand. Auch hier wollen wir uns zunächst vor Augen führen, was sich im Vergleich zur Vorgängervorschrift geändert hat:

§ 475 Anwendbare Vorschriften
(1) Ist eine Zeit für die nach § 433 zu erbringenden Leistungen weder bestimmt noch aus den Umständen zu entnehmen, so kann der Gläubiger diese Leistungen abweichend von § 271 Absatz 1 nur unverzüglich verlangen. Der Unternehmer muss die Ware in diesem Fall spätestens 30 Tage nach Vertragsschluss übergeben. Die Vertragsparteien können die Leistungen sofort bewirken.
(2) § 447 Absatz 1 gilt mit der Maßgabe, dass die Gefahr des zufälligen Untergangs und der zufälligen Verschlechterung nur dann auf den Käufer übergeht, wenn der Käufer den Spediteur, den Frachtführer oder die sonst zur Ausführung der Versendung bestimmte Person oder Anstalt mit der Ausführung beauftragt hat und der Unternehmer dem Käufer diese Person oder Anstalt nicht zuvor benannt hat.
(3) § 439 Absatz 6 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass Nutzungen nicht herauszugeben oder durch ihren Wert zu ersetzen sind. Die §§ 442, 445 und 447 Absatz 2 sind nicht anzuwenden.
(4) Der Verbraucher kann von dem Unternehmer für Aufwendungen, die ihm im Rahmen der Nacherfüllung gemäß § 439 Absatz 2 und 3 entstehen und die vom Unternehmer zu tragen sind, Vorschuss verlangen.
(5) Der Unternehmer hat die Nacherfüllung innerhalb einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, und ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher durchzuführen, wobei die Art der Ware sowie der Zweck, für den der Verbraucher die Ware benötigt, zu berücksichtigen sind.
(6) Im Fall des Rücktritts oder des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung wegen eines Mangels der Ware ist § 346 mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Unternehmer die Kosten der Rückgabe der Ware trägt. § 348 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass der Nachweis des Verbrauchers über die Rücksendung der Rückgewähr der Ware gleichsteht.

Nach § 475 III 2 BGB ist im Verbrauchsgüterkaufrecht nunmehr auch § 442 BGB unanwendbar. Hintergrund dieser Regelung ist, dass Art. 7 V WKRL das Vorliegen einer Vertragswidrigkeit nicht bereits bei bloßer Kenntnis des Mangels durch den Verbraucher, sondern erst unter den nunmehr in § 476 I 2 BGB genannten Voraussetzungen ausschließt (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2068). Zu § 476 BGB kommen wir gleich.

§ 475 IV BGB a.F. wurde ersatzlos gestrichen. Der EuGH hatte zur alten Rechtslage entschieden, dass der Unternehmer bei Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung nur ein relatives Verweigerungsrecht hat; er könne die vom Verbraucher gewählte Art der Nacherfüllung (Mangelbeseitigung oder Neulieferung) nur verweigern, wenn der dafür erforderliche Aufwand im Vergleich zur jeweils anderen Nacherfüllungsmöglichkeit in einem Missverhältnis zum Nutzen des Verbrauchers stehe (EuGH, Urt. v. 16.06.2011 – C-65/09, C-87/09, Ls. – Weber/Putz). Die in § 439 IV 3 Hs. 2 BGB vorgesehene Möglichkeit, auch die Erfüllung der einzig möglichen oder einzig verbliebenen Nacherfüllungsmöglichkeit zu verweigern, wurde sodann durch § 475 IV BGB a.F. ausgeschlossen (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069). Art. 13 III WKRL lässt aber ein „Totalverweigerungsrecht“ zu, sodass § 475 IV BGB a.F. gestrichen werden konnte. Entsprechendes gilt für § 475 V BGB a.F. (ebenfalls gestrichen).

§ 475 V BGB enthält eine ergänzende Regelung zu dem in § 439 BGB geregelten Nacherfüllungsanspruch des Käufers. Hat der Unternehmer zwar rechtzeitig, aber mit „erheblichen Unannehmlichkeiten“ für den Verbraucher nacherfüllt, begründet dies kein Rücktritts- oder Minderungsrecht des Verbrauchers, sondern allenfalls einen Schadensersatzanspruch gemäß § 280 I BGB wegen Verletzung der in § 475 V BGB normierten Pflicht (BT-Drucks. 19/27424, S. 37; Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069).

§ 475 VI BGB enthält eine ergänzende Regelung zu den Folgen des Rücktritts und des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung. Nach § 475 VI 1 BGB, der insoweit § 346 BGB ergänzt, hat der Unternehmer beim Rücktritt des Verbrauchers oder bei der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der ganzen Leistung – in diesem Fall verweist § 281 V BGB ebenfalls auf die §§ 346 – 348 BGB – die Kosten der Rücksendung zu tragen. Nach § 475 VI 2 BGB hat der Verkäufer – in Abweichung von §§ 348, 320 BGB – den Kaufpreis bereits dann zurückzuerstatten bzw. den Schadensersatz zu leisten, wenn der Verbraucher den Nachweis über die Rücksendung der Ware erbracht hat.

3. Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz, § 475d BGB

§ 475d BGB trifft für den Verbrauchsgüterkauf Sonderregelungen zum Rücktritt (Abs. 1), die mittelbar auch für die Minderung gelten (§ 441 I 1 BGB: „Statt zurückzutreten“), und zum Schadensersatz (Abs. 2). 

§ 475d Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz
(1) Für einen Rücktritt wegen eines Mangels der Ware bedarf es der in § 323 Absatz 1 bestimmten Fristsetzung zur Nacherfüllung abweichend von § 323 Absatz 2 und § 440 BGB nicht, wenn

  1. der Unternehmer die Nacherfüllung trotz Ablaufs einer angemessenen Frist ab dem Zeitpunkt, zu dem der Verbraucher ihn über den Mangel unterrichtet hat, nicht vorgenommen hat,
  2. sich trotz der vom Unternehmer versuchten Nacherfüllung ein Mangel zeigt,
  3. der Mangel derart schwerwiegend ist, dass der sofortige Rücktritt gerechtfertigt ist,
  4. der Unternehmer die gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäße Nacherfüllung verweigert hat oder
  5. es nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht gemäß § 439 Absatz 1 oder 2 oder § 475 Absatz 5 ordnungsgemäß nacherfüllen wird.

(2) Für einen Anspruch auf Schadensersatz wegen eines Mangels der Ware bedarf es der in § 281 Abs. 1 bestimmten Fristsetzung in den in Absatz 1 bestimmten Fällen nicht. § 281 Absatz 2 und § 440 sind nicht anzuwenden.

Wir wollen uns auch dies schön der Reihe nach angucken. Zunächst einmal nehmen wir § 475d I BGB in den Blick. Der zählt Fälle auf, in denen die Nachfristsetzung selbst dann entbehrlich ist, wenn die allgemeinen Vorschriften der §§ 323 II, 440 BGB nicht einschlägig sind. 

Es geht los mit § 475d I Nr. 1 BGB. Danach beginnt die Frist zur Nacherfüllung, sobald der Verbraucher den Unternehmer über den Mangel „unterrichtet“ hat. Anders als nach bisherigem Recht ist ein ausdrückliches Nacherfüllungsverlangen des Verbrauchers nicht mehr erforderlich, um die Nacherfüllungsfrist in Gang zu setzen (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2071). Hat der Verbraucher die Wahl zwischen zwei möglichen Nacherfüllungsalternativen (Mangelbeseitigung oder Neulieferung), setzt das Rücktrittsrecht eine Wahl des Verbrauchers voraus, weil erst hierdurch die nach § 323 I BGB erforderliche Fälligkeit des – vorher noch „verhaltenen“ – Nacherfüllungsanspruchs bewirkt wird.

Und nun zu § 475d I Nr. 2 BGB. Der ermöglicht es dem Verbraucher, abweichend von § 440 S. 2 BGB bereits nach dem ersten erfolglosen Nacherfüllungsversuch zurückzutreten (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2071). Im Unterschied zu § 440 BGB greift diese spezielle Regelung zudem nicht nur im Falle einer erfolglosen Nacherfüllung, sondern auch dann ein, wenn im Zuge der Nacherfüllung ein neuer Mangel verursacht wurde.

Es folgt der § 475d I Nr. 3 BGB. Dieser lässt offen, wann ein „derart schwerwiegender Mangel“ vorliegt, dass ein sofortiger Rücktritt gerechtfertigt ist. Es bedarf hier einer Einzelfallentscheidung unter Abwägung der widerstreitenden Interessen von Verbraucher und Unternehmer (Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475d Rn. 6).

§ 475d I Nr. 4 BGB setzt für die Entbehrlichkeit der Fristsetzung voraus, dass der Unternehmer entweder die Nacherfüllung als solche, die Kostentragung nach § 439 II BGB, eine fristgerechte Nacherfüllung oder eine Nacherfüllung ohne erhebliche Unannehmlichkeiten für den Verbraucher verweigert hat (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2071). Die Vorschrift erfasst nicht nur eine unberechtigte, sondern auch eine gemäß § 439 IV BGB berechtigte Nacherfüllungsverweigerung des Verkäufers (Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475d Rn. 7). Bei einer unberechtigten Verweigerung ist aber – anders als nach § 323 II Nr. 1 BGB – nicht erforderlich, dass der Unternehmer die ordnungsgemäße Nacherfüllung „ernsthaft und endgültig“ verweigert hat.

An die Regelung des § 475d I Nr. 4 BGB anknüpfend bedarf es einer Fristsetzung nach § 475d I Nr. 5 BGB auch dann nicht, wenn – unabhängig von einer Verweigerung – nach den Umständen offensichtlich ist, dass der Unternehmer nicht innerhalb angemessener Frist ordnungsgemäß nacherfüllen wird (Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475d Rn. 8). Von § 475d I Nr. 4 BGB unterscheidet sich diese Variante lediglich dadurch, dass es keiner Verweigerung der ordnungsgemäßen Nacherfüllung durch den Unternehmer bedarf (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2071).

Und jetzt auch nur kurz zu § 475d II BGB. Der trifft zur Herstellung des Gleichlaufs der Voraussetzungen von Rücktritt und Minderung einerseits sowie des von der WKRL nicht erfassten Schadensersatzes andererseits die Regelung, dass es in den in § 475d I BGB genannten Fällen auch der in § 281 I BGB vorgesehenen Fristsetzung nicht bedarf und die §§ 281 II, 440 BGB nicht anwendbar sind. 

Und das war es dann auch mit den in § 475d BGB vorgesehenen Sondervorschriften zum Rücktritt und zum Schadensersatz. Am besten schreibst Du Dir den § 475d BGB einfach neben den § 440 BGB – wenn die Prüfungsordnung in Deinem Bundesland das zulässt! Ansonsten merkst Du Dir das einfach. Unter die einzelnen Fälle des § 475d BGB zu subsumieren, sollte Dir nicht allzu schwer fallen: Du musst die Fälle sorgfältig von oben nach unten prüfen und dabei die Normen, auf die im Einzelnen verwiesen wird, mitlesen. Das ist reines Handwerk, keine Raketenwissenschaft.

4. Sonderbestimmung für die Verjährung, § 475e BGB

§ 475e BGB enthält eine Sonderbestimmung für die Verjährung. Das steht auch so in der amtlichen Überschrift. Mal sehen, was genau darunter steht:

§ 475e Sonderbestimmungen für die Verjährung
(1) Im Fall der dauerhaften Bereitstellung digitaler Elemente nach § 475c Absatz 1 Satz 1 verjähren Ansprüche wegen eines Mangels an den digitalen Elementen nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Bereitstellungszeitraums.
(2) Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht nach § 475b Absatz 3 oder 4 verjähren nicht vor dem Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht.
(3) Hat sich ein Mangel innerhalb der Verjährungsfrist gezeigt, so tritt die Verjährung nicht vor dem Ablauf von vier Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem sich der Mangel erstmals gezeigt hat.
(4) Hat der Verbraucher zur Nacherfüllung oder zur Erfüllung von Ansprüchen aus einer Garantie die Ware dem Unternehmer oder auf Veranlassung des Unternehmers einem Dritten übergeben, so tritt die Verjährung von Ansprüchen wegen des geltend gemachten Mangels nicht vor dem Ablauf von zwei Monaten nach dem Zeitpunkt ein, in dem die nachgebesserte oder ersetzte Ware dem Verbraucher übergeben wurde.

§ 475e BGB trägt den Besonderheiten der Verjährung beim Verbrauchsgüterkauf von Waren mit digitalen Elementen Rechnung (hier und zum Folgenden: Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475e Rn. 1). Die auf einen einmaligen Leistungsaustausch ausgelegte Verjährungsregel des § 438 BGB wird für die Dauer der Bereitstellung (§ 475e I BGB) und die Aktualisierungspflicht (§ 475e II BGB) um Ablaufhemmungen ergänzt, die auf das Ende des jeweiligen Dauertatbestandes abstellen. Besonderes gilt auch, wenn sich der Mangel erst kurz vor Ende der Gewährleistungsfrist offenbart (§ 475e III BGB). Schließlich gibt es eine Regelung zu den Auswirkungen der Nacherfüllung (§ 475e IV BGB). Der Wortlaut ist eigentlich selbsterklärend. Wende ihn in Deinen Falllösungen einfach an, dann kann eigentlich nichts schief gehen.

5. Abweichende Vereinbarungen, § 476 BGB

Jetzt aber wieder volle Konzentration. In § 476 BGB hat sich Einiges verändert und das musst Du kennen. Auch hier zunächst ein Blick auf den Wortlaut und die hervorgehobenen Änderungen des Gesetzes:

§ 476 Abweichende Vereinbarungen
(1) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Verbrauchers von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443 sowie von den Vorschriften dieses Untertitels abweicht, kann der Unternehmer sich nicht berufen. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. Von den Anforderungen nach § 434 Absatz 3 oder § 475b Absatz 4 kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden, wenn1. der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht, und2. die Abweichung im Sinne der Nummer 1 im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
(2) Die Verjährung der in § 437 bezeichneten Ansprüche kann vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer nicht durch Rechtsgeschäft erleichtert werden, wenn die Vereinbarung zu einer Verjährungsfrist ab dem gesetzlichen Verjährungsbeginn von weniger als zwei Jahren, bei gebrauchten Sachen Waren von weniger als einem Jahr führt. Die Vereinbarung ist nur wirksam, wenn1. der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und2. die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde.
(3) Die Absätze 1 und 2 gelten unbeschadet der §§ 307 bis 309 nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz.
(4) Die Regelungen der Absätze 1 und 2 sind auch anzuwenden, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden. [vorher § 476 I 2 BGB a.F.]

Wie bisher enthält § 476 I 1 BGB ein grundsätzliches Verbot haftungsbeschränkender Vereinbarungen zulasten des Verbrauchers. Das bereits in § 476 I 2 BGB a.F. geregelte Umgehungsverbot findet sich nunmehr unverändert in § 476 IV BGB. Neu und bedeutsam ist hingegen die Regelung in § 476 I 2 BGB. Sie unterstellt – in Abweichung von der bisherigen Rechtslage – negative Beschaffenheitsvereinbarungen, also Vereinbarungen über eine Beschaffenheit, die unterhalb der Anforderungen des objektiven Fehlerbegriffs liegen, beim Verbrauchsgüterkauf strengen Voraussetzungen. Nach § 476 II 2 BGB ist eine vertragliche Verkürzung der Verjährung auf mindestens ein Jahr bei gebrauchten Waren nur unter denselben Bedingungen wie bei einer negativen Beschaffenheitsvereinbarung möglich.

Nach § 476 I 2 BGB kann von den Anforderungen der objektiven Qualitätsmerkmale der §§ 434 III; 475b IV, V und § 475c III BGB (Aktualisierungspflicht) zulasten eines Verbrauchers vor Mitteilung des Mangels an den Unternehmer nur dann vertraglich abgewichen werden, wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung „eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht“ (Nr. 1) und diese Abweichung im Vertrag „ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde“ (Nr. 2). Der Verbraucher muss über die Abweichung „eigens“ in Kenntnis gesetzt werden. Dies verlangt eine individuelle Information (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2073). Die Abweichung muss zudem im Vertrag „ausdrücklich“ (also nicht konkludent) und „gesondert“ vereinbart werden. Mit dem Erfordernis einer „gesonderten“ Vereinbarung ist eine besondere Hervorhebung der Vereinbarung gemeint. Die Vereinbarung muss so gestaltet sein, dass dem Verbraucher bei Abgabe seiner Vertragserklärung bewusst wird, dass er eine Ware erwirbt, die von den objektiven Anforderungen an die Vertragsgemäßheit abweicht oder abweichen kann. Beim Online-Vertragsschluss verlangt eine ausdrückliche und gesonderte Erklärung des Verbrauchers, dass der Unternehmer auf seiner Webseite ein Kästchen oder eine Schaltfläche vorsieht, welche der Verbraucher anklicken oder auf andere Weise betätigen kann (BT-Drucks. 19/27424, S. 43).

6. Beweislastumkehr, § 477 BGB

Und jetzt wird es gleich noch einmal wichtig, aber zum Glück nicht schwer. Der Gesetzgeber hat auch die überaus klausurrelevante Vorschrift des § 477 BGB ändern müssen. Die Vorschrift sieht jetzt wie folgt aus:

§ 477 Beweislastumkehr
(1) Zeigt sich innerhalb eines Jahres seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des mangelhaften Zustands unvereinbar. Beim Kauf eines lebenden Tieres gilt diese Vermutung für einen Zeitraum von sechs Monaten seit Gefahrübergang.
(2) Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich ein von den vertraglichen Anforderungen nach § 434 oder § 475b abweichender Zustand der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, so wird vermutet, dass die digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren.

Die Vermutungsregel in § 477 I 1 BGB wird in Umsetzung von Art. 11 I WKRL von bislang sechs Monaten auf ein Jahr ausgedehnt. Den nationalen Gesetzgebern stand sogar eine Verlängerung der Frist auf zwei Jahre frei (Art. 11 II WKRL); hiervon hat der deutsche Gesetzgeber aber keinen Gebrauch gemacht. Beim Verkauf lebender Tiere bleibt es gemäß § 477 I 2 BGB wie bislang bei einer Frist von sechs Monaten. 

Wie bislang gilt die Vermutung nicht, wenn sie „mit der Art der Sache Ware oder des Mangels mangelhaften Zustands unvereinbar“ ist. Unverändert geblieben ist auch die Reichweite der Vermutung. Sie erstreckt sich weiterhin auch darauf, dass ein nachweislich nach Lieferung aufgetretener Defekt auf einer bereits bei Lieferung vorhandenen Vertragswidrigkeit der Ware (also einem sog. „Grundmangel“) beruht (EuGH, Urt. v. 04.06.2015 – C-497/13, Rn. 70 (Faber); BGH, Urt. v. 12.10.2016 – VIII ZR 103/15, Rn. 53; Lorenz, NJW 2021, 2065, 2072). 

Während § 477 I BGB die Beweislastumkehr für Sachen sowie Waren mit digitalen Inhalten betrifft, die einmalig bereitgestellt werden, trifft § 477 II BGB eine Sonderregelung für Waren mit digitalen Elementen, sofern die Parteien im Kaufvertrag eine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente vereinbart haben (§ 475c BGB; Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 477 Rn. 13). Aber mit den digitalen Elementen wollen wir uns ja erst später beschäftigen. Für den Moment belassen wir es dabei, dass sich in § 477 BGB eigentlich nur die Länge der Frist – i.d.R. zwölf statt sechs Monate – geändert hat. Das ist doch eher leichte Kost und gut verträglich.

7. Sonderbestimmungen für Garantien, § 479 BGB

Die Sonderbestimmungen für Garantien in § 479 BGB haben sich auch geändert. Wirklich Neues begegnet uns aber zum Glück auch hier nicht. Wie gewohnt werfen wir zunächst einen Blick auf den Gesetzeswortlaut und heben dabei die Gesetzesänderungen hervor:

§ 479 Sonderbestimmungen für Garantien
(1) Eine Garantieerklärung (§ 443) muss einfach und verständlich abgefasst sein. Sie muss Folgendes enthalten:

  1. den Hinweis auf die gesetzlichen Rechte des Verbrauchers bei Mängeln, darauf, dass die Inanspruchnahme dieser Rechte unentgeltlich ist sowie darauf, dass diese Rechte durch die Garantie nicht eingeschränkt werden,
  2. den Namen und die Anschrift des Garantiegebers,
  3. das vom Verbraucher einzuhaltende Verfahren für die Geltendmachung der Garantie,
  4. die Nennung der Ware, auf die sich die Garantie bezieht, und
    5.die Bestimmungen der Garantie, insbesondere die Dauer und den räumlichen Geltungsbereich des Garantieschutzes.

(2) Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung der Ware auf einem dauerhaften Datenträger zur Verfügung zu stellen.
(3) Hat der Hersteller gegenüber dem Verbraucher eine Haltbarkeitsgarantie übernommen, so hat der Verbraucher gegen den Hersteller während des Zeitraums der Garantie mindestens einen Anspruch auf Nacherfüllung gemäß § 439 Absatz 2, 3, 5 und 6 Satz 2 und § 475 Absatz 3 Satz 1 und Absatz 5.
(4) Die Wirksamkeit der Garantieverpflichtung wird nicht dadurch berührt, dass eine der vorstehenden Anforderungen nicht erfüllt wird.[vorher Abs. 3]

Die in § 479 BGB enthaltene Sonderregelung für Garantieerklärungen wurde redaktionell an die Vorgaben von Art. 17 WKRL angepasst und in Bezug auf das Transparenzgebot leicht verschärft (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2072). Die Garantieerklärung ist dem Verbraucher nach § 479 II BGB nunmehr auch ohne ein entsprechendes Verlangen spätestens zum Zeitpunkt der Lieferung auf einem dauerhaften Datenträger i.S.v. § 126b S. 2 BGB zur Verfügung zu stellen. Neu ist die in § 479 III BGB vorzufindende gesetzliche Bestimmung des Mindestinhalts einer vom Hersteller übernommenen (selbstständigen) Haltbarkeitsgarantie i.S.v. § 443 II BGB. Und weil dieser Platz im Gesetz erst einmal frei werden musste, ist § 439 III BGB a.F. eine Etage tiefer im neuen § 439 IV BGB platziert. Insgesamt also auch an dieser Stelle eine sehr überschaubare Änderung, die keinesfalls geeignet ist, den Wuchs grauer Haare zu befördern.

8. Abgrenzung zu Verbrauchsgüterkaufverträgen über digitale Produkte, § 475a BGB

Dafür geht es aber jetzt in die Vollen. Die §§ 475a, 475b und 475c BGB kommen neu daher und reden auf einmal von „digitalen Produkten“. Die kanntest Du zwar auch schon bisher, aber eben nicht als Fachterminus im BGB. Das kann einen schon nervös machen. Aber die Nervosität kann sich auch wieder verflüchtigen. Und das wird sie, wenn Du Dich den neuen Vorschriften bedachtsam näherst. Wir machen das zusammen und beginnen mit § 475a BGB. Der sagt uns etwas zum Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte und begegnet Dir mit folgendem Wortlaut:

§ 475a Verbrauchsgüterkaufvertrag über digitale Produkte
(1) Auf einen Verbrauchsgüterkaufvertrag, welcher einen körperlichen Datenträger zum Gegenstand hat, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, sind § 433 Absatz 1 Satz 2, die §§ 434 bis 442, § 475 Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 bis 6, die §§ 475b bis 475e und die §§ 476 und 477 über die Rechte bei Mängeln nicht anzuwenden. An die Stelle der nach Satz 1 nicht anzuwendenden Vorschriften treten die Vorschriften des Abschnitts 3 Titel 2a Untertitel 1.
(2) Auf einen Verbrauchsgüterkaufvertrag über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann, sind im Hinblick auf diejenigen Bestandteile des Vertrags, welche die digitalen Produkte betreffen, die folgenden Vorschriften nicht anzuwenden:

  1. § 433 Absatz 1 Satz 1 und § 475 Absatz 1 über die Übergabe der Kaufsache und die Leistungszeit sowie
  2. § 433 Absatz 1 Satz 2, die §§ 434 bis 442, 475 Absatz 3 Satz 1, Absatz 4 bis 6, die §§ 475b bis 475e und die §§ 476 und 477 über die Rechte bei Mängeln.

An die Stelle der nach Satz 1 nicht anzuwendenden Vorschriften treten die Vorschriften des Abschnitts 3 Titel 2a Untertitel 1.

Klingt erst einmal schlimm. Gehen wir es mal vorsichtig an. Die amtliche Überschrift der Vorschrift gibt Dir zu verstehen, dass es um Verbrauchsgüterkaufverträge über „digitale Produkte“ geht. Was solche digitalen Produkte sind, findest Du in der Legaldefinition des § 327 BGB. 

§ 475a BGB selbst wurde in Umsetzung der DIRL (nicht der WKRL) in das BGB eingefügt und betrifft Fälle, in denen sich insbesondere die Frage stellt, ob die kaufrechtlichen Vorschriften oder vielmehr die §§ 327 ff. BGB anzuwenden sind.  Es geht also um Abgrenzungen, die Du vornehmen musst, um die Frage zu beantworten, ob der Fall nach den §§ 327 ff. BGB zu lösen ist oder nach den kaufrechtlichen Vorschriften:

Wird ein körperlicher Datenträger verkauft, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, sind nach § 475a I BGB die meisten Vorschriften des (Verbrauchsgüter-)Kaufrechts ausgeschlossen und stattdessen die Vorschriften in §§ 327 ff. BGB anwendbar. Eine Parallelregelung findet sich in § 327 V BGB. Das betrifft beispielsweise Kaufverträge über Filme, Spiele, Musik und Computerprogramme auf DVD, CD oder USB-Stick; in diesen Fällen macht eine Anwendbarkeit der §§ 327 ff. BGB deshalb Sinn, weil die Art und Weise der Übermittlung von digitalen Produkten (online oder auf Datenträger) keine unterschiedliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069). Betroffen sind Fälle, in denen der Datenträger lediglich als bloßer „Container“ digitaler Inhalte dient und keine darüber hinausgehende Funktion erfüllt (Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 475a Rn. 3). Dies darf nicht vorschnell bejaht werden. Man denke etwa an eine Hörspiel-CD oder Hörspiel-MC, die durch Illustrationen auf dem Cover durchaus einen Mehrwert gegenüber einem schlichten Download bieten können. Dementsprechend bleibt mit Spannung abzuwarten, wie die neuen Vorschriften in der Praxis im Einzelfall umgesetzt werden.

§ 475a II BGB betrifft Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit nicht zwingend erforderlichen digitalen Produkten. Es geht um Waren, die ihre Funktionen auch ohne die enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkte erfüllen können. Als Beispiel mag etwa ein Kühlschrank dienen, der eine Software-gestützte Bestellfunktion für bestimmte Nahrungsmittel enthält; auch bei Fehlerhaftigkeit dieser Software oder der damit verbundenen Cloud-Dienstleistungen kann der Kühlschrank seine Grundfunktion erfüllen, nämlich die in ihm aufbewahrten Nahrungsmittel kühlen (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070). Entsprechendes gilt für ein Kfz, das auch ohne Navigationssoftware und andere „smarte“ Anwendungen gefahren werden kann. Ein Gegenbeispiel bildet etwa ein Smartphone, welches ohne funktionierendes Betriebssystem seine Grundfunktion gerade nicht ausüben könnte; in diesem Fall liegt ein Kauf einer Ware mit digitalen Elementen i.S.v. § 475b BGB vor. Gleiches gilt für ein Kfz ohne zentrale Steuerungseinheit, weil es ohne CPU-Einheit (CPU steht für „Central Processing Unit“) nicht fahren kann. Es wird aber zahlreiche Konstellationen geben, in denen die Frage, ob die Ware ihre (Grund-)Funktionen auch ohne die digitalen Produkte erfüllen kann, nur schwer zu beantworten ist.

Liegt ein Vertrag vor, der in den Anwendungsbereich des § 475a II BGB fällt, taucht für den Rechtsanwender sogleich das nächste Problem auf: Welche Vorschriften sind auf ihn anzuwenden? Da ein „Verbrauchsgüterkaufvertrag über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit digitalen Produkten verbunden ist, dass die Ware ihre Funktionen auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann“, nicht unter die Definition der „Ware“ in Art. 2 Nr. 3 WKRL subsumiert werden kann, finden auf solche Verträge die (meisten) kaufrechtlichen Vorschriften keine unmittelbare Anwendung. Hier schafft § 475 II BGB Abhilfe und ordnet punktuell die entsprechende Anwendung einzelner Vorschriften an. Dabei führt § 475a II BGB zur Anwendbarkeit unterschiedlicher Gewährleistungsregime, je nachdem, ob ein Mangel der Ware selbst oder ein Mangel der enthaltenen oder verbundenen digitalen Produkte vorliegt: Während im ersten Fall die kaufrechtliche Gewährleistung einschließlich der Regelungen über das Verbrauchsgüterkaufrecht uneingeschränkt zur Anwendung gelangt, sind die kaufrechtlichen Vorschriften bei Mängeln der digitalen Produkte gemäß § 475a II 1 BGB weitgehend ausgeschlossen; stattdessen sind gemäß § 475a II 2 BGB die §§ 327 ff. BGB anwendbar (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2069).

Ein richtig glückliches Gesicht wirst Du jetzt sicher kaum machen (können). Klar, das sind neue Begriffe. Und vor allem kennst Du ja auch noch nicht die §§ 327 ff. BGB. Das macht Dir das Leben an dieser Stelle nicht gerade einfach. Wird aber besser, wenn wir uns die §§ 327 ff. BGB gemeinsam angesehen haben. 

9. Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen, §§ 475b, 475c BGB

Und nun zu § 475b und § 475c BGB. Die können wir uns „in einem Abwasch“ zu Gemüte führen. Aber selbstverständlich trotzdem schön der Reihe nach. Werfen wir also zunächst einmal einen Blick auf § 475b BGB:

§ 475b Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen
(1) Für den Kauf einer Ware mit digitalen Elementen (§ 327a Absatz 3 Satz 1), bei dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt, gelten ergänzend die Regelungen dieser Vorschrift. Hinsichtlich der Frage, ob die Verpflichtung des Unternehmers die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen umfasst, gilt § 327a Absatz 3 Satz 2.
(2) Eine Ware mit digitalen Elementen ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang und in Bezug auf eine Aktualisierungspflicht auch während des Zeitraums nach Absatz 3 Nummer 2 und Absatz 4 Nummer 2 den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen, den Montageanforderungen und den Installationsanforderungen entspricht.
(3) Eine Ware mit digitalen Elementen entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn

  1. sie den Anforderungen des § 434 Absatz 2 entspricht und
  2. für die digitalen Elemente die im Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierungen während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums bereitgestellt werden.

(4) Eine Ware mit digitalen Elementen entspricht den objektiven Anforderungen, wenn

  1. sie den Anforderungen des § 434 Absatz 3 entspricht und
  2. dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des Zwecks der Ware und ihrer digitalen Elemente sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrags erwarten kann, Aktualisierungen bereitgestellt werden, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind, und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird.

(5) Unterlässt es der Verbraucher, eine Aktualisierung, die ihm gemäß Absatz 4 bereitgestellt worden ist, innerhalb einer angemessenen Frist zu installieren, so haftet der Unternehmer nicht für einen Sachmangel, der allein auf das Fehlen dieser Aktualisierung zurückzuführen ist, wenn

  1. der Unternehmer den Verbraucher über die Verfügbarkeit der Aktualisierung und die Folgen einer unterlassenen Installation informiert hat und
  2. die Tatsache, dass der Verbraucher die Aktualisierung nicht oder unsachgemäß installiert hat, nicht auf eine dem Verbraucher bereitgestellte mangelhafte Installationsanleitung zurückzuführen ist.

(6) Soweit eine Montage oder eine Installation durchzuführen ist, entspricht eine Ware mit digitalen Elementen

  1. den Montageanforderungen, wenn sie den Anforderungen des § 434 Absatz 4 entspricht, und
  2. den Installationsanforderungen, wenn die Installation
    a) der digitalen Elemente sachgemäß durchgeführt worden ist oder
    b) zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Installation durch den Unternehmer noch auf einem Mangel der Anleitung beruht, die der Unternehmer oder derjenige übergeben hat, der die digitalen Elemente bereitgestellt hat.

Derart lange Vorschriften sind ähnlich attraktiv wie Haare auf dem Rücken. Mögen nur die wenigsten. Geht uns nicht anders. Aber sie sind nun mal – ebenso wie die Rückenhaare – gelegentlich vorzufinden. Anders als bei Rückenhaaren kann man die Normen aber nicht einfach auszupfen. Sie gehören unabänderlich dazu. Also stellen wir uns auch dieser Herausforderung.

Fangen wir mal klein an und fragen uns zunächst ganz grundsätzlich, worum es in § 475b BGB eigentlich geht. Die Vorschrift enthält ergänzende Regelungen für den Verbrauchsgüterkauf einer Ware mit digitalen Elementen. Nach der Legaldefinition in § 327a III 1 BGB sind unter „Waren mit digitalen Elementen“ solche Waren zu verstehen, die in einer Weise digitale Produkte (vgl. § 327 I 1 BGB) enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktionen ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen können. 

§ 475b I 1 BGB ordnet die Anwendung der in § 475b II – VI BGB geregelten Vorschriften an für den Fall, dass sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt. Hinsichtlich der Frage, ob die Verpflichtung des Unternehmers die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen umfasst, gilt nach § 475b I 2 BGB die Regelung des § 327a III 2 BGB. Danach ist beim Kauf einer Ware mit digitalen Elementen im Zweifel anzunehmen, dass die Verpflichtung des Verkäufers die Bereitstellung der digitalen Inhalte oder digitalen Dienstleistungen (also der digitalen Produkte, § 327 I 1 BGB) umfasst. Der Inhalt des Kaufvertrags ist durch Auslegung zu ermitteln. Diese Auslegung hat unter Berücksichtigung von § 327a III 2 BGB zu erfolgen (Hk-BGB/Schulze, 11. Aufl. 2022, § 327b Rn. 7). § 327a III 2 BGB ist also als Auslegungsregel zu verstehen. 

In § 475b II – IV BGB findet sich sodann ein spezieller Sachmangelbegriff für Waren mit digitalen Elementen. Diese Regelungen sind in Wortlaut und Systematik stark an § 434 BGB angelehnt. Zentrales Element ist die (dauerhafte) Aktualisierungspflicht der bereitzustellenden digitalen Elemente sowohl im Rahmen des subjektiven als auch des objektiven Fehlerbegriffs (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070). Durch die fortlaufende Aktualisierungspflicht erhält der Kaufvertrag über Waren mit digitalen Elementen zumindest auch den Charakter eines Dauerschuldverhältnisses. Der Verkäufer schuldet allerdings nur funktionserhaltende Aktualisierungen und Sicherheitsupdates, nicht hingegen funktionserweiternde Updates (BT-Drucks. 19/27424, S. 33). Der Verkäufer muss die Kaufsache also nicht nachträglich besser machen, als sie zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs sein musste. Für die Frage, über welchen Zeitraum i.S.v. § 475b IV Nr. 2 BGB der Verbraucher Aktualisierungen erwarten darf, kommen dem Preis und der gewöhnlichen Lebensdauer der Ware entscheidende Bedeutung zu: Je höherwertig die Ware ist, desto länger darf mit Aktualisierungen gerechnet werden (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2070). Ebenfalls bedeutsam ist die übliche Nutzungs- und Verwendungsdauer („life-cycle“) von Waren der gleichen Art (BT-Drucks. 19/27424, S. 33).

Und nun zu § 475c BGB. Diese Vorschrift ergänzt die Regelung in § 475b BGB für den Fall, dass beim Kauf einer Ware mit digitalen Elementen eine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente über einen bestimmten oder unbestimmten Zeitraum vereinbart ist. Sie hat folgenden Wortlaut:

§ 475c Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen bei dauerhafter Bereitstellung der digitalen Elemente
(1) Ist beim Kauf einer Ware mit digitalen Elementen eine dauerhafte Bereitstellung für die digitalen Elemente vereinbart, so gelten ergänzend die Regelungen dieser Vorschrift. Haben die Parteien nicht bestimmt, wie lange die Bereitstellung andauern soll, so ist § 475b Absatz 4 Nummer 2 entsprechend anzuwenden.
(2) Der Unternehmer haftet über die §§ 434 und 475b hinaus auch dafür, dass die digitalen Elemente während des Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Ablieferung der Ware, den Anforderungen des § 475b Absatz 2 entsprechen.

Eine „dauerhafte Bereitstellung“ liegt nach § 327e I 3 BGB vor, wenn der Unternehmer durch den Vertrag zu einer fortlaufenden Bereitstellung über einen Zeitraum verpflichtet ist. Als Beispiele hierfür dienen etwa Verkehrsdaten in einem Navigationssystem, die Cloud-Anbindung bei einer Spiele-Konsole oder eine Smartphone-App zur Nutzung verschiedener Funktionen i.V.m. einer Smartwatch (Kirchfelder-Lauber, JuS 2021, 918, 922; Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 56).

10. Dreiteilung des Sachmängelrechts

So jetzt ist es gleich geschafft. Die neuen Regelungen zum Kaufrecht kennst Du jetzt. Zur Abrundung wollen wir der Sahnetorte noch eine Kirsche aufsetzen. Fasst man nämlich das vorstehend Gelernte zusammen, so fällt einem auf, dass es für Verträge, die ab dem 01.01.2022 geschlossen worden sind, zu einer Dreiteilung des Sachmangelrechts kommt (hier und zum Folgenden: Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 77 f.). Das wollen wir uns mal zum Abschluss unserer gemeinsamen Befassungen mit dem „neuen“ Kaufrecht näher ansehen und mit einem schönen Schaubild festhalten.

▪ Beim Kaufvertrag über einfache analoge Kaufgegenstände bestimmt sich die Sachmangelfreiheit allein nach § 434 BGB. Gleiches gilt für Kaufverträge (auch) über digitale Elemente, die kein Verbrauchervertrag („B2C“) sind, also für Verträge zwischen Unternehmern („B2B“), zwischen Verbrauchern („C2C“) und Kaufverträge, bei denen der Verbraucher Verkäufer und der Unternehmer Käufer ist („C2B“).

▪ Auf Verbrauchsgüterkaufverträge über Waren mit digitalen Elementen, bei denen die Ware in einer Weise digitale Produkte (vgl. § 327 I 1 BGB) enthält oder mit ihnen verbunden ist, dass die Ware ihre Funktion ohne diese digitalen Produkte nicht erfüllen kann (§ 327a III 1 BGB), gilt § 434 BGB, ergänzt um die Spezialregelungen in §§ 475b, 475c BGB. 

▪ Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über Waren mit digitalen Elementen ohne eine solche qualifizierte Verbindung zwischen Kaufsache und digitalen Elementen findet § 434 BGB nur hinsichtlich der Ware selbst Anwendung. Die Mangelfreit der digitalen Elemente richtet sich gemäß § 327a II 2 BGB nach den §§ 327 ff. BGB.

Grafik zur Darstellung der Dreiteilung des Sachmängelrechts

Das war Teil 3 zu den aktuellen (klausurrelevanten) Gesetzesänderungen. Im 4. und letzten Teil beschäftigen wir uns dann mit den neuen Vorschriften zum Vertrag über digitale Produkte und sonstigen Änderungen im BGB und UWG.