
Steuerhinterziehung ist kein Kavaliersdelikt: Sie zählt zur handfesten Wirtschaftskriminalität. Trotzdem gehört Schwarzarbeit in Deutschland fast schon zum juristischen Alltag. Gerade im Handwerk wird häufig „unter der Hand“ gearbeitet. Doch genau diese vermeintlich harmlosen Deals können gravierende rechtliche Folgen haben. Denn Schwarzarbeit ist nicht nur ein Steuerproblem: Sie kann auch zivilrechtliche Ansprüche vollständig entfallen lassen. Und genau hier setzt ein aktuelles Urteil des LG Karlsruhe (v. 09.10.2024 - 6 O 160/23) an, das klärt, wann Du in Deiner Klausur bei sogenannten Kompensationsgeschäften zwischen Handwerkern von einer Schwarzgeldabrede ausgehen kannst.
Wie kam es zur Schwarzgeldabrede?
A und B sind beide leidenschaftliche Bauunternehmer – und seit geraumer Zeit auch Geschäftspartner auf Vertrauensbasis. Immer wieder übernehmen sie Arbeiten füreinander. Mal wird eine Rechnung gestellt, mal nicht – solange am Ende das „Budget“ ausbalanciert ist: Eine Rechnungsstellung inklusive Umsatzsteuerabführung soll so lange nicht erfolgen, wie sich die beidseitig erbrachten Leistungen „die Waage halten“.
So übernahm A im Jahr 2022 auf Bitten von B verschiedene Arbeiten an dessen privatem Wohnhaus. Dabei griff er auf die Unterstützung der Firma BM zurück, die ihm ihre Leistungen ordnungsgemäß inkl. Umsatzsteuer in Rechnung stellte. Diese Kosten – vor allem für Aushub-, Transport- und Energieaufwand – reichte A anschließend an B weiter, der die Rechnung auch beglich.
Kurz darauf kam es zu einem neuen Projekt: A sollte an einem Seecontainer Arbeiten vornehmen. Auf mündliche Absprache hin übernahm B hierfür Holzarbeiten. Eine Rechnung stellte er zunächst nicht – ebenso wenig wie A eine Zahlung leistete. Zusätzlich führte B auf dem Grundstück von A weitere Arbeiten durch: Er baute eine dreistufige Holztreppe an einen Whirlpool und dichtete einen Kamin ab – ebenfalls ohne Rechnung.
Im weiteren Verlauf legte B eine Kostenaufstellung für seine Containerarbeiten vor. Fast zeitgleich beauftragte er A mit weiteren Arbeiten: u.a. Pflasterarbeiten auf seinem betrieblichen Grundstück sowie Arbeiten rund um ein Carport an seinem privaten Anwesen.
Nachdem A alle Arbeiten ausgeführt hatte, stellte er schließlich eine Schlussrechnung – über rund 15.000,00 Euro brutto. Enthalten waren darin auch Restkosten aus den Aushubarbeiten von 2022. B reagierte mit einer eigenen Rechnung über knapp 9.500,00 Euro brutto, basierend auf seinen Containerarbeiten.
A sah sich durch die Gegenrechnung nicht vollständig ausgeglichen und machte daraufhin vor Gericht einen offenen Betrag in Höhe von 12.317,23 Euro geltend.
Entscheidung des Landgerichts Karlsruhe
Das Landgericht sendet eine klare Botschaft und wies die Klage vollumfänglich ab.
Nachdem es eine Nachforderung des A für die Kosten aus den ersten Bauarbeiten aus dem Jahr 2022 gem. § 242 BGB ablehnte, wandte sich das Gericht dem Anspruch für die Durchführung der Pflasterarbeiten und des Carports zu, dem Schwerpunkt des Falles.
Keine „kreative“ Abrechnungsvariante, sondern Schwarzarbeit
Das Landgericht Karlsruhe nahm die zwischen A und B praktizierte Abrechnungsweise genauer unter die Lupe – und kam zu einem klaren Ergebnis: Die mündlich getroffene Absprache, gegenseitige Bauleistungen ohne ordnungsgemäße Rechnungsstellung und ohne Abführung von Umsatzsteuer auszutauschen, verstößt gegen § 1 II Nr. 2 SchwarzArbG. Nach Ansicht des Gerichts handelte es sich dabei um eine sog. „Kompensationsgeschäft-Abrede“ – eine Form der Schwarzgeldabrede, bei der das Ziel gerade darin liegt, den Zahlungsverkehr (und damit auch die Steuerlast) zu umgehen. Ziel war es aus Sicht des Gerichts also, durch Leistung gegen Leistung einen finanziellen Ausgleich ohne Rechnung und ohne Umsatzsteuer herzustellen. Und das hat Folgen: Ein solches Vorgehen verstößt gegen ein gesetzliches Verbot und führt über § 134 BGB zur Nichtigkeit des zugrunde liegenden Werkvertrags.
Schwarzarbeit als Klausurklassiker
Für Dich zur Erinnerung: Die Schwarzarbeiter-Fälle sind echte Klausurklassiker. Hier musst Du verschiedene Prüfungsschwerpunkte „abklappern“. Ein großer Schwerpunkt ist immer die Herleitung, dass der Gesetzesverstoß gem. § 134 BGB auch zur Nichtigkeit führen soll. Dies musst Du durch Auslegung des Verbotsgesetzes ermitteln. Hier ergibt die Auslegung, dass der Verstoß gegen dieses gesetzliche Verbot die Unwirksamkeit der Einigkeit zur Folge haben soll.
Besonders spannend: Auch die spätere Rechnungsstellung von A – mit Umsatzsteuer – konnte den ursprünglichen Verstoß nicht mehr heilen. Entscheidend sei, so das Gericht, allein der Zeitpunkt der ursprünglichen Abrede, also wann das Kompensationsgeschäft geschlossen wurde. Eine spätere „Legalisierung“ durch Rechnung komme nicht in Betracht.
Für Dich zur Erinnerung: In der Klausur musst Du alle in Frage kommenden Anspruchsgrundlagen prüfen:
Kann eine echte berechtigte GoA (§§ 677 ff. BGB) greifen, obwohl der Vertrag wegen Schwarzarbeit nichtig ist? Stichwort: Fremdgeschäftsführungswille bei nichtigen Verträgen.
Zudem musst Du auch zum Bereicherungsrecht und insbesondere § 817 S. 2 BGB und einer möglichen teleologischen Reduktion Stellung nehmen.
Gesamtnichtigkeit des Vertrages wegen Schwarzarbeit
Selbst wenn sich die Umgehungsabsicht nur auf den „Budget ausgeglichenen” Teil des Vertrags bezogen hätte, wäre der gesamte Vertrag dennoch insgesamt nichtig. Das SchwarzArbG will gerade auch solche Graubereiche erfassen und durch Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts jeglichen zivilrechtlichen Schutz versagen. Wer sich bewusst über das gesetzliche Verbot hinwegsetzt, soll leer ausgehen – auch bei nachträglicher „Legalisierung“ durch Rechnungsstellung.
Prüfungsrelevanz der Schwarzarbeiter-Fälle
Die Entscheidung spielt sich im Kernbereich des Prüfungsstoffs ab und eignet sich hervorragend für eine Klausur. Wie eingangs erwähnt, sind die Schwarzarbeiter-Fälle echte Klassiker und fester Bestandteil der juristischen Ausbildung. Dabei sind solche Variationen des Schwarzarbeiter-Falls für die Prüfungsämter sehr interessant.
Auch für Referendare und Referendarinnen ist die Entscheidung relevant: Im Prozess hat keine der Parteien offen eingeräumt, dass es ihnen um die Vermeidung von Umsatzsteuer ging. Das ist aber – so die ständige Rechtsprechung – gar nicht notwendig. Entscheidend ist eine Gesamtschau der Umstände, aus der sich ergibt, dass der Vertrag auf die Umgehung steuerlicher Pflichten gerichtet war.
Im Fall sah das Gericht folgende Indizien als besonders gewichtig an:
Mündliche Absprachen ohne Verträge oder Rechnungen,
keine Trennung zwischen privaten und geschäftlichen Leistungen,
„Budgetlisten“ statt konkreter Leistungsnachweise,
nachträglich geänderte und uneinheitliche Rechnungen,
auffällig widersprüchlicher Parteivortrag im Prozess.
Solche Konstellationen reichen aus, um eine unzulässige „Ohne-Rechnung-Abrede“ anzunehmen – selbst wenn die Beteiligten im Nachhinein etwas anderes behaupten.
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