Sachverhalt (beruht auf einem Gedächtnisprotokoll)
B möchte während seines Urlaubs einige Eigenleistungen an seinem Privathaus vornehmen. Dazu benötigt er eine Transportbank für den Bauschutt. Ein befreundeter Unternehmer U ist bereit ihm (also B) ein Profi-Transportband unentgeltlich zu überlassen, da während dieser Zeit bei U Betriebsferien sind. Bei Abholung weist U den B umfassend in die Bedienung des Transportbandes ein. B verspricht dieses auch an die Helfer auf der Baustelle und seine Ehefrau F weiterzugeben. Bei der Einweisung vergisst U infolge leichter Fahrlässigkeit B darüber zu unterrichten, dass eine Sicherung an dem Transportband defekt ist. Diese Sicherung verhindert das Zusammenklappen des Transportbandes während des Betriebs. B baut das Transportband in seinem Haus auf und kann dabei nicht erkennen, dass diese Sicherung defekt ist. Als F Bauschutt auf das Transportband lädt, klappt sich dieses zusammen. Infolge dessen erleidet F schwerste Verletzungen.
Als die bewusstlose F schließlich im Krankenhaus ist, stellt der Arzt A fest, dass F in diesem Krankenhaus nicht ausreichend behandelt werden kann. Daher beschließt A, dass F in das 200 km entfernte Universitätsklinikum verlegt werden soll, ein Landtransport ist jedoch ausgeschlossen. Daraufhin ruft A den Unternehmer H an, der Transporte per Helikopter anbietet. A beauftragt H im Namen der F. Dabei erkennt A jedoch nicht, dass F in dem 50 km entfernten Spezialklinikum besser aufgehoben wäre. Dieser Transport würde 3000 € kosten. Als F wieder zu sich kommt und bei Bewusstsein ist, erklärt ihr A, dass F nichts mit dem Transport zu tun hätte; dies wäre eine Angelegenheit der Versicherung. F brauche sich keine Sorgen bzgl. der Kosten machen. F wird sodann von H in die 200 km entfernte Universitätsklinik geflogen. Dabei geht H davon aus, dass er von F beauftragt wurde und schickt ihr daraufhin eine Rechnung über 12.500 €. F weigert sich diese zu bezahlen, da sie der Ansicht ist, dass kein Vertrags zwischen H und ihr zustande gekommen sei. H ist der Meinung, dass ein Vertrag bestehen würde und immerhin hat F den Transport in Anspruch genommen. Zumindest müsse sie die 3000 € leisten.
Frage 1: Hat F gegen Unternehmer U einen Anspruch – für die tatsächlich entstandenden- Heilbehandlungskosten?
Frage 2: Welche Ansprüche hat H gegen F?
Abwandlung
H verkauft zahlreiche Forderungen - darunter auch die Forderung gegen F - an den Forderungskäufer X und tritt diese ihm gegenüber ab. X trägt das gesamte Risiko. Der Kaufpreis wird auf 6000 € festgelegt. Eine Abtretungsanzeige, die H zugegangen ist, geht infolge mangelhafter Aktenführung bei H verloren. H hält sich daher weiter an F. H und F vereinbaren, dass mit Zahlung von 2.500 € die Forderung des H erlassen wird. Nach Zahlung der 2.500 € von F an H, wendet sich X an F und verlangt Zahlung. F weigert sich.
Frage 3: Unterstellt H habe gegen F einen Anspruch in Höhe von 3.000 € vor Zahlung der 2.500 € von F. Welche Ansprüche hat X gegen H?
Bearbeitungsvermerk: Versicherungsrechtliche Ansprüche und übergegangene Ansprüche auf die Versicherung sind nicht zu berücksichtigen.
Unverbindliche Lösungsskizze
Frage 1: F gegen U auf Ersatz der Heilbehandlungskosten
A. § 600 BGB (i.V.m. den Grundsätzen des Vertrages mit Schutzwirkung für Dritte)
I. Leihvertrag, § 598 BGB
F-B (-)
B-U
(+); Arg.: keine bloße Gefälligkeit
- Einbeziehung der F (VSD)
a) Leistungsnähe der F (+)
b) Einbeziehungsinteresse des B (+)
c) Erkennbarkeit von a) und b) für U (+)
d) Schutzbedürftigkeit der F
(+); Arg.: F hat keine eigenen vertraglichen Ansprüche gegen U
II. Fehler
Hier: Sicherung am Transportband defekt
III. Arglist des U (-)
IV. Ergebnis: § 600 BGB (-)
B. § 280 I BGB
I. Anwendbarkeit
(-); Arg.: § 600 BGB regelt die Haftung des Verleihers für Fehler an der Leihsache abschließend (lex specialis).
II. Ergebnis: § 280 I BGB (-)
C. § 823 I BGB
I. Rechtsgutsverletzung
Hier: Leib
II. Verletzungsverhalten
Hier: Herausgabe des Transportbandes ohne Hinweis auf defekte Sicherung
Kausalität (+)
Adäquanz (+)
Zurechnungszusammenhang
-> Bei Unterlassen: Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht
Hier: Verletzung der Pflicht, auf Gefahren hinzuweisen, die von dem entliehenen gefährlichen Gegenstand ausgehen.
IV. Rechtswidrigkeit (+)
V. Verschulden
Grundsatz: Haftung für Vorsatz und jede Fahrlässigkeit, § 276 BGB
Ausnahme: Haftungsprivilegierung
Problem: Anwendbarkeit des § 599 BGB auch im Deliktsrecht
aA: (-); Arg.: Wortlaut
hM: (+); Arg.: Wertungswiderspruch
VI. Ergebnis: § 823 I BGB (-)
D. § 823 II BGB; §§ 229, 13 StGB
I. Verstoß gegen Schutzgesetz
Hier: §§ 229, 13 StGB
II. Rechtswidrigkeit (+)
III. Verschulden
(-); Arg.: § 599 BGB (s.o.)
IV. Ergebnis: § 823 II BGB, §§ 229, 13 StGB (-)
Frage 2: H gegen F auf Zahlung von 12.500 bzw. 3.000 Euro
A. § 631 BGB
I. Einigung
-> Abgrenzung: § 611 BGB
-> Stellvertretung durch A
Eigene Willenserklärung des A (+)
Im fremden Namen (+)
Im Rahmen der Vertretungsmacht
a) Rechtsgeschäftlich (-)
b) Gesetzlich (-)
c) Rechtsschein (-)
d) Genehmigung der F, § 177 BGB
aa) Genehmigung gegenüber A
Hier: wohl konkludente Genehmigung
bb) Wirksamkeit
Hier: Verweigerung der Genehmigung ggü. H führt zur Unwirksamkeit der evtl. ggü. A erklärten Genehmigung, § 177 II BGB.
II. Ergebnis: § 631 BGB (-)
I. Fremdes Geschäft
Hier: objektiv fremdes Geschäft; Arg.: Beförderung ins Krankenhaus im Interessenkreis des F.
II. Fremdgeschäftsführungswille
Problem: Nichtige Verträge
aA: (+); Arg.: Vermutungsregel bei (objektiv) fremden Geschäften
aA: (-); Arg.: subjektive Zielrichtung ist die eigene Vertragserfüllung; §§ 812 ff. BGB lex specialis bei Rückabwicklung gescheiterter Verträge
III. Ergebnis: §§ 683 S. 1, 670 BGB (-)
(Wer – vertretbar – den Fremdgeschäftsführungswillen bejaht, musste bei dem Prüfungspunkt „Berechtigung“ diskutieren, ob der Transport willens-bzw. interessengemäß war, und dann wohl zu einer unberechtigten GoA gem. §§ 684 S. 1, 812 ff. BGB kommen.)
C. §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB
I. Etwas erlangt
Hier: Beförderung bzw. ersparte Aufwendungen
II. Durch Leistung des H (+)
III. Ohne Rechtsgrund
(+); Arg.: Werkvertrag nichtig (s.o.)
IV. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten
-> Wertersatz, § 818 II BGB
Problem: Sichtweise (bei aufgedrängter Bereicherung)
aA: subjektiv aus Sicht des Empfängers -> 3.000 Euro
aA: objektiv; aber: Entreicherung, § 818 III BGB; Arg: insoweit niemals bereichert/Luxusaufwendungen -> 3.000 Euro
V. Ergebnis: §§ 812 I 1 1. Fall, 818 II BGB (-)
Frage 3: Ansprüche X gegen H
A. § 280 I BGB
I. Schuldverhältnis
Hier: §§ 433, 453 BGB
II. Pflichtverletzung
Hier: Entgegennahme von 2.500 Euro und Abschluss eines Erlassvertrages gem. § 397 BGB trotz Verkaufs der Forderung an X.
III. Vertretenmüssen, § 276 BGB
(+); Arg.: H hätte wissen müssen, dass die Forderung verkauft war.
IV. Rechtsfolge: Schadensersatz
-> Differenzhypothese
Bzgl. der Entgegennahme von 2.500 Euro beträgt der Schaden 2.500 Euro;Arg.: F wird durch Zahlung an H – aufgrund des Schuldnerschutzes gem. § 407 I 1. Fall BGB - im Verhältnis zu X von Verpflichtung frei
Bzgl. des Erlassvertrages i.H.v. 500 Euro beträgt der Schaden 500 Euro;Arg.: § 407 I 2. Fall BGB
IV. Ergebnis: (+), i.H.v. 3.000 Euro
B. §§ 687 II, 678 BGB
I. Fremdes Geschäft
(+); Arg.: Geltendmachung der Forderung obliegt allein dem Forderungsinhaber X
II. Eigengeschäftsführungswille des H (+)
III. Bösgläubigkeit des H
(-); Arg.: Vorgang wohl nur „aus den Augen verloren“
IV. Ergebnis: §§ 687 II, 678 BGB (-)
I. Leistung an einen Nichtberechtigten
- Nichtberechtigung des H
(+); Arg.: H nicht Forderungsinhaber
- Leistung F an H (+)
II. Wirksamkeit gegenüber dem Berechtigten
- Berechtigung des X
(+); Arg.: Wirksame Abtretung H an X, § 398 BGB
- Wirksamkeit gegenüber X
(+); Arg.: § 407 I 1. Fall BGB (s.o.)
III. Rechtsfolge: Herausgabe des Erlangten
IV. Ergebnis: (+), i.H.v. 2.500 Euro
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- Vertrag mit Schutzwirkung für Dritte (VSD)
- Zurechnung
- Vertretenmüssen, §§ 276-278 BGB
- Echte, berechtigte GoA, §§ 677, 683 S. 1 BGB (Voraussetzungen)
- Problem - Fremdgeschäftsführungswille bei nichtigen Verträgen (Schwarzarbeiter-Fall) - Exkurs - Jura
- Schuldnerschutz, §§ 404, 406 ff. BGB
- Leistung an einen Nichtberechtigten, § 816 II BGB