
Wie erfolgt die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen verleasten Pkw im Verhältnis zwischen dem Verkäufer (=Lieferant), dem Käufer (=Leasinggeber) und dem Verbraucher als Leasingnehmer? Im Dreiecksverhältnis zwischen Verkäufer, Leasinggeber und Leasingnehmer zeigt der BGH, wann Rücktritt, Abtretung und Aufrechnung zusammenwirken - und wann nicht.
A. Sachverhalt
Der Kläger (K) schloss als Verbraucher und Leasingnehmer einen Leasingvertrag über einen gebrauchten Pkw mit der V-GmbH als Leasinggeberin und zahlte die entsprechenden monatlichen Leasingraten. Die V-GmbH hatte den Pkw von der beklagten Verkäuferin (B), der Lieferantin, gekauft. B wusste, dass die V-GmbH den Pkw verleast. Der Pkw hatte einen fachgerecht reparierten Unfallschaden, wovon K keine Kenntnis hatte. Nach den Leasingbedingungen trat die V-GmbH alle etwaigen mangelbedingten Gewährleistungsansprüche gegen B aus dem Kaufvertrag an K ab. Demgegenüber sollten K gegenüber der V-GmbH keine mangelbedingten Gewährleistungsansprüche zustehen.
Die Leasinggeberin trat gemäß Ziffer XIII. 1 der zwischen ihr und dem Kläger vereinbarten Leasingbedingungen “sämtliche Ansprüche und Rechte aus dem Kaufvertrag […] wegen der Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs” an den Kläger ab, welcher berechtigt und verpflichtet war, die Ansprüche und Rechte im eigenen Namen mit der Maßgabe geltend zu machen, dass “im Falle des Rücktritts […] etwaige Zahlungen des Lieferanten direkt an den Leasinggeber zu leisten sind.”
“Verlangt der Leasingnehmer aufgrund der Mangelhaftigkeit Rückabwicklung, ist er verpflichtet und berechtigt, den Rücktritt vom Kaufvertrag für den Leasinggeber gegenüber dem Lieferanten zu erklären….“
K erklärte nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung den Rücktritt vom Kaufvertrag und verlangte die Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 25.000,00 Euro an die V-GmbH. Anschließend veräußerte die V-GmbH den Pkw an einen Dritten. B hat die Aufrechnung mit einem Wertersatzanspruch i.H.v. 25.000,00 Euro erklärt.
K verlangt von B die Rückzahlung des Kaufpreises von 25.000,00 Euro an die V-GmbH.
B. Entscheidung
K macht insofern einen Rückforderungsanspruch bezüglich des erklärten Rücktritts vom Kaufvertrag aus abgetretenem Recht geltend.
I. §§ 398 S. 2, 346 I BGB
K könnte gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 25.000,00 Euro an die V-GmbH gem. §§ 398 S. 2, 346 I BGB haben.
1. Abtretung
Die V-GmbH als Leasinggeberin und K als Leasingnehmer haben einen Abtretungsvertrag nach § 398 S. 1 BGB geschlossen, wonach die V-GmbH ihre mangelbedingten Gewährleistungsrechte aus dem Kaufvertrag mit der Lieferantin B an K abtritt. Abtretungsverbote nach §§ 399, 400 BGB bestehen nicht. Zudem müsste die V-GmbH als Zedentin berechtigt gewesen sein. Ihr standen grundsätzlich die mangelbedingten Gewährleistungsrechte als Käuferin des Pkw gegenüber B als Verkäuferin nach §§ 433 f. BGB zu.
2. Rücktritt
K hat gegenüber B den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt, § 349 BGB. Diese Erklärung ist B nach § 130 I 1 BGB zugegangen. Ferner müssen die Rücktrittsvoraussetzungen gegeben sein. Diese sind nach §§ 437 Nr. 2, 323, 326 V BGB:
I. Kaufvertrag
II. Gewährleistungsgrund bei Gefahrübergang
III. Kein Gewährleistungsausschluss
IV. Rechtsfolge: Rücktritt
a) Kaufvertrag
Zwischen der V-GmbH und B ist ein entsprechender Kaufvertrag über den gebrauchten Pkw geschlossen worden, § 433 BGB.
b) Gewährleistungsgrund bei Gefahrübergang
Ferner müsste ein Gewährleistungsgrund, also ein Sachmangel nach § 434 BGB, bei Gefahrübergang bestanden haben.
aa) Sachmangel
Gem. § 434 I BGB ist die Sache frei von Sachmängeln, wenn sie bei Gefahrübergang den subjektiven Anforderungen, den objektiven Anforderungen und den Montageanforderungen dieser Vorschrift entspricht. Damit besteht ein Gleichrang dieser Fehlerbegriffe. Um eine mangelfreie Sache handelt es sich nur, wenn alle Kriterien kumulativ erfüllt sind. Ein Sachmangel liegt vor bei einer negativen Abweichung der Ist-Anforderungen von den Soll-Anforderungen. Der Pkw ist ein Unfallwagen. Folglich entspricht die Sache nicht den objektiven Anforderungen nach § 434 III 1 Nr. 2 BGB, da sie eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann.
bb) Bei Gefahrübergang
Dieser Sachmangel lag bei der Übergabe und somit bei Gefahrübergang nach § 446 S. 1 BGB vor.
c) Kein Gewährleistungsausschluss
Es ist weder ein vertraglicher noch ein gesetzlicher Gewährleistungsausschluss nach § 442 I 1 BGB gegeben. Danach sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels nur ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kennt.
d) Rechtsfolge: Rücktritt
Als Rechtsfolge kann nach §§ 437 Nr. 2, 323, 326 V BGB der Rücktritt erklärt werden. Gem. §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB ist der Käufer zunächst verpflichtet, Nacherfüllung zu verlangen. Dabei steht dem Käufer grundsätzlich das Wahlrecht zwischen Mangelbeseitigung oder Nachlieferung zu, es sei denn, es liegt ein Fall von § 275 I, II, III BGB oder § 439 IV BGB vor. Nach erfolgloser Fristsetzung zur Nacherfüllung (vgl. § 440 BGB) kann der Gläubiger vom Vertrag gem. § 437 Nr. 2 BGB zurücktreten jeweils unter Verweis auf die angegebenen Vorschriften. Eine Fristsetzung war aufgrund der Unmöglichkeit der Nacherfüllung, da es sich um einen Unfallwagen handelte, nach § 275 I BGB entbehrlich. Die übrigen Voraussetzungen sind gegeben.
Zwischenergebnis
Der Anspruch von K gegen B auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 25.000,00 Euro an die V-GmbH gem. §§ 398 S. 2, 346 I BGB ist entstanden.
II. Untergang durch Aufrechnung nach § 389 BGB
Der Anspruch könnte ex tunc durch eine Aufrechnung von B i.H.v. 25.000,00 Euro untergegangen sein nach § 389 BGB. Eine Aufrechnung hat folgende Voraussetzungen:
1. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB
2. Kein Aufrechnungsverbot, §§ 392 f. BGB
3. Aufrechnungslage, § 387 BGB
1. Aufrechnungserklärung, § 388 S. 1 BGB
B hat die Aufrechnung gegenüber dem Kaufpreisückzahlungsanspruch mit einer Gegenforderung i.H.v. 25.000,00 Euro wegen eines Wertersatzanspruchs erklärt. Erklärungsgegner ist K und diesem ist das Schreiben zugegangen, § 130 I 1 BGB
2. Kein Aufrechnungsverbot, §§ 392 f. BGB
Es besteht kein Aufrechnungsverbot nach § 392 f. BGB
3. Aufrechnungslage, § 387 BGB
Eine Aufrechnungslage setzt voraus:
a) Gegenseitigkeit
b) Gleichartigkeit
c) Fälligkeit und Durchsetzbarkeit der Aktivforderung
d) Erfüllbarkeit der Passivforderung.
a) Gegenseitigkeit
Zunächst müsste die Gegenseitigkeit gegeben sein. Jeder müsste also Gläubiger und Schuldner des anderen sein. K hat gegen B einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch i.H.v. 25.000,00 Euro nach §§ 398 S. 2, 346 I BGB an die V-GmbH (s.o.). B müsste gegen K einen entsprechenden Wertersatzanspruch haben. Dieser könnte sich aus § 346 II 1 Nr. 2 BGB ergeben. Dem Grunde nach steht B aufgrund der Veräußerung des Pkw von der V-GmbH an einen Dritten i.H.v. 25.000,00 Euro zu. Ihr Anspruch ist aber nicht gegen K gerichtet, sondern gegen die V-GmbH, sodass die Gegenseitigkeit nicht gegeben ist.
Das Berufungsgericht hat jedoch - wie die Revision zu Recht geltend macht - verkannt, dass sich bei der Rückabwicklung eines über eine Leasingsache geschlossenen Kaufvertrags ein Anspruch des Lieferanten - wie hier der Beklagten - auf Wertersatz gemäß § 346 Abs. 2 Satz 1 BGB grundsätzlich nicht gegen den Leasingnehmer, sondern gegen den Leasinggeber als Käufer richtet. Es fehlt damit an der gemäß § 387 BGB für eine Aufrechnung erforderlichen Gegenseitigkeit des an den Leasingnehmer abgetretenen Anspruchs auf Rückzahlung des Kaufpreises gemäß § 437 Nr. 2, § 323 Abs. 1, § 346 Abs. 1, § 398 BGB und des Wertersatzanspruchs.
Die V-GmbH als Leasinggeberin hat lediglich
sämtliche Ansprüche und Rechte aus dem mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag aufgrund solcher Mängel an den Kläger als Leasingnehmer abgetreten. Der Kläger ist jedoch nicht anstelle der Leasinggeberin als Käufer in den von dieser mit der Beklagten geschlossenen Kaufvertrag eingetreten.
b) Ausnahme: § 406 BGB
Eine Ausnahme von dem Grundsatz der Gegenseitigkeit ergibt sich auch nicht aus § 406 BGB. Danach kann der Schuldner (B) eine ihm gegen den bisherigen Gläubiger (V-GmbH) zustehende Forderung (Wertersatzanspruch nach § 346 II 1 Nr. 2 BGB) auch dem neuen Gläubiger (K) gegenüber aufrechnen, es sei denn, dass er (B) bei dem Erwerb der Forderung von der Abtretung Kenntnis hatte. Der Anwendungsbereich des § 406 BGB ist jedoch nicht eröffnet und insofern besteht keine Ausnahme von dem Grundsatz der Gegenseitigkeit.
Der Vorschrift des § 406 BGB liegt ebenso wie § 404 BGB der Gedanke zugrunde, dass der Schuldner durch die Abtretung nicht benachteiligt, er also gegenüber dem neuen Gläubiger nicht ungünstiger gestellt werden soll, als er gegenüber dem alten Gläubiger stand …
Die Rechte des Schuldners werden durch § 406 BGB zusätzlich dahin erweitert, dass er sich bei Gutgläubigkeit auch auf solche Umstände berufen darf, die später als im Zeitpunkt der Abtretung eingetreten sind…
Räumt damit § 406 BGB grundsätzlich nur dem gutgläubigen Schuldner, der bei Erwerb seiner Gegenforderung von der Abtretung der gegen ihn gerichteten Forderung keine Kenntnis hatte, eine Aufrechnungsbefugnis ein, ist ein solcher Schutz nicht gerechtfertigt, wenn das Vertrauen darauf fehlt, mit dem Erwerb der Gegenforderung die Aufrechnungslage herstellen zu können …
B hatte von der leasingtypischen Abtretungskonstruktion Kenntnis. Sie ist damit nicht schutzbedürftig.
Zwischenergebnis
Der Anspruch von K ist nicht ex tunc durch eine Aufrechnung von B untergegangen nach § 389 BGB.
Ergebnis
K hat gegen B einen Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises i.H.v. 25.000,00 Euro an die V-GmbH gem. §§ 398 S. 2, 346 I BGB.
C. Prüfungsrelevanz
Das allgemeine und besondere Schuldrecht sind sehr häufig Gegenstand von Prüfungsklausuren. In der vorliegenden Entscheidung ging es dabei um die Frage, ob der Verkäufer eines Pkw mit einem Wertersatzanspruch nach § 346 II BGB gegen einen Kaufpreisrückzahlungsanspruch aufgrund erklärten Rücktritts nicht nur gegenüber dem Käufer als Leasinggeber, sondern auch gegenüber dem Verbraucher als Leasingnehmer aufrechnen kann.
Die Prüfungsrelevanz der Entscheidung ergibt sich daraus, dass Kenntnisse kaufrechtlichen Gewährleistungsrechts nach §§ 437 Nr. 2, 323, 326 V, 346 BGB sowie der Abtretung von diesen Rechten im Leasingvertrag erforderlich sind sowie eine exakte Prüfung der Aufrechnungslage nach § 387 BGB geboten ist.
(BGH Urt. v. 13.11.2024 – VIII ZR 1168/23)
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- Rücktritt, §§ 346 ff. BGB (Voraussetzungen)
- Abtretung, §§ 398 ff. BGB
- Primärpflichten im Kaufrecht, § 433 BGB
- Rücktritt, §§ 437 Nr. 2, 1. Fall, 440, 323, 326 V, 346 ff. BGB
- Mängel, §§ 434, 435 BGB
- Nacherfüllung, §§ 437 Nr. 1, 439 BGB
- Gewährleistungsrechte im Kaufrecht, §§ 437 ff. BGB
- Arten der Unmöglichkeit, § 275 I BGB
- Aufrechnung, §§ 387 ff. BGB