OLG Hamm zur Erbunwürdigkeit nach Tötung bei Zweifeln über die Schuld
Wer den Erblasser vorsätzlich tötet, hat laut § 2339 I Nr. 1 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) keinen Anspruch auf das Erbe seines Opfers. Doch wie sieht es aus, wenn Zweifel an der Richtigkeit des Strafurteils bestehen? Der wegen Mordes verurteilte Beklagte wendet sich gegen die Anfechtungsklage seiner Kinder auf Feststellung seiner Erbunwürdigkeit. Er beteuert seit nunmehr sieben Jahren seine Unschuld. Reicht das?
Die Tat
Nach den strafgerichtlichen Feststellungen versteckte sich der Beklagte mit einer Sturmmaske bekleidet im September 2016 vor dem Haus seiner Ehefrau und schoss mit einer Schrotflinte. Zunächst traf er das Auto, wodurch die Ehefrau die Kontrolle über das Fahrzeug verlor und so zum Stehen kam. Danach schoss der Beklagte durch die Fahrertür und töte dadurch seine Ehefrau. Weder das Landgericht (LG) Bielefeld noch das Revisionsgericht hatten damals Zweifel gehegt, dass der getrennt lebende Ehemann den heimtückischen Mord (§ 211 StGB) begangen habe und verurteilten ihn zu einer lebenslangen Haft. Entscheidende Indizien waren damals DNA-Spuren des Beklagten an den Patronenhülsen, der Sturmhaube und einem Langwaffen-Futteral.
Bis heute kämpft der jetzige Beklagte um eine Wiederaufnahme des Verfahrens. Er streitet alle Vorwürfe ab. Inzwischen hat er gegen die letzte Entscheidung im Wiederaufnahmeverfahren sogar Verfassungsbeschwerde eingelegt, die allerdings noch nicht entschieden ist.
Führt die strafrechtliche Verurteilung automatisch zur Erbunwürdigkeit?
Nein, denn die gesetzliche Erbfolge gem. §§ 1924 ff. BGB bleibt trotz der Verurteilung zunächst unberührt. Damit würde der Ehemann neben den gemeinsamen Kindern erben. Dies wollten seine Kinder allerdings nicht hinnehmen und erhoben nach Abschluss des Strafverfahrens eine Anfechtungsklage (§§ 2340, 2342 BGB), mit der sie sich gegen die Erbberechtigung des Vaters wandten. Gem. § 2339 I Nr. 1 BGB ist die Tötung des Erblassers ein Grund für den Ausschluss der Erbberechtigung.
Zivilgericht entscheidet nach eigenem Ermessen
Das LG Bielefeld gab der Klage wegen Erbunwürdigkeit zunächst statt. Dagegen wandte sich der Beklagte nun vor dem OLG Hamm. Allerdings ohne Erfolg. Im Zivilrecht entscheidet das Gericht im Sinne des § 286 ZPO nach der freien Würdigung seiner Beweise und ist nicht an die strafrechtliche Verurteilung gebunden, so das OLG. Trotzdem sei das strafrechtliche Urteil eine wichtige Beweisurkunde und in der Regel heranzuziehen. Ausnahmen würden nur dann bestehen, wenn gewichtige Gründe für die Unrichtigkeit des Strafurteils vorliegen.
Die Richter hielten die vorgebrachten Gründe allerdings für so unerheblich, dass sie keine weitere Beweisaufnahme anstreben.
Der Beklagte behauptete im zivilgerichtlichen Berufungsverfahren, dass der neue Lebensgefährte seiner Ehefrau die Tat begangen habe. Dieser soll die Beweise, insbesondere die Patronenhülsen, Sturmhaube und das Langwaffen-Futteral, die gegen ihn sprachen, absichtlich so platziert haben, dass der Verdacht auf den Beklagten gelenkt werde. Nach Ansicht der OLG Richter hätte der Beklagte den Lebensgefährten aber schon früher, entweder bereits vor dem Schwurgericht, oder wenigstens in der ersten Instanz des Zivilverfahrens, vorbringen müssen. Außerdem seien die Behauptungen, dass Beweise nachträglich platziert worden seien, rein spekulativ und durch das Schwurgericht mit näherer Begründung ausgeschlossen. Die Beweise sprächen eindeutig für die Täterschaft des Beklagten. Aus diesen Gründen bejahte auch das OLG Hamm eine Erbunwürdigkeit des Beklagten und gab der Anfechtungsklage der Kinder statt.
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erhoben.
(OLG Hamm, Urteil vom 27. Oktober 2022 – 10 U 28/19)
Du möchtest weiterlesen?
Dieser Beitrag steht exklusiv Kunden von Jura Online zur Verfügung.
Paket auswählen