Neues Kaufrecht und Vertrag über digitale Produkte: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen (Teil 2/4)

Neues Kaufrecht und Vertrag über digitale Produkte: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen (Teil 2/4)

Teil 2: Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen im allgemeinen Kaufrecht

Nachdem wir uns im ersten Teil einen allgemeinen Überblick verschafft und die mit den Gesetzesänderungen verbundenen europäischen Richtlinien besprochen haben, schauen wir uns im zweiten Teil die konkreten Änderungen im allgemeinen Kaufrecht an. Dich erwarten hier die folgenden Themen:

II. Neue Vorschriften im allgemeinen Kaufrecht

  1. Neuer Sachmangelbegriff ( § 434 BGB n.F.)
    a) Subjektive Anforderungen
    b) Objektive Anforderungen
    c) Montageanforderungen
    d) Aliud-Lieferung
  2. Ergänzungen zum Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB)
  3. Änderungen im Lieferantenregress (§§ 445a, 445b, 445c, 478 BGB)
    a) § 445a BGB n.F.
    b) § 445b BGB n.F.
    c) § 478 BGB n.F.
    d) § 445c BGB n.F.

II. Neue Vorschriften im allgemeinen Kaufrecht

Die Auswirkungen der WKRL auf das allgemeine Kaufrecht sind überschaubar. Sie betreffen eine Neuregelung des Sachmangels (§ 434 BGB), kleinere Modifikationen des Nacherfüllungsanspruchs (§ 439 BGB) und einige Änderungen beim Verkäuferregress (§§ 445a, 445b, 445c BGB). Schauen wir uns das mal gemeinsam an.

1. Neuer Sachmangelbegriff (§ 434 BGB n.F.)

Legen wir los mit § 434 BGB. Der regelt auch weiterhin den Sachmangelbegriff, allerdings mit zahlreichen Abweichungen von der bisherigen Rechtslage. Das Gute ist: Die Norm ist sehr schön strukturiert, Du kannst sie von oben nach unten durchprüfen. Am Kopf der Regelung steht § 434 I BGB mit folgendem Wortlaut:

§ 434 Sachmangel
(1) Die Sache ist frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht.
[…]

Ein Sachmangel liegt also schon dann vor, wenn auch nur eine von gleich mehreren Anforderungen an die Sache nicht erfüllt ist. § 434 I BGB ordnet diese Anforderungen in drei Kategorien: 

  • subjektive Anforderungen, 
  • objektive Anforderungen 
  • und Montageanforderungen.

 

Wirklich neu ist dabei vor allem, dass diese Kategorien gleichrangig sind. Anders als nach bisheriger Rechtslage gibt es kein Stufenverhältnis mehr, sondern einen Gleichrang von subjektivem und objektivem Fehlerbegriff. Das klingt revolutionär, ist es aber im Bereich des allgemeinen Kaufrechts deshalb nicht, weil es den Parteien auch nach neuer Rechtslage unbenommen bleibt, durch eine sogenannte negative Beschaffenheitsvereinbarung zu Lasten des Käufers von dem objektiven Qualitätsstandard abzuweichen (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2065 f.). Das folgt insbesondere aus § 434 III BGB. Danach gelten die objektiven Anforderungen an die Kaufsache nämlich nur, „soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde“.

Der Hinweis auf die „Wirksamkeit“ einer solchen Vereinbarung zwischen den Kaufvertragsparteien deutet aber bereits an, dass es Verkäufern nicht in allen Konstellationen gestattet ist, durch entsprechende Abrede mit dem Käufer eine geringere als die objektiv zu erwartende Qualität der Kaufsache festzulegen. Im Verbrauchsgüterkaufrecht ist eine solche negative Beschaffenheitsvereinbarung nur unter den strengen Voraussetzungen des § 476 I 2 BGB „wirksam“. Darauf gehen wir später nochmal gesondert ein, wenn wir bei den neuen Vorschriften zum Verbrauchsgüterkauf und dort speziell bei § 476 BGB n.F. angelangt sind.

a) Subjektive Anforderungen

In Bezug auf den subjektiven Fehlerbegriff ergeben sich keine Änderungen zum bisherigen Rechtszustand (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2066). Dies folgt aus § 434 II 1 BGB, der nun folgenden Wortlaut hat:

§ 434 Sachmangel
[…]
(2) Die Sache entspricht den subjektiven Anforderungen, wenn sie

  1. die vereinbarte Beschaffenheit hat, 
  2. sich für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet und 
  3. mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen, einschließlich Montage- und Installationsanleitungen, übergeben wird.

[…]

Zu der vereinbarten Beschaffenheit der Kaufsache i.S.v. § 434 II Nr. 1 BGB gehören nach § 434 II 2 BGB

  • Art,
  • Menge,
  • Qualität,
  • Funktionalität,
  • Kompatibilität,
  • Interoperabilität
  • und sonstige Merkmale der Sache, für die die Parteien Anforderungen vereinbart haben.

Viele Begriffe, die zum Teil neu und nicht wirklich selbsterklärend sind. Schauen wir da mal etwas genauer hin:

Mit der „Funktionalität“ ist nach Art.  2 Nr. 9 WKRL die Fähigkeit der Waren gemeint, ihre Funktionen ihrem Zweck entsprechend zu erfüllen. Das sollte man in der Tat von einer Kaufsache erwarten dürfen.

Mit der „Kompatibilität“ ist nach Art. 2 Nr. 5 WKRL die Fähigkeit der Waren gemeint, mit der Hardware oder Software zu funktionieren, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden, ohne dass die Waren, die Hardware oder die Software verändert werden müssen (Art.  2 Nr. 8 WKRL). Oha, schon schwieriger, ein Beispiel: Man stelle sich etwa den Kauf eines Aufladekabels für ein ganz bestimmtes Mobiltelefon vor. Das sollte passen und sich auch dazu eignen, den konkreten Akku wieder aufzuladen. Na ja, eigentlich doch nicht so schwer, wenn man sich einfach mal den Wortsinn von „kompatibel“ vor Augen führt. Das heißt ja so viel wie „verträglich“ oder „zusammenpassend“.

Aber führe Dir bitte klar vor Augen: Wir befinden uns gerade bei den subjektiven Anforderungen. Da muss es also schon einen Bezug zum konkreten Einzelfall und den besonderen Vereinbarungen der Parteien geben. Möchte der Käufer einfach nur „ein“ Aufladekabel haben und sagt er dem Verkäufer nicht, für welches konkrete Mobiltelefon er es verwenden möchte, dann kann er dem Verkäufer hinterher auch nicht vorwerfen, dass es in sein konkretes Handy nicht passt, also mit diesem nicht „kompatibel“ ist. 

Die größte Verwirrung schafft der Begriff der „Interoperabilität“Er soll nachArt.  2 Nr. 10 WKRL die Fähigkeit der Waren meinen, mit einer anderen Hardware oder Software zu funktionieren als derjenigen, mit der Waren derselben Art in der Regel benutzt werden. Aha. Heißt bitte was konkret? Es soll bei diesem schillernden Begriff vor allem um Qualitätsanforderungen an das „Internet der Dinge“ („Internet of Things“ – IoT) gehen, also z. B. um die Fähigkeit von Smartphones, Smart-Home-Geräten und virtuellen Assistenten (z. B. Alexa, Siri), untereinander zu kommunizieren und Daten auszutauschen (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2066). Darauf kommt man nun wirklich kaum selbst beim Lesen des Gesetzestextes. 

b) Objektive Anforderungen

Die objektiven Anforderungen an die Kaufsache sind in § 434 III 1 BGB geregelt:

§ 434 Sachmangel
[…]
(3) Soweit nicht wirksam etwas anderes vereinbart wurde, entspricht die Sache den objektiven Anforderungen, wenn sie 

  1. sich für die gewöhnliche Verwendung eignet, 
  2. eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung 
    a) der Art der Sache und 
    b) der öffentlichen Äußerungen, die von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette oder in deren Auftrag, insbesondere in der Werbung oder auf dem Etikett, abgegeben wurden, 
  3. der Beschaffenheit einer Probe oder eines Musters entspricht, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat, und 
  4. mit dem Zubehör einschließlich der Verpackung, der Montage- oder Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben wird, deren Erhalt der Käufer erwarten kann.

[…]

Zu der üblichen Beschaffenheit nach § 434 III 1 Nr. 2 BGB gehören nach § 434 III 2 BGB Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich ihrer Haltbarkeit, Funktionalität, Kompatibilität und Sicherheit.

Durch die Inbezugnahme der „Haltbarkeit“ soll allerdings keine Haltbarkeitsgarantie begründet werden, sondern die Haltbarkeit wird lediglich als eine Fähigkeit der Kaufsache festgelegt, welche zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs gegeben sein muss; der Verkäufer haftet also ohne rechtsgeschäftliche Haltbarkeitsgarantie nicht dafür, dass die Kaufsache ihre Funktionen und ihre Haltbarkeit nach Gefahrübergang behält (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2066). Dies kann im Einzelfall dazu führen, dass Gewährleistungsansprüche des Käufers bereits vor dem Ablauf des zu erwartenden „Haltbarkeitszeitraums“ verjähren (Wilke, VuR 2021, 283, 284).

Öffentliche Äußerungen können die objektiven Anforderungen an die Kaufsache ebenfalls beeinflussen. Nach § 434 III 3 BGB ist der Verkäufer durch öffentliche Äußerungen allerdings nicht gebunden, wenn er sie nicht kannte und auch nicht kennen konnte, wenn die Äußerung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses in derselben oder in gleichwertiger Weise berichtigt war oder wenn die Äußerung die Kaufentscheidung nicht beeinflussen konnte. Ob mit „kennen konnte“ dasselbe gemeint sein soll wie mit „kennen musste“ (§ 122 II BGB), ist unklar. In „gleichwertiger Weise“ berichtigt ist eine öffentliche Äußerung dann, wenn sie mit demselben Wirkungsgrad berichtigt wird (Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 16).

c) Montageanforderungen

Mit den Montageanforderungen beschäftigt sich § 434 IV BGB. Die Vorschrift hat folgenden Wortlaut:

§ 434 Sachmangel
[…]
(4) Soweit eine Montage durchzuführen ist, entspricht die Sache den Montageanforderungen, wenn die Montage 

  1. sachgemäß durchgeführt worden ist oder 
  2. zwar unsachgemäß durchgeführt worden ist, dies jedoch weder auf einer unsachgemäßen Montage durch den Verkäufer noch auf einem Mangel in der vom Verkäufer übergebenen Anleitung beruht.

[…]

Du wirst Dich sicher noch an die alte Rechtslage erinnern. Nach § 434 II BGB a.F. war ein Sachmangel auch dann gegeben, wenn die vereinbarte Montage durch den Verkäufer oder dessen Erfüllungsgehilfen unsachgemäß durchgeführt worden ist oder wenn bei einer zur Montage bestimmten Sache die Montageanleitung mangelhaft war, es sei denn, die Sache ist dennoch fehlerfrei montiert worden. Sachliche Änderungen im Vergleich zu dieser Vorgängervorschrift sind mit der Neufassung nicht beabsichtigt (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2066). Es bleibt also alles beim Alten.

d) Aliud-Lieferung

§ 434 V BGB befasst sich mit der sog. Aliud-Lieferung. Werfen wir zunächst einen Blick auf den Wortlaut:

§ 434 Sachmangel
[…]
(5) Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

Klingt weder neu noch schwer. Ist es auch nicht. Wer ein Fahrrad liefern soll, kann den Vertrag nicht durch Hergabe eines Mopeds erfüllen. Das leuchtet ein. Aber soll ein Moped wirklich als mangelhaftes Fahrrad angesehen werden und soll der Käufer wirklich seinen Erfüllungsanspruch – mit Regelverjährung gemäß §§ 195, 199 BGB – verlieren und stattdessen (nur) einen Nacherfüllungsanspruch haben, der der kürzeren Verjährungsfrist nach § 438 BGB unterliegt?

Das war schon nach alter Rechtslage umstritten und bleibt es wohl auch nach neuer Rechtslage. Es geht dabei um die Frage, ob die Gleichstellung von Falschlieferung und Schlechtlieferung allein die Gattungsschuld oder auch die Stückschuld erfasst (hierzu Hk-BGB/Saenger, 11. Aufl. 2022, § 434 Rn. 37). Geändert hat sich diese Streitfrage nicht und der neue Gesetzeswortlaut gibt auch keinen Anlass, sie anders zu beantworten. Du kannst also auf das zur alten Rechtslage Gelernte zurückgreifen und Fälle, die sich mit diesem Thema befassen, genauso lösen wie zuvor. Und dass ein Moped ein mangelhaftes Fahrrad sein soll, überzeugt nach wie vor nicht. Also würde man dem Käufer in einem solchen Fall weiterhin einen kaufvertraglichen Erfüllungsanspruch aus § 433 I 1 BGB zugestehen und nicht nur einen Nacherfüllungsanspruch aus §§ 437 Nr. 1, 439 BGB.

Etwas anderes ist aber wirklich neu. § 434 III BGB a.F. hatte folgenden Wortlaut:

„Einem Sachmangel steht es gleich, wenn der Verkäufer eine andere Sache oder eine zu geringe Menge liefert.“

Der zweite Fall, also die Lieferung einer zu geringen Menge, taucht in § 434 V BGB n.F. nicht mehr auf. Soll also etwa nach neuem Recht kein Sachmangel mehr vorliegen, wenn der Verkäufer dem Käufer 100 Tennisbälle schuldet und lediglich 90 liefert? Nein, natürlich nicht. Die Zuweniglieferung – auch „Quantitätsmangel“ genannt, ist jetzt in § 434 II 2 BGB und damit bei den subjektiven Anforderungen an die Kaufsache geregelt.

Anderer Ort, gleiches Ergebnis: Der Sachmangel ist zu bejahen. Aber Obacht! Eine Differenzierung zwischen offener und verdeckter Mankolieferung findet im Gesetzeswortlaut weiterhin nicht statt (Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 20). Es sprechen gute Gründe dafür, auch nach neuem Recht eine zum Sachmangel und damit zum kaufrechtlichen Gewährleistungsrecht führende Zuweniglieferung nur dann anzunehmen, wenn der Verkäufer aus Sicht des Käufers mit der Mindermenge seine ganze Verbindlichkeit erfüllen will – das nennt man versteckte Zuweniglieferung – , nicht aber dann, wenn er dem Käufer die Zuweniglieferung offenbart; denn im letztgenannten Fall kann der Käufer die unzulässige Teilleistung gemäß § 266 BGB zurückweisen und auf eine Lieferung der gesamten vertraglich vereinbarten Menge bestehen (Weiß, ZVertriebsR 2021, 208, 214).

So, mehr gibt es dann zum neuen § 434 BGB auch nicht zu sagen. Und damit haben wir dann auch schon das zweite Schaubild mit Inhalt gefüllt. Es sieht wie folgt aus:

Grafik zur Darstellung des neuen Sachmangelbegriffes

2. Ergänzungen zum Nacherfüllungsanspruch (§ 439 BGB)

Die Regelung in § 439 BGB zum Nacherfüllungsanspruch des Käufers ist von den Gesetzesänderungen ebenfalls betroffen. Diese Änderungen sind aber sehr überschaubar. Zur schnellen Erfassung, was sich im Vergleich zur Vorgängervorschrift geändert hat, haben wir Dir die Änderungen textlich hervorgehoben:

§ 439 Nacherfüllung
(1) Der Käufer kann als Nacherfüllung nach seiner Wahl die Beseitigung des Mangels oder die Lieferung einer mangelfreien Sache verlangen.
(2) Der Verkäufer hat die zum Zwecke der Nacherfüllung erforderlichen Aufwendungen, insbesondere Transport-, Wege-, Arbeits- und Materialkosten zu tragen.
(3) Hat der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, bevor der Mangel offenbar wurde, ist der Verkäufer im Rahmen der Nacherfüllung verpflichtet, dem Käufer die erforderlichen Aufwendungen für das Entfernen der mangelhaften und den Einbau oder das Anbringen der nachgebesserten oder gelieferten mangelfreien Sache zu ersetzen. § 442 Absatz 1 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass für die Kenntnis des Käufers an die Stelle des Vertragsschlusses der Einbau oder das Anbringen der mangelhaften Sache durch den Käufer tritt.
(4) Der Verkäufer kann die vom Käufer gewählte Art der Nacherfüllung unbeschadet des § 275 Abs. 2 und 3 verweigern, wenn sie nur mit unverhältnismäßigen Kosten möglich ist. Dabei sind insbesondere der Wert der Sache in mangelfreiem Zustand, die Bedeutung des Mangels und die Frage zu berücksichtigen, ob auf die andere Art der Nacherfüllung ohne erhebliche Nachteile für den Käufer zurückgegriffen werden könnte. Der Anspruch des Käufers beschränkt sich in diesem Fall auf die andere Art der Nacherfüllung; das Recht des Verkäufers, auch diese unter den Voraussetzungen des Satzes 1 zu verweigern, bleibt unberührt.
(5) Der Käufer hat dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen.
(6) Liefert der Verkäufer zum Zwecke der Nacherfüllung eine mangelfreie Sache, so kann er vom Käufer Rückgewähr der mangelhaften Sache nach Maßgabe der §§ 346 bis 348 BGB verlangen. [bisher Absatz 5] Der Verkäufer hat die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen.

Werfen wir zunächst einen Blick auf die Änderungen in § 439 III BGB. Die WKRL schreibt in ihrem Art. 14 III eine Verpflichtung des Verkäufers zum Ersatz von Aus- und Wiedereinbaukosten im Zuge der Nacherfüllung vor (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2066 f.). Allerdings überlässt es die Richtlinie den einzelnen Mitgliedsstaaten, ob sie eine direkte Verpflichtung des Verkäufers zur Vornahme von Aus- und Wiedereinbau normieren oder lediglich die Tragung der dafür erforderlichen Kosten anordnen. Der deutsche Gesetzgeber hatte sich bereits bei der Umsetzung entsprechender Vorgaben des EuGH zum 01.01.2018 für eine Kostenübernahmepflicht des Verkäufers entschieden. Daran hat er in der Neufassung des § 439 III BGB festgehalten. 

Um dem Wortlaut des Art. 14 III WKRL gerecht zu werden, hat der deutsche Gesetzgeber § 439 III 2 BGB a.F. mit dem darin enthaltenen Verweis auf § 442 I BGB gestrichen und stattdessen in den Gesetzeswortlaut eingefügt, dass die Verpflichtung des Verkäufers zur Kostentragung nur dann besteht, wenn der Käufer die mangelhafte Sache gemäß ihrer Art und ihrem Verwendungszweck in eine andere Sache eingebaut oder an eine andere Sache angebracht, „bevor der Mangel offenbar wurde“. Was genau unter dem Begriff „offenbar“ zu verstehen ist, lässt sich weder der WKRL noch dem BGB entnehmen. Da nicht ausgeführt wird, dass der Mangel gerade dem Käufer offenbar werden muss, scheint eine objektivierte Sichtweise geboten zu sein. Abzustellen ist auf die Erkenntnismöglichkeit eines Durchschnittskäufers und die Frage, ob sich die Mangelhaftigkeit der Sache einem solchen geradezu aufdrängen musste. Dies wird man bejahen können, wenn der Mangel sich körperlich an der Sachsubstanz des Kaufgegenstandes manifestiert und zum relevanten Zeitpunkt des Einbaus für einen Durchschnittskunden objektiv erkennbar ist (Hoffmann, NJW 2021, 2839, 2843 ff.; Langkamp, Das neue Schuldrecht 2022, 1. Aufl. 2022, S. 22). Dies dürfte nahezu deckungsgleich mit dem zuvor geltenden Kriterium der groben Fahrlässigkeit in § 442 I 2 BGB sein. Auch insoweit gilt also: Die Änderungen in § 439 III BGB sind überschaubar.

Werfen wir nun einen Blick auf § 439 V BGB. Danach hat der Käufer dem Verkäufer die Sache zum Zweck der Nacherfüllung zur Verfügung zu stellen. Dadurch soll der Verkäufer in die Lage versetzt werden, die Kaufsache daraufhin zu untersuchen, ob sie tatsächlich mangelhaft ist, und ggf. die vom Käufer gewählte Nachbesserung vornehmen zu können (BT-Drucks. 19/27424, S. 27). Damit ist nunmehr – in Umsetzung von Art. 14 II 1 WKRL – ausdrücklich geregelt, was der BGH zumindest im Ergebnis bereits zuvor zur alten Rechtslage vertreten hatte. Ein kleiner Unterschied liegt aber im Detail:

Der BGH hatte zur alten Rechtslage eine Obliegenheit des Käufers angenommen, dem Verkäufer die mangelhafte Sache am Erfüllungsort der Nacherfüllungsverpflichtung zur Untersuchung zur Verfügung zu stellen (BGH, Urt. v. 10.03.2010 – VIII ZR 310/08, Rn. 12). § 439 V BGB n.F. ist hingegen als Rechtspflicht des Käufers zu verstehen (BT-Drucks. 19/27424, S. 26; a. A. Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067, Rn. 15: weiterhin Obliegenheit). Dem Verkäufer steht demgemäß eine Einrede aus § 273 BGB gegen den Nacherfüllungsanspruch des Käufers zu. Erhebt er sie, ist der Nacherfüllungsanspruch so lange nicht durchsetzbar, wie der Käufer dem Verkäufer die Sache vorenthält. Da die Durchsetzbarkeit des Nacherfüllungsanspruchs ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal von § 281 I 1 BGB und § 323 I BGB (und damit auch von § 441 BGB: „Statt zurückzutreten“) ist, sind die sekundären Käuferrechte, also Rücktritt, Minderung und Schadensersatz (sowohl statt der Leistung als auch wegen Verspätung der Nacherfüllung) ebenfalls ausgeschlossen. Die Kosten der Zurverfügungstellung hat der Verkäufer zu tragen (§ 439 II BGB). Beim Verbrauchsgüterkauf kann der Käufer vom Verkäufer dafür nach § 475 IV BGB einen Vorschuss verlangen.

Und nun zu § 439 VI BGB. Dessen Satz 1 entspricht wortlautgleich dem § 439 V BGB a.F. Neu ist die Regelung in § 439 VI 2 BGB, derzufolge der Verkäufer die ersetzte Sache auf seine Kosten zurückzunehmen hat. Bislang wurde eine Pflicht des Verkäufers zur Rücknahme auf eigene Kosten nur dann angenommen, wenn der Käufer daran ein berechtigtes Interesse hat (Wilke, VuR 2021, 283, 289). Nunmehr ist die Rücknahmeverpflichtung des Verkäufers ohne eine solche Einschränkung geregelt (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067).

So, und das waren dann auch schon die Änderungen im „neuen“ Nacherfüllungsanspruch nach § 439 BGB. Fassen wir auch die in einem Schaubild zusammen:

Grafik zur Darstellung des neuen Nacherfüllungsanspruches

3. Änderungen im Lieferantenregress (§§ 445a, 445b, 445c, 478 BGB)

Ein dritter und letzter Bereich im allgemeinen Kaufrecht, den der deutsche Gesetzgeber in Umsetzung der WKRL „anpacken“ musste, betrifft den Lieferantenregress. Der Rückgriff des Verkäufers in der Lieferkette ist weiterhin in §§ 445a, 445b BGB geregelt. § 478 BGB enthält wie bisher ergänzende Sonderbestimmungen für den Rückgriff in der Lieferkette für den Fall, dass der letzte Kaufvertrag in der Kette ein Verbrauchsgüterkauf ist. Diese Vorschrift wollen wir uns wegen ihres Sachzusammenhangs gleich mit ansehen, obwohl sie aus dem Verbrauchsgüterkaufrecht stammt. Neu ist die Regelung in § 445c BGB.

Aber schön der Reihe nach:

a) § 445a BGB n.F.

§ 445a Rückgriff des Verkäufers
(1) Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hat (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2, 3 und 6 Satz 2 sowie nach § 475 Absatz 4 und 6 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Käufer vorhanden war oder auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Absatz 4 beruht.
[…]

§ 445a I BGB befasst sich wie bisher mit dem sogenannten selbständigen Regressanspruch des Verkäufers gegen seinen Lieferanten. Die Vorschrift ist lediglich redaktionell an die Änderungen des § 439 BGB angepasst und auf die nunmehr in § 439 VI 2 BGB normierten Rücknahmekosten erstreckt worden. Der Verweis auf § 475 VI BGB a.F. entfällt, weil diese Vorschrift im Zuge der Umsetzung der WKRL gestrichen wurde; inhaltlich ändert sich die Rechtslage dadurch allerdings nicht, weil der Vorschussanspruch nunmehr wortlautgleich in § 475 IV BGB vorzufinden ist. Neu ist, dass der selbständige Regressanspruch gemäß § 445a I BGB künftig auch dann besteht, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b IV BGB beruht. Ausschließlich auf einer Vereinbarung zwischen Verkäufer und Käufer beruhende Aktualisierungspflichten i.S.v. § 457b III Nr. 2 BGB wirken nicht gegenüber dem Lieferanten (Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067). Die Aktualisierungspflicht gemäß § 475b IV BGB trifft wegen des persönlichen und sachlichen Anwendungsbereichs dieser Vorschrift i.d.R. allein den Verkäufer im Verhältnis zum Verbraucher (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2067 f.). Der Regressanspruch des Verkäufers gegen seinen Lieferanten wird dann allein durch eine Pflichtverletzung des Verkäufers gegenüber dem Verbraucher ausgelöst. Der Lieferant haftet mit anderen Worten im Regress für die Verletzung einer Pflicht, die er selbst gegenüber seinem Vertragspartner nicht hat. Hintergrund dieser Regelung ist der Umstand, dass i.d.R. nur der Hersteller technisch und rechtlich in der Lage ist, Aktualisierungen anzubieten. Die Aktualisierungsverpflichtung ist vor diesem Hintergrund nur dann effektiv, wenn sie durch die Lieferkette bis zum Hersteller weitergereicht werden kann (BT-Drucks. 19/27424, S. 27). Ob dies aber wirklich über § 445a I BGB, der den Lieferanten lediglich zum Ersatz von Aufwendungen und nicht zur Durchführung der Aktualisierungen verpflichtet, erreicht werden kann, ist zweifelhaft.

Für den besseren Überblick möchten wir auch zu § 445a I BGB ein Schaubild festhalten, auch wenn der gar nicht so furchtbar viel Neues enthält:

Grafik zur Darstellung des selbständigen Regressanspruches des Verkäufers

b) § 445b BGB n.F.

§ 445b Verjährung von Rückgriffsansprüchen
(1) Die in § 445a Absatz 1 bestimmten Aufwendungsersatzansprüche verjähren in zwei Jahren ab Ablieferung der Sache.
(2) Die Verjährung der in den §§ 437 und 445a Absatz 1 bestimmten Ansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten wegen des Mangels einer verkauften neu hergestellten Sache tritt frühestens zwei Monate nach dem Zeitpunkt ein, in dem der Verkäufer die Ansprüche des Käufers erfüllt hat. Diese Ablaufhemmung endet spätestens fünf Jahre nach dem Zeitpunkt, in dem der Lieferant die Sache dem Verkäufer abgeliefert hat.
[…]

Auch an § 445b BGB wurde leicht „herumgeschraubt“. § 445b I BGB regelt weiterhin die – von § 438 BGB nicht erfasste – Verjährung des selbständigen Regressanspruchs gemäß § 445a I BGB (hier und zum Folgenden: Lorenz, NJW 2021, 2065, 2068). § 445b II BGB enthält – auch das ist nicht neu – eine Ablaufhemmung sowohl für den Regress nach § 445a I BGB als auch für den unselbständigen Regress, also die allgemeinen, in § 437 BGB aufgezählten und durch § 445a II BGB in Bezug auf das Fristsetzungserfordernis modifizierten Gewährleistungsansprüche des Verkäufers gegen seinen Lieferanten. Neu ist nur, dass die bislang in § 445b II 2 BGB a.F. geregelte Höchstgrenze der Ablaufhemmung von fünf Jahren nach Ablieferung der Sache vom Lieferanten an den Verkäufer gestrichen wurde. Das wollen wir schlicht zur Kenntnis nehmen.

c) § 478 BGB n.F.

Wenden wir uns der Neufassung des § 478 BGB zu und schauen uns erst einmal den neuen Wortlaut der Vorschrift an:

§ 478 Sonderbestimmungen für den Rückgriff des Unternehmers
[…]
(2) Auf eine vor Mitteilung eines Mangels an den Lieferanten getroffene Vereinbarung, die zum Nachteil des Unternehmers von Absatz 1 sowie von den §§ 433 bis 435, 437, 439 bis 443, 445a Absatz 1 und 2 sowie von den §§ 445b, 475b und 475c abweicht, kann sich der Lieferant nicht berufen, wenn dem Rückgriffsgläubiger kein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. Satz 1 gilt unbeschadet des § 307 nicht für den Ausschluss oder die Beschränkung des Anspruchs auf Schadensersatz. Die in Satz 1 bezeichneten Vorschriften finden auch Anwendung, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden.
[…]

Es gibt also lediglich marginale redaktionelle Änderungen des Gesetzeswortlauts. In § 478 II BGB finden sich Einschränkungen der Dispositivität der allgemeinen Mängelrechte des Unternehmers sowie der Regressregelungen der §§ 445a I, II, 445b, 478 I BGB, wenn es sich bei dem letzten Kaufvertrag in der Lieferkette um einen Verbrauchsgüterkaufvertrag handelt. 

Schadensersatzansprüche können auch weiterhin ausgeschlossen werden, wobei bei einem Ausschluss in AGB § 307 BGB – die §§ 308, 309 BGB gelten gemäß § 310 I BGB nur mittelbar – zu beachten ist. Nacherfüllung, Rücktritt und Minderung können nur ausgeschlossen werden, wenn dem Letztverkäufer ein gleichwertiger Ausgleich eingeräumt wird. § 478 II 1 BGB n.F. erstreckt diese Einschränkungen der Dispositivität auf Vereinbarungen, die von den Neuregelungen in den §§ 475b, 475c BGB abweichen. Das wollen wir jetzt erst einmal unkommentiert hinnehmen. Die §§ 475b, 475c BGB in ihrer neuen Gesetzesfassung wollen wir erst noch kennenlernen. Aber nicht hier und jetzt, sondern später. Wir sind ja noch im allgemeinen Kaufrecht unterwegs. Zum Recht des Verbrauchsgüterkaufs kommen wir noch.

d) § 445c BGB n.F.

Vorher schauen wir uns aber erst noch den neuen § 445c BGB an. Der begegnet uns mit folgendem Wortlaut:

§ 445c Rückgriff bei Verträgen über digitale Produkte
Ist der letzte Vertrag in der Lieferkette ein Verbrauchervertrag über die Bereitstellung digitaler Produkte nach den §§ 327 und 327a, so sind die §§ 445a, 445b und 478 nicht anzuwenden. An die Stelle der nach Satz 1 nicht anzuwendenden Vorschriften treten die Vorschriften des Abschnitts 3 Titel 2a Untertitel 2.

Bei Verträgen über digitale Produkte gelten also die mit Wirkung zum 01.01.2022 – in Umsetzung der DIRL – neu eingeführten §§ 327 ff. BGB. Was das im Einzelnen bedeutet, kannst Du natürlich erst verstehen, wenn Du auch diese weiteren neuen Vorschriften kennengelernt hast. Alles auf einmal geht aber nicht, und deshalb sparen wir uns das für später auf. Keine Sorge, die §§ 327 ff. BGB vermitteln wir Dir auch noch.

Das war Teil 2 zu den aktuellen (klausurrelevanten) Gesetzesänderungen. Im 3. Teil beschäftigen wir uns dann mit den neuen Vorschriften im Verbrauchsgüterkauf.

Die wichtigsten klausurrelevanten Änderungen zum neuen Kaufrecht kannst Du Dir ausserdem auch ganz entspannt in unserem Crashkurs anschauen:

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