Reicht ein Kürzel für eine wirksame Unterschrift im Testament?

Reicht ein Kürzel für eine wirksame Unterschrift im Testament?

Kaum ein Bereich des Zivilrechts ist so stark von Formvorschriften geprägt wie das Erbrecht. Gerade beim eigenhändigen Testament nach § 2247 BGB entscheiden oft kleinste Details darüber, ob der letzte Wille gültig ist oder nicht. Doch was gilt, wenn ein Erblasser aufgrund gesundheitlicher Schwäche seinen Namen nicht mehr vollständig schreiben kann und stattdessen nur eine Buchstabenkombination oder eine zittrige Linie hinterlässt?

Mit dieser Frage hatte sich das Oberlandesgericht Hamm (Beschl. v. 17. 02. 2025 – 10 W 115/24) zu befassen. Die Ehefrau eines verstorbenen Mannes wollte ein Testament durchsetzen, das er kurz vor seinem Tod unterschrieben haben soll – allerdings nur mit den Zeichen „N01 N02“ und einer verschlungenen, unvollständigen Linie. Doch war der letzte Wille des Mannes überhaupt wirksam?

Der Fall im Überblick: Zweifel am letzten Willen

Der Erblasser E war verheiratet und hatte zwei Kinder. Im Jahr 2023 wurde er schwer krank und musste in ein Krankenhaus eingewiesen werden. Einen Tag vor seinem Tod verfasste seine Ehefrau F ein gemeinschaftliches Testament. Der Text war sowohl auf Deutsch als auch auf Spanisch abgefasst.

Unter dem Testament befanden sich zwei „Unterschriften“:

  • Die der Ehefrau F – deutlich lesbar und vollständig.

  • Die des Erblassers E – bestehend lediglich aus den Buchstaben „N01 N02“, also den ersten beiden Buchstaben seines Vornamens, sowie einer verschlungenen, nicht entzifferbaren Linie, die erkennbar unvollständig war.

Die Ehefrau F erklärte, ihr Mann E sei aufgrund seines geschwächten Gesundheitszustands nicht mehr in der Lage gewesen, seinen vollständigen Namen zu schreiben. Die Buchstaben und die Linie seien jedoch in der Absicht gesetzt worden, das Testament zu unterschreiben. Nach seinem Tod beantragte sie einen Erbschein, der sie als Alleinerbin ausweisen sollte.

Das Nachlassgericht lehnte die Erteilung des Erbscheins ab. Die Ehefrau F legte Beschwerde ein, sodass das OLG Hamm entscheiden musste.

Prozessualer Hintergrund

Der Erbschein wird durch das Nachlassgericht gemäß § 2353 BGB im Rahmen der freiwilligen Gerichtsbarkeit erteilt. Grundsätzlich zieht das Nachlassgericht den Erbschein von Amts wegen ein, wenn dieser unrichtig ist. Allerdings kann auch der wirkliche Erbe selbst Klage auf Herausgabe des unrichtigen Erbscheins gemäß § 2362 BGB vor dem Amtsgericht erheben. Merke Dir, dass § 2362 Abs. 1 BGB jedoch vorsieht, dass die Herausgabe an das Nachlassgericht beantragt wird.

Die Entscheidung des OLG: Gesetzliche Erbfolge mangels formwirksamen Testament

Das OLG Hamm bestätigte die Entscheidung der Vorinstanz: Das Testament war formunwirksam, weil es nicht eigenhändig unterschrieben war gemäß § 2247 Abs. 1 BGB. Die Ablehnung der Erbscheinserteilung erfolgte daher zu Recht, so das Gericht.

Für Dich zur Wiederholung: Bedeutung und Anforderung an die Unterschrift im Testament

Nach § 2247 Abs. 1 BGB muss ein Testament eigenhändig geschrieben und unterschrieben werden. Dieses Erfordernis gilt auch bei der Errichtung eines gemeinschaftlichen Testaments (§ 2267 BGB).

Die Unterschrift erfüllt mehrere rechtliche Funktionen:

  • Identitätsfunktion: Sie weist den Erblasser als Urheber des Testaments aus.

  • Abschlussfunktion: Sie zeigt, dass der Text vollständig ist.

  • Echtheits- und Warnfunktion: Sie verdeutlicht, dass der Erblasser den Inhalt ernstlich und abschließend gewollt hat.

Gemäß § 125 S. 1 BGB ist das Testament nichtig, wenn die Unterschrift fehlt oder sie diesen Funktionen nicht genügt.

Die Anforderungen an eine wirksame Unterschrift findest Du in § 2247 Abs. 3 S. 1 BGB. Hiernach soll die Unterschrift den Vor- und Familiennamen enthalten.

Merke Dir:
Bei § 2247 Abs. 3 S. 1 BGB handelt es sich lediglich um eine Soll-Vorschrift. Ein Verstoß dagegen führt also nicht automatisch zur Nichtigkeit des Testaments.

Nach § 2247 Abs. 3 S. 2 BGB steht eine Unterzeichnung des Erblassers „in sonstiger Weise“ der Wirksamkeit des Testaments nicht entgegen, wenn sie ausreicht, um die Urheberschaft des Erblassers und die Ernstlichkeit seiner Erklärung festzustellen. Auch in diesem Fall muss jedoch eine Unterschrift vorhanden sein – sie muss nur nicht den Soll-Anforderungen entsprechen.

Keine sonstige Unterzeichnung i.S.d. § 2247 Abs. 3 S. 1 BGB

Das OLG Hamm lehnte eine solche „sonstige Unterzeichnung“ ab. Die Buchstaben „N01“ und „N02“ würden nach der Verkehrsauffassung weder eine Unterschrift noch eine Unterzeichnung „in sonstiger Weise“ darstellen.

Der Grund: Die bloße Verwendung der ersten beiden Buchstaben des Vornamens erfülle nicht den verkehrsüblichen Begriff einer Unterschrift, mit der eine Person ihre Verantwortung für Existenz und Inhalt eines Schriftstücks nach außen kundtue. Es fehle an der Namens- und Unterscheidungsfunktion.

Klausurtipp:
Als Unterzeichnungen „in sonstiger Weise“ wurden in Rechtsprechung und Literatur bislang etwa Namenskürzungen, Verwandtschaftsbezeichnungen, Kosenamen, Künstlernamen, Firmennamen, Pseudonyme oder Spitznamen anerkannt. In diesen Fällen kannst Du mit der Verkehrsauffassung argumentieren, dass noch von einer Unterschrift gesprochen werden kann, weil solche Bezeichnungen im privaten oder geschäftlichen Schriftverkehr üblich sind. Auf unseren Fall übertragen bedeutet dies: Hätte E diese Buchstabenkombination schon früher regelmäßig als Unterschrift verwendet, wäre die Voraussetzung einer sonstigen Unterzeichnung erfüllt gewesen. Das war hier aber nicht der Fall.

Eine verschlungene Linie ist keine Unterschrift

Auch die verschlungene Linie genüge den Anforderungen nicht. Zwar sei die Unleserlichkeit einer Unterschrift grundsätzlich unschädlich. Sei der Schriftzug jedoch – wie hier – verstümmelt oder unvollständig, bliebe offen, ob es sich um einen bloßen Entwurf oder um eine ernstlich gewollte Endfassung handele.

Den Einwand der Ehefrau, dass der Testierwille ihres Mannes eindeutig erkennbar sei, ließ das OLG nicht gelten: Selbst wenn klar sei, was der Erblasser gewollt habe, könne die fehlende Unterschrift nicht durch andere Beweismittel ersetzt werden, weil die vielfältigen Formzwecke nicht anderweitig ersetzt werden können, so das Gericht.

Merke Dir:
Da das Testament bereits an der Form scheiterte, musst Du die Frage der Testierfähigkeit gemäß § 2229 BGB nicht mehr prüfen.

Damit fehlte es an einem formwirksamen Testament, sodass der Nachlass folglich nach der gesetzlichen Erbfolge verteilt wurde. Denke daran, dass gesetzliche Erben nur die Verwandten des Erblassers und sein Ehegatte bzw. sein gleichgeschlechtlicher Lebenspartner sowie der Staat sein können.

Was verbirgt sich hinter dem öffentlichen Glauben des Erbscheins i.S.d. § 2365 BGB?

Dieser Fall zeigt Dir, welche besondere Bedeutung dem Erbschein zukommt. Gemäß § 2365 BGB wird nämlich vermutet, dass der Erbschein richtig ist. Dieser Gutglaubensschutz besteht aus zwei Komponenten: Zum einen wird positiv vermutet, dass dem Erben das dort angegebene Erbrecht auch zusteht. Zum anderen wird negativ vermutet, dass der Erbe nicht durch andere als die im Erbschein angegebenen Anordnungen in seinem Erbrecht beschränkt ist.

Da diese Vermutung gegenüber einem gutgläubigen Dritten solange gilt, wie der Erbschein in Kraft ist, wirkt sich der Erbschein u.a. auf den Erwerb einer beweglichen Sache, auf einen Grundstücks- und Forderungserwerb sowie auf Leistungen auf eine Nachlassforderung rechtlich aus. Daher ist es so wichtig und brisant, dass ein unrichtiger Erbschein schnellstmöglich vom Nachlassgericht eingezogen wird.

Die Wichtigkeit der Argumentation in Deiner Erbrechtsklausur

Du wirst sicherlich gemerkt haben, dass das Herzstück dieses Falls in der Begründung liegt. Das OLG Hamm zeigt hier lehrreich, wie Du mit der Verkehrsanschauung argumentieren kannst. Solche Fälle erkennst Du oft daran, dass die Parteien in Deinem Sachverhalt viele Argumente vortragen. Denke immer daran, dass das Prüfungsamt Dir diese Informationen nicht umsonst mitteilt. Im zweiten Examen könntest Du diese Klausur als typische “Beweisrechtsklausur” einordnen, in der die Auswertung der Zeugenaussagen im Vordergrund stehen würde. Hier ist es dann besonders wichtig, dass Du auf alle Aspekte eingehst. Ansonsten dürftest Du am Rand Deiner Klausur wahrscheinlich den Kommentar “zu oberflächlich” oder Ähnliches wiederfinden.

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