ZR I - Dezember 2015 - Hamburg/NRW

Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)

B möchte während seines Urlaubs einige Eigenleistungen an seinem
 Privathaus vornehmen. Dazu benötigt er eine Transportbank für den 
Bauschutt. Ein befreundeter Unternehmer U ist bereit ihm (also B) ein 
Profi-Transportband unentgeltlich zu überlassen, da während dieser Zeit 
bei U Betriebsferien sind. Bei Abholung weist U den B umfassend in die 
Bedienung des Transportbandes ein. B verspricht dieses auch an die Helfer 
auf der Baustelle und seine Ehefrau F weiterzugeben. Bei der Einweisung 
vergisst U infolge leichter Fahrlässigkeit B darüber zu unterrichten,
 dass eine Sicherung an dem Transportband defekt ist. Diese Sicherung
 verhindert das Zusammenklappen des Transportbandes während des Betriebs. 
B baut das Transportband in seinem Haus auf und kann dabei nicht 
erkennen, dass diese Sicherung defekt ist. Als F Bauschutt auf das
 Transportband lädt, klappt sich dieses zusammen. Infolge dessen erleidet
 F schwerste Verletzungen.

Als die bewusstlose F schließlich im Krankenhaus ist, stellt der Arzt A 
fest, dass F in diesem Krankenhaus nicht ausreichend behandelt werden
 kann. Daher beschließt A, dass F in das 200 km entfernte
 Universitätsklinikum verlegt werden soll, ein Landtransport ist jedoch 
ausgeschlossen. Daraufhin ruft A den Unternehmer H an, der Transporte 
per Helikopter anbietet. A beauftragt H im Namen der F. Dabei erkennt A
 jedoch nicht, dass F in dem 50 km entfernten Spezialklinikum besser 
aufgehoben wäre. Dieser Transport würde 3000 € kosten.
 Als F wieder zu sich kommt und bei Bewusstsein ist, erklärt ihr A, dass F nichts mit dem Transport zu tun hätte; dies wäre eine Angelegenheit 
der Versicherung. F brauche sich keine Sorgen bzgl. der Kosten machen. F
 wird sodann von H in die 200 km entfernte Universitätsklinik geflogen.
 Dabei geht H davon aus, dass er von F beauftragt wurde und schickt ihr
 daraufhin eine Rechnung über 12.500 €. F weigert sich diese zu bezahlen,
 da sie der Ansicht ist, dass kein Vertrags zwischen H und ihr zustande 
gekommen sei. H ist der Meinung, dass ein Vertrag bestehen würde und
 immerhin hat F den Transport in Anspruch genommen. Zumindest müsse sie die 3000 € leisten.

Frage 1: Hat F gegen Unternehmer U einen Anspruch – für die tatsächlich
 entstandenden- Heilbehandlungskosten?


Frage 2: Welche Ansprüche hat H gegen F?

Abwandlung

H verkauft zahlreiche Forderungen - darunter auch die Forderung gegen F - an
 den Forderungskäufer X und tritt diese ihm gegenüber ab. X trägt das
 gesamte Risiko. Der Kaufpreis wird auf 6000 € festgelegt. Eine
 Abtretungsanzeige, die H zugegangen ist, geht infolge mangelhafter
 Aktenführung bei H verloren. H hält sich daher weiter an F.
 H und F vereinbaren, dass mit Zahlung von 2.500 € die Forderung des H 
erlassen wird. 
Nach Zahlung der 2.500 € von F an H, wendet sich X an F und verlangt 
Zahlung. F weigert sich.

Frage 3: Unterstellt H habe gegen F einen Anspruch in Höhe von 3.000 € 
vor Zahlung der 2.500 € von F. Welche Ansprüche hat X gegen H?

Bearbeitungsvermerk: Versicherungsrechtliche Ansprüche und übergegangene 
Ansprüche auf die Versicherung sind nicht zu berücksichtigen.

 

Unverbindliche Lösungsskizze

Frage 1: F gegen U auf Ersatz der Heilbehandlungskosten

A. § 600 BGB (i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte)

I. Leihvertrag, § 598 BGB

  1. F-B (-)

  2. B-U

(+); Arg.: keine bloße Gefälligkeit

  1. Einbeziehung der F (VSD)

a) Leistungsnähe der F (+)

b) Einbeziehungsinteresse des B (+)

c) Erkennbarkeit von a) und b) für U (+)

d) Schutzbedürftigkeit der F

(+); Arg.: F hat keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen U

II. Fehler

Hier: Sicherung am Transportband defekt

III. Arglist des U (-)

IV. Ergebnis: § 600 BGB (-)

B. § 280 I BGB

I. Anwendbarkeit

(-); Arg.: § 600 BGB regelt die Haftung des Verleihers für Fehler an der Leihsache abschließend (lex specialis).

II. Ergebnis: § 280 I BGB (-)

C. § 823 I BGB

I. Rechtsgutsverletzung

Hier: Leib

II. Verletzungsverhalten

Hier: Herausgabe des Transportbandes ohne Hinweis auf defekte Sicherung

III. Zurechnung

  1. Kausalität (+)

  2. Adäquanz (+)

  3. Zurechnungszusammenhang

-> Bei Unterlassen: Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht

Hier: Verletzung der Pflicht, auf Gefahren hinzuweisen, die von dem entliehenen gefährlichen Gegenstand ausgehen.

IV. Rechtswidrigkeit (+)

V. Verschulden

  • Grundsatz: Haftung für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit, § 276 BGB

  • Ausnahme: Haftungsprivilegierung

  • Problem: Anwendbarkeit des § 599 BGB auch im Deliktsrecht

  • aA: (-); Arg.: Wortlaut

  • hM: (+); Arg.: Wertungswiderspruch

VI. Ergebnis: § 823 I BGB (-)

D. § 823 II BGB; §§ 229, 13 StGB

I. Verstoß gegen Schutzgesetz

Hier: §§ 229, 13 StGB

II. Rechtswidrigkeit (+)

III. Verschulden

(-); Arg.: § 599 BGB (s.o.)

IV. Ergebnis: § 823 II BGB, §§ 229, 13 StGB (-)

 

Frage 2: H gegen F auf Zahlung von 12.500 bzw. 3.000 Euro

A. § 631 BGB

I. Einigung

-> Abgrenzung: § 611 BGB

-> Stellvertretung durch A

  1. Eigene Willenserklärung des A (+)

  2. Im fremden Namen (+)

  3. Im Rahmen der Vertretungsmacht

a) Rechtsgeschäftlich (-)

b) Gesetzlich (-)

c) Rechtsschein (-)

d) Genehmigung der F, § 177 BGB

aa) Genehmigung gegenüber A

Hier: wohl konkludente Genehmigung

bb) Wirksamkeit

Hier: Verweigerung der Genehmigung ggü. H führt zur Unwirksamkeit der evtl. ggü. A erklärten Genehmigung, § 177 II BGB.

II. Ergebnis: § 631 BGB (-)

B. §§ 683 S. 1, 670 BGB

I. Fremdes Geschäft

Hier: objektiv fremdes Geschäft; Arg.: Beförderung ins Krankenhaus im Interessenkreis des F.

II. Fremdgeschäftsführungswille

  • Problem: Nichtige Verträge

  • aA: (+); Arg.: Vermutungsregel bei (objektiv) fremden Geschäften

  • aA: (-); Arg.: subjektive Zielrichtung ist die eigene Vertragserfüllung; §§ 812 ff. BGB lex specialis bei Rückabwicklung gescheiterter Verträge

III. Ergebnis: §§ 683 S. 1, 670 BGB (-)

(Wer – vertretbar – den Fremdgeschäftsführungswillen bejaht, musste bei dem Prüfungspunkt „Berechtigung“ diskutieren, ob der Transport willens-bzw. interessengemäß war, und dann wohl zu einer unberechtigten GoA gem. §§ 684 S. 1, 812 ff. BGB kommen.)

C. §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB

I. Etwas erlangt

Hier: Beförderung bzw. ersparte Aufwendungen

II. Durch Leistung des H (+)

III. Ohne Rechtsgrund

(+); Arg.: Werkvertrag nichtig (s.o.)

IV. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten

-> Wertersatz, § 818 II BGB

  • Problem: Sichtweise (bei aufgedrängter Bereicherung)

  • aA: subjektiv aus Sicht des Empfängers -> 3.000 Euro

  • aA: objektiv; aber: Entreicherung, § 818 III BGB; Arg: insoweit niemals bereichert/Luxusaufwendungen -> 3.000 Euro

V. Ergebnis: §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB (-)

 

Frage 3: Ansprüche X gegen H

A. § 280 I BGB

I. Schuldverhältnis

Hier: §§ 433, 453 BGB

II. Pflichtverletzung

Hier: Entgegennahme von 2.500 Euro und Abschluss eines Erlassvertrages gem. § 397 BGB trotz Verkaufs der Forderung an X.

III. Vertretenmüssen, § 276 BGB

(+); Arg.: H hätte wissen müssen, dass die Forderung verkauft war.

IV. Rechtsfolge: Schadensersatz

-> Differenzhypothese

  • Bzgl. der Entgegennahme von 2.500 Euro beträgt der Schaden 2.500 Euro;Arg.: F wird durch Zahlung an H – aufgrund des Schuldnerschutzes gem. § 407 I 1. Fall BGB - im Verhältnis zu X von Verpflichtung frei

  • Bzgl. des Erlassvertrages i.H.v. 500 Euro beträgt der Schaden 500 Euro;Arg.: § 407 I 2. Fall BGB

IV. Ergebnis: (+), i.H.v. 3.000 Euro

B. §§ 687 II, 678 BGB

I. Fremdes Geschäft

(+); Arg.: Geltendmachung der Forderung obliegt allein dem Forderungsinhaber X

II. Eigengeschäftsführungswille des H (+)

III. Bösgläubigkeit des H

(-); Arg.: Vorgang wohl nur „aus den Augen verloren“

IV. Ergebnis: §§ 687 II, 678 BGB (-)

C. § 816 II BGB

I. Leistung an einen Nichtberechtigten

  1. Nichtberechtigung des H

(+); Arg.: H nicht Forderungsinhaber

  1. Leistung F an H (+)

II. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten

  1. Berechtigung des X

(+); Arg.: Wirksame Abtretung H an X, § 398 BGB

  1. Wirksamkeit gegenüber X

(+); Arg.: § 407 I 1. Fall BGB (s.o.)

III. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten

IV. Ergebnis: (+), i.H.v. 2.500 Euro

 

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