Drei spannende Entscheidungen zu nachbarschaftlichen Streitigkeiten und möglichen Klausur-Konstellationen

Drei spannende Entscheidungen zu nachbarschaftlichen Streitigkeiten und möglichen Klausur-Konstellationen

Dauergäste vor Gericht und in Klausuren: Streitende Nachbarn

Streit unter Nachbarn: Enges Zusammenleben kann zu Konflikten führen. In diesen drei Entscheidungen geht es um ein sieben Meter hohes Holzkreuz, einen glühenden Borussia Dortmund Fan und Gartenzwerge, die den Mittelfinger zeigen.

Worum geht es?

Konflikte können in allen möglichen Situationen im Leben entstehen: Auf der Arbeit, beim Spazierengehen im Park oder beim Einkaufen. Als Nährboden für rechtliche Auseinandersetzungen dient auch oft die Nachbarschaft. Wir stellen Dir drei spannende Entscheidungen vor, die auch bereits in ähnlichen Konstellationen in Klausuren geprüft wurden. Es geht um ein sieben Meter hohes Kreuz, einen glühenden Fußball-Fan und Gartenzwerge mit obszönen Gesten.

AG Düsseldorf: Kreuz muss entfernt werden

Jüngst musste das Amtsgericht Düsseldorf einen Streit zwischen zwei Nachbarinnen entscheiden. Der Streit fand hier allerdings nicht klassisch über den Gartenzaun statt – die beiden Frauen sind Eigentümerinnen einer eigenen Wohnung in einem Mehrfamilienhaus, zu dem ein Garten gehört. Für diesen hatte die Beklagte ein Sondernutzungsrecht. Und das nutzte sie: In dem Garten errichtete sie ein sieben Meter hohes Kreuz aus Holz mitsamt Beleuchtung, das auf einem Betonfundament fußt. 

Doch das mit Leuchtketten umhangene Kreuz sorgte für Ärger, die Klägerin wollte es beseitigt haben, da sie sich insbesondere Nachts von der Beleuchtung gestört fühle und nicht gut schlafen könne. Sie zog vor das AG Düsseldorf. Ihr Anwalt führte aus, dass – bei allem Verständnis für die Religionsfreiheit – in diesem Fall die Grenze aufgrund des Vertretbaren klar überschritten sei. Die Beklagte brachte zwar vor, dass ihre Nachbarin dem Kreuz im Garten zugestimmt habe, doch dies wurde von der Klägerin bestritten.

Das Gericht gab dem Beseitigungsanspruch (§ 1004 BGB) statt, da es eine rechtswidrige Eigentumsbeeinträchtigung darstelle. Diese müsse von der Klägerin nicht geduldet werden, da es nicht zur üblichen Gartengestaltung gehöre. Vielmehr sei es ein Nachteil für das geordnete Zusammenleben der Parteien. Die Beklagte muss das sieben Meter hohe Kreuz mitsamt dem Betonfundament entfernen und den ursprünglichen Zustand des Gartens wiederherstellen.

Aufbau der Prüfung - § 1004 BGB
Klausurrelevante Lerneinheit

„Oh Borussia“: BVB-Fan darf Fahne weiter hissen

Nachbarschaftsstreitigkeiten müssen aber nicht ausschließlich vor den Zivilgerichten ausgetragen werden. Auch in verwaltungsrechtlichen Konstellationen kann es zu solchen Konflikten kommen, wie es der nächste Fall eindrucksvoll zeigt. Eine Entscheidung, die sich gut für eine Klausur eignet: Ein Sachverhalt „mitten aus dem Leben“ kombiniert mit dem Prüfungsklassiker „Nachbarschutz im Baurecht“.

Der glühende Fan F von Borussia Dortmund bewohnt ein Haus in der Stadt Hemer. In seinem Garten hat er einen 5 Meter hohen Fahnenmast stehen, an dem die schwarz-gelbe Borussia-Fahne weht. Sein Nachbar N hat sein Grundstück ca. 11 Meter von der Fahne entfernt und fühlt sich von dieser gestört. Er verlangte von der Stadt Hemer, bauaufsichtlich gegen die Fahne einzuschreiten und umgehend die Beseitigung der Fahne zu veranlassen: Sie sei dauerhaft sichtbar und würde bei Wind störende Geräusche erzeugen. Und: Da der Fußballverein ein börsennotiertes Unternehmen sei, handele es sich um eine Werbeanlage, die im Wohngebiet einen Störfaktor darstelle. Als die Stadt Hemer ablehnte, erhob N Klage vor dem VG Arnsberg.

Als Anspruchsgrundlage kam dabei § 61 I 2 der Landesbauordnung NRW in Betracht. Danach muss die Bauaufsichtsbehörde nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass unter anderem bei der Errichtung und Nutzung baulicher Anlagen die öffentlich-rechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Doch das VG Arnsberg lehnte im Rahmen der zulässigen Verpflichtungsklage einen solchen Anspruch des N gegen die Stadt Hemer ab. Der Fahnenmast stelle eine zulässige Nebenanlage im Sinne von § 14 BauNVO dar. Außerdem stelle er keinen Verstoß gegen das Gebot der Rücksichtnahme dar, aus dem ein Abwehranspruch eines Nachbarn entstehen könnte und die Borussia-Fahne sei auch keine verbotene Werbeanlage.

Du willst mehr dazu erfahren, wieso die Fahne vielmehr ein Zeichen innerer Verbundenheit sei? Die klausurorientierte Urteilsbesprechung kannst Du Dir hier anschauen:

Der Fall lief außerdem nahezu identisch bereits in einer Examensklausur in Niedersachsen.

AG Grünstadt: Mittelfinger-Gartenzwerg muss beseitigt werden

Abschließend wollen wir Dir noch eine skurrile Entscheidung aus dem Nachbarrecht aus dem Jahr 1994 vorstellen. Wir sind wieder im Zivilrecht, haben aber einen kleinen strafrechtlichen Einschlag: Es ging um provozierende Gartenzwerge, die Mittelfinger-Gesten in Richtung des Nachbars Garten zeigten.

Die Parteien wohnten in aneinander gebauten Häusern, die einen gemeinsamen Zugang zur Straße hatten. Das nachbarschaftliche Verhältnis sei bereits seit einiger Zeit „auf das Äußerste angespannt“ gewesen, wie es in der Entscheidung heißt. Um seinem Ärger Luft zu machen, stellte der Beklagte mehrere Gartenzwerge auf, die er selbst herstellte. Doch es waren keine üblichen Dekorationen, sondern sogenannte „Frustzwerge“ mit untypischen Posen und Gesten. Der eine zeigte den Mittelfinger, ein anderer beugte sich mit heruntergelassener Hose nach vorne, andere streckten die Zunge raus oder zeigten einen „Vogel“. Ein anderer wurde sogar an einem Baum im Garten „erhängt“. Die Zwerge waren alle so ausgerichtet, dass sie vom Eingangsbereich des Nachbarn stets sichtbar waren. Dieser den Zwergen ausgesetzte Nachbar zog vor Gericht und klagte auf Beseitigung der noch vorhandenen Zwerge und auf Unterlassung dergleichen Maßnahmen in der Zukunft.

Das AG Grünstadt gab dem Abwehr- bzw. Beseitigungsanspruch aus § 1004 I BGB in Verbindung mit § 823 I BGB statt, da sie das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers rechtswidrig beeinträchtigten. Die Posen und Gesten der Zwerge würden – „trotz ihres zweifellos künstlerischen Wertes“ – eine grobe Beleidigung darstellen, was nach Überzeugung des Gerichts auch so beabsichtigt sei. Zwar seien die Zwerge isoliert betrachtet „zweifellos witzig“ – doch nicht in ihrer Verwendungsart.

Der Beklagte brachte vor Gericht vor, dass es ihm gestattet sein müsse, seinen Frust gegenüber dem Kläger auch in solch spezieller Weise loszuwerden. Doch ein solches Argument sei der Rechtsordnung fremd, entschied das AG. Frust dürfe selbstverständlich abgebaut werden, doch nicht in diesem Sinne, dass dies durch Ehrverletzungen oder Beleidigungen des Gegenübers geschehen dürfe. Solche Verhaltensweisen seien dann nicht nur in strafrechtlicher Hinsicht als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB zu werten, sondern auch als rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts.

Aufbau der Prüfung - Beleidigung, § 185 StGB
Klausurrelevante Lerneinheit

Abschließend konnte sich der Beklagte auch nicht mit der Berufung auf seine Kunstfreiheit wehren. Diese finde, so das Gericht, ihre Grenzen dort, wo das allgemeine Persönlichkeitsrecht des anderen verletzt werde. 

Schaue Dir hier die (prüfungs-) relevanten Lerninhalte oder weiterführenden Beiträge zu diesem Thema an:

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