Examensreport: StrR I 1. Examen im April 2014 in NRW

Hier eine kurze Zusammenfassung der strafrechtlichen Examensklausur:

Die H fesselt während eines Urlaubs in Italien ihren fetischistischen Ehemann mit dessen Einverständnis an das Bett. Als sie damit fertig war, fasst sie aus Eifersucht den Entschluss, ihren Ehemann zu töten, weil sie diesen kurz zuvor im Liebesspiel mit einer anderen (N) erwischt hatte. H erdrosselt ihren Ehemann.

Im Rahmen der Prüfung des Mordes nach §§ 211, 212 StGB war in dieser Examensklausur zunächst die Anwendbarkeit des deutschen Strafrechts zu problematisieren (§§ 3, 7 I StGB). Sodann war in der Examensklausur zu diskutieren, ob die H das Merkmal der Heimtücke erfüllt hat. Da das Merkmal der Heimtücke nur erfüllt ist, wenn die Wehrlosigkeit Folge der Arglosigkeit ist, dürfte hier näher liegen, das Merkmal der Heimtücke zu verneinen. Denn die Wehrlosigkeit des Ehemannes hatte ihren Grund in der einverständlichen Fesselung, und zwar zu einem Zeitpunkt, als die H noch keinen Tötungsvorsatz gefasst hatte. Im Rahmen der Prüfung subjektiver Mordmerkmale war in der Examensklausur sodann unter Würdigung sämtlicher Angaben des Sachverhalts zu prüfen, ob die H aus niederen Beweggründen handelte. Schließlich war in dieser Examensklausur eine Strafbarkeit der Tochter T zu prüfen. H hatte der T nämlich zuvor von der neuerlichen Eskapade des Ehemannes berichtet, worauf die T entgegnete:  “Mit ihm muss endgültig Schluss sein!” An dieser Stelle der Examensklausur galt es, sich ausgiebig mit der Frage auseinanderzusetzen, ob darin eine (versuchte) Anstiftung zu erblicken ist oder eine Strafbarkeit wegen fahrlässiger Tötung in Betracht kam.

Im weiteren Verlauf der Examensklausur bezichtigt die H die N gegenüber den italienischen Behörden des Mordes an ihrem Ehemann. Die Behörden reagieren auf das anonyme Schreiben aber nicht, weil sie ihm keinen Glauben schenken. Deutsche Behörden erfahren von den Vorfällen nichts.

In dieser Examensklausur galt es, im Rahmen der Prüfung des § 164 StGB die Frage aufzuwerfen, ob auch italienische Behörden taugliche Adressaten einer falschen Verdächtigung sein können. Dagegen spricht, dass von § 164 StGB nur die inländische Rechtspflege geschützt werden soll. Dafür spricht, dass nach h.M. § 164 StGB ein alternatives Schutzkonzept verfolgt: Neben der Rechtspflege soll auch der einzelne davor geschützt werden, das Opfer ungerechtfertigter staatlicher Maßnahmen zu werden.

Zurück in Deutschland wird die H ihrerseits Opfer einer Straftat. Der Freund C des Ehemannes will sich rächen und die H töten. Zu diesem Zweck lauert er der H auf und beschleunigt sein Fahrzeug auf eine hohe Geschwindigkeit, um H zu erfassen. Im letzten Moment kann H aber zur Seite springen. C bremst, legt den Rückwärtsgang ein und beschleunigt erneut. Er erfasst H, die reglos liegen bleibt. C glaubt, dass H tot sei. Kurz darauf steht H aber nur leicht verletzt auf und entfernt sich. C erkennt das, wird von Mitleid erfasst und beschließt, dass sich die Justiz der H annehmen soll und erstattet Anzeige.

In dieser Examensklausur waren zunächst §§ 315b I Nr. 3, III, 315 III Nr. 1a StGB zu prüfen und zu fragen, ob auch Vorgänge im fließenden Verkehr einen gefährlichen Eingriff in den Straßenverkehr darstellen können. An dieser Stelle der Examensklausur war auf die Rechtsprechung des BGH zu rekurrieren, wonach ein bewusst zweckwidriger Einsatz eines Fahrzeugs dann von  § 315b I Nr. 3 StGB erfasst sein kann, wenn der Täter mit wenigstens bedingten Schädigungsvorsatz handelt. Ein weiterer Schwerpunkt dieser Examensklausur lag in der Frage, ob C von dem Versuch des Mordes (Heimtücke? Rache als niederer Beweggrund?) oder des Totschlags strafbefreiend gemäß § 24 StGB zurückgetreten ist.

Im Rahmen der prozessualen Zusatzfrage der Examensklausur waren die Voraussetzungen eines Haftbefehls (§§ 112 ff. StPO) zu prüfen. In dieser Examensklausur galt es, sich mit den Voraussetzungen des Haftgrundes der Fluchtgefahr gemäß § 112 II Nr. 2 StPO auseinanderzusetzen und zu erkennen, dass auch im Anwendungsbereich des § 112 III StPO nicht gänzlich auf einen Haftgrund verzichtet wird. Eine verfassungskonforme Auslegung ergibt nämlich, dass auch hier Umstände vorliegen müssen, die die Gefahr begründen, dass die alsbaldige Aufklärung und Ahnung der Tat infrage gestellt wird, wenn der Beschuldigte nicht in Haft genommen wird.

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