LG Neuruppin zum Schadensersatz bei exzessivem Rauchen in der Wohnung

LG Neuruppin zum Schadensersatz bei exzessivem Rauchen in der Wohnung

Wenn die Wohnung vergilbt: Schönheitsreparaturen, AGB-Kontrolle und Raucherschäden

Für Dich dürfte das Mietrecht im Grundstudium auf den ersten Blick oft nüchtern wirken – bis Du auf Fälle „aus dem echten Leben“ stößt. Ein solcher Fall wurde vom Landgericht Neuruppin (Urt. v. 30.10.2024 – 4 S 30/24) entschieden. Im Mittelpunkt stand die Frage, ob ein Mieter zur Durchführung von Schönheitsreparaturen verpflichtet war – und ob er für erhebliche Substanzschäden an der Wohnung haftet, die durch jahrelanges exzessives Rauchen entstanden waren. Ein Fall wie gemacht für das Studium – und für Deine nächste Klausur.

Was Mietrecht mit Nikotin zu tun hat - Der Fall im Überblick

Im Mai 2006 schlossen A (Vermieterin) und B (Mieter) einen Mietvertrag über eine Wohnung. Der Mietvertrag enthielt in § 4 Nr. 6 folgende Klausel:

„Die Schönheitsreparaturen sind fachgerecht auszuführen und umfassen das Tapezieren, Anstreichen der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, der Heizkörper einschließlich der Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren von innen.“

B kündigte das Mietverhältnis zum 31. Januar 2023. Trotz Aufforderung führte B weder Reinigungsarbeiten noch Schönheitsreparaturen durch. Die Wohnung befand sich in einem stark verunreinigten Zustand, insbesondere durch langjähriges Rauchen in sämtlichen Räumen. Teilweise musste der Putz entfernt und erneuert werden.

A ließ die Wohnung umfassend instand setzen und verlangte von B Schadensersatz.

Der Fall wirft zwei zentrale Rechtsfragen auf:

  1. Ist die verwendete Schönheitsreparaturklausel im Mietvertrag wirksam?

  2. Besteht eine Haftung des Mieters für entstandene Substanzschäden, obwohl die Klausel unwirksam ist?

Schönheitsreparaturklausel auf dem Prüfstand

Zunächst bejahte das Gericht die Anwendbarkeit der AGB-Vorschriften: Die Schönheitsreparaturklausel ist eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 I 1 BGB, da sie formularmäßig in den Vertrag aufgenommen wurde. Es folgt die Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.

Im Mittelpunkt der Prüfung stand die Frage, ob die Formulierung in § 4 Nr. 6 Satz 2 MV hinreichend klar und transparent ist. Die Klausel listet verschiedene Renovierungsarbeiten auf und endet mit der Formulierung: „[…] der Fenster und Außentüren von innen.“ Nach Ansicht des Gerichts ist für den Mieter nicht eindeutig erkennbar, ob sich die Einschränkung „von innen“ nur auf die Außentüren oder auch auf die Fenster bezieht.

Nach dem Grundsatz der kundenfeindlichsten Auslegung (§ 305c Abs. 2 BGB) war daher davon auszugehen, dass ein Mieter die Klausel so verstehen könnte, er sei auch zum Außenanstrich der Fenster verpflichtet. Diese Verpflichtung überschreitet jedoch den zulässigen Inhalt einer formularmäßigen Schönheitsreparaturklausel, da der Außenanstrich regelmäßig nicht auf den Mieter übertragen werden kann. Die Klausel wurde deshalb insgesamt für unwirksam erklärt.

Wann übersteigt Rauchen den vertragsgemäßen Gebrauch?

Die rechtliche Folge dieser Unwirksamkeit ist, dass die Pflicht zur Durchführung von Schönheitsreparaturen nach § 535 I 2 BGB beim Vermieter verbleibt. Der Mieter ist weder zur Vornahme der Arbeiten noch zum Ersatz etwaiger Kosten verpflichtet – es sei denn, es liegt ein eigenständiger Schadensersatzanspruch wegen vertragswidriger Nutzung der Mietsache vor.

Und genau hier setzte das Gericht in einem zweiten Schritt an. Trotz der unwirksamen Klausel bejahte es eine Haftung des Mieters aus § 280 I BGB i.V.m. § 538 BGB. Nach § 538 BGB haftet ein Mieter nicht für Verschlechterungen, die durch den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache entstehen. Dazu zählen etwa normale Abnutzung oder auch Rauchen im üblichen Rahmen.

Im vorliegenden Fall stellte das Gericht jedoch fest, dass das exzessive Rauchen in allen Räumen über Jahre hinweg die Wohnung substanziell beschädigt hatte. Die Wände waren mit Nikotin durchsetzt, der Geruch nachhaltig, und der Zustand der Oberflächen erforderte eine umfassende Sanierung inklusive Erneuerung des Putzes. Solche Schäden gehen über den üblichen Gebrauch hinaus und sind nicht von § 538 BGB gedeckt.

Wichtig ist dabei die dogmatische Einordnung: Der Schadensersatzanspruch setzt nicht erst am Vertretenmüssen an, sondern scheitert bereits an der Pflichtverletzung, wenn der Gebrauch noch vertragsgemäß war. Da das Gericht eine solche Pflichtverletzung – wegen Überschreitung des gewöhnlichen Gebrauchs – bejahte, konnte die Klägerin Ersatz ihrer konkreten Sanierungskosten verlangen.

Ein Paradefall für Deine Examensklausur

Das Mietrecht hat eine überragende praktische Bedeutung und ist daher auch für das juristische Studium besonders relevant. Das Urteil eignet sich hervorragend für Deine Klausur, da es zwei grundlegende Problemfelder aus dem Mietrecht miteinander verknüpft: zum einen die AGB-Kontrolle formularmäßiger Renovierungsklauseln, zum anderen den Schadensersatzanspruch bei vertragswidrigem Gebrauch der Mietsache gemäß § 538 BGB.

Für Dich gilt es dann oftmals die Frage zu beantworten, was noch zum vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache gehört und was nicht. Diese Abgrenzung eröffnet Dir in Deiner Klausur einen erheblichen Argumentationsspielraum. Denke daran, dass Dir der Sachverhalt in der Regel alle relevanten Pro- und Contra-Argumente mit liefern wird – entscheidend ist, dass Du sie sauber und an der richtigen Stelle in Deinem Gutachten einordnest.

Tipps für Deine Klausur

Die eigentliche Prüfung beginnt oft erst mit der Unwirksamkeit der Klausel – und wer dann eine vertragswidrige Nutzung der Mietsache im Sinne des § 538 BGB richtig einordnet und argumentativ beherrscht, kann punkten.

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