Wie schreibe ich ein Zivilurteil - Die Widerklage -Teil 2

Wie schreibe ich ein Zivilurteil - Die Widerklage -Teil 2

A. Einleitung

Zuletzt haben wir uns mit dem Umgang mit einer Widerklage in einem Zivilurteil beschäftigt. Heute soll es um die besondere Konstellation der Drittwiderklage gehen. Eine solche liegt immer dann vor, wenn es an der Parteiidentität zwischen Kläger/Widerbeklagter einerseits und Beklagter/Widerkläger andererseits fehlt und sich die Widerklage damit gegen einen bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten richtet. Man unterscheidet zwei Varianten:

Bei der streitgenössischen (oder parteierweiternden) Drittwiderklage erhebt der Beklagte die Widerklage gegen den Kläger und einen bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten, so dass diese eine Streitgenossenschaft im Sinne der §§ 59 ff. ZPO bilden. Diese Variante ist häufig in Verkehrsunfallkonstellationen anzutreffen. Sie kann beispielsweise vorkommen, wenn der beklagte Halter eines Fahrzeugs sich mit seiner Widerklage gegen den klagenden Halter des gegnerischen Fahrzeugs und dessen Haftpflichtversicherer (§ 115 I 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG) richtet. Hier haften beide als Gesamtschuldner (§ 115 I 4 VVG), weswegen sie in Rechtsgemeinschaft im Sinne von § 59 Alt. 1 ZPO stehen und eine (einfache) Streitgenossenschaft bilden.

Bei der isolierten Drittwiderklage hingegen richtet sich die Widerklage ausschließlich gegen einen bislang nicht am Rechtsstreit beteiligten Dritten.

B. Die Drittwiderklage im Zivilurteil

Auch bei der Drittwiderklage ist im Rubrum darauf zu achten, dass die Parteien mit allen Parteirollen – sowohl im Hinblick auf die Klage als auch im Hinblick auf die Widerklage – aufgeführt werden. Bei der streitgenössischen Drittwiderklage, bei der der Kläger und ein Dritter widerverklagt werden, können der Kläger beispielsweise als „Kläger und Widerbeklagter zu 1)“ und der Dritte als „Widerbeklagter zu 2)“ bezeichnet werden. Bei der isolierten Drittwiderklage hingegen ist ausschließlich der Dritte der Widerbeklagte, so dass (nur) er als „Widerbeklagter“ oder „Drittwiderbeklagter“ zu bezeichnen. In der Klausur kann man sich an der im Protokoll gewählten Parteibezeichnung orientieren. In jedem Fall ist der Beklagte auch als „Widerkläger“ aufzuführen.

Zur Erinnerung: Im Übrigen, also im Tenor, Tatbestand und in den Entscheidungsgründen spricht man hingegen nur von der ursprünglichen Parteirolle, also von „Kläger“ und „Beklagter“. Da der Dritte nur eine Parteibezeichnung hat, ist diese selbstverständlich auch ansonsten im Urteil zu verwenden.

Im Tenor ist auch bei der Drittwiderklage auf eine ausdrückliche Differenzierung zwischen Klage und Widerklage zu achten, um die Reichweite der Rechtskraft des Urteils zweifellos bestimmen zu können. Bei der streitgenössischen Drittwiderklage bilden die Widerbeklagten (Kläger und Dritter) eine Streitgenossenschaft, weswegen bei der Tenorierung deren Besonderheiten zu beachten sind. So kommt beispielsweise eine gesamtschuldnerische Haftung in Betracht, die im Tenor auszudrücken ist

„Auf die Widerklage werden der Kläger und der Widerbeklagte zu 2) als Gesamtschuldner verurteilt, an den Beklagten 10.000 Euro zu zahlen.“.

Auch ist bei der Kostengrundentscheidung die besondere Kostenvorschrift bei Streitgenossen des § 100 ZPO zu beachten. Ansonsten bestehen keine Besonderheiten gegenüber dem Tenor einer „normalen“ Widerklage. Das gilt auch für die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit (§§ 708 ff. ZPO), bei der aber besonders darauf zu achten ist, dass alle Vollstreckungsverhältnisse identifiziert und „abgearbeitet“ werden.

Bei der Abfassung des Tatbestandes kann man sich an den in Teil 1 des Beitrags bereits dargestellten Regeln für die Widerklage orientieren und dabei zwischen dem „Einheitsaufbau“ und dem „Trennungsaufbau“ unterscheiden. Darüber hinaus gehende Besonderheiten für die Drittwiderklage bestehen nicht.

In den Entscheidungsgründen werden grundsätzlich zunächst Zulässigkeit und Begründetheit der Klage und erst im Anschluss Zulässigkeit und Begründetheit der Drittwiderklage abgehandelt. Die Zulässigkeitsprüfung der Drittwiderklage entspricht dabei zunächst derjenigen der Widerklage.

Dabei sind aber folgende Besonderheiten zu beachten:

Im Rahmen der Prüfung der örtlichen Zuständigkeit kann sich die Frage nach der Anwendung des § 33 ZPO stellen. Zunächst besteht Einigkeit, dass § 33 ZPO auf die Drittwiderklage keine unmittelbare Anwendung findet, weil § 33 ZPO eine anhängige Klage voraussetzt und eine solche im Verhältnis zwischen Beklagten und Dritten im Zeitpunkt der Erhebung der Drittwiderklage nicht besteht; ein Widerkläger muss ein Beklagter und ein Widerbeklagter ein Kläger sein. Daher kommt nur eine analoge Anwendung von § 33 ZPO in Betracht. Diese hat der BGH im Jahr 2010 ausdrücklich für die isolierte Drittwiderklage bejaht (Beschl. vom 30.9.2010 – Xa ARZ 191/10).  Das Bedürfnis, zusammenhängende Ansprüche einheitlich zu verhandeln und zu entscheiden, um eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt und die damit einhergehende Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden, bestehe auch und gleichermaßen in diesen Fällen. Für die streitgenössische Drittwiderklage hat der BGH die Frage seitdem noch nicht ausdrücklich beantwortet. In der Literatur wird eine analoge Anwendung des § 33 ZPO zum Teil mit der Erwägung abgelehnt, dass die ZPO einen Gerichtsstand des Sachzusammenhangs nicht kenne. Die (wohl) herrschende Meinung bejaht eine analoge Anwendung des § 33 ZPO hingegen auch auf die streitgenössische Drittwiderklage (so etwa BayObLG, Beschl. v. 12.3.2019 – 1 AR 10/19).

Weil es bei der Drittwiderklage begrifflich an der Parteiidentität fehlt, kann eine Drittwiderklage nur unter besonderen Voraussetzungen zulässig sein. Bei der streitgenössischen Drittwiderklage wird dieses Merkmal durch die Voraussetzungen einer nachträglichen gewillkürten Parteierweiterung ersetzt. Danach müssen die Voraussetzungen einer Streitgenossenschaft zwischen Kläger und Drittem vorliegen (§§ 59 ff. ZPO sowie § 260 ZPO analog, da die subjektive Klagehäufung zugleich zu einer objektiven Klagehäufung führt). Da es sich dabei nach der Rechtsprechung des BGH um eine Klageänderung handelt („Klageänderungstheorie“), müssen zugleich die Voraussetzungen der §§ 263 ff. ZPO vorliegen (Einwilligung des Drittwiderbeklagten, rügeloses Einlassen des Drittwiderbeklagten oder Sachdienlichkeit). Häufig wird sich die Zulässigkeit der Klageänderung in diesen Konstellationen jedenfalls aus deren Sachdienlichkeit (§ 263 Alt. 2 ZPO) ergeben.

Die isolierte Drittwiderklage, die sich ausschließlich gegen einen bislang am Rechtsstreit nicht beteiligten Dritten richtet, ist hingegen grundsätzlich unzulässig. Der BGH erkennt die Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage unter dem Gesichtspunkt der Prozessökonomie nur unter engen Voraussetzungen an. Dabei greift er auf den Zweck der Widerklage zurück, die eine Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen über einen einheitlichen Lebenssachverhalt vermeiden und eine gemeinsame Verhandlung und Entscheidung über zusammengehörende Ansprüche ermöglichen soll. Danach ist eine isolierte Drittwiderklage ausnahmsweise nur dann zulässig, wenn die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng verletzt werden. Diese Voraussetzungen hat der BGH in erster Linie in sogenannten „Zessionsfällen“ bejaht (Beispiel nach BGH, Urt. vom 13.3.2007 – VI ZR 129/06: Der nicht an einem Unfall beteiligte Kläger klagt aus abgetretenem Recht auf Schadensersatz wegen eines Verkehrsunfalls. Der Beklagte erhebt seinerseits eine isolierte Drittwiderklage gegen seinen Unfallgegner, den Zedenten der Klageforderung.). Hier ergibt sich die Zulässigkeit der isolierten Drittwiderklage auch aus dem Gedanken des Schuldnerschutzes und den Wertungen der §§ 404 ff. BGB.

C. Fazit

Die Widerklage gehört zu den Standardkonstellationen im Assessorexamen und sollte sicher beherrscht werden.