Unwirksame AGB bei Amazon Prime: LG Düsseldorf kippt Preisanpassungsklausel

Unwirksame AGB bei Amazon Prime: LG Düsseldorf kippt Preisanpassungsklausel

Amazon Prime - ein Abo, das (fast) jeder kennt. Kostenloser Premiumversand, exklusive Serien und Filme bei Prime Video, Musik-Streaming, Gaming-Vorteile und mehr. Doch all diese Vorteile haben ihren Preis. 2022 zog Amazon die Preise für Prime-Mitgliedschaften auch für Bestandskunden an. Doch was war die Grundlage dafür? Eine sogenannte “Preisanpassungsklausel” in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Doch durfte Amazon das einfach so? Das Landgericht Düsseldorf hat dazu eine klare Meinung.

Verbraucherzentrale NRW sieht unangemessene Benachteiligung durch Amazon

Die Verbraucherzentrale NRW war mit der Preiserhöhung alles andere als einverstanden. Ihrer Ansicht nach war die zugrunde liegende Klausel unzulässig. Nach der Preisanpassungsklausel konnte Amazon Kostensteigerungen und/oder Kostenersparnisse an den Endkunden weitergeben, die sich auf die konkreten Kosten des Prime-Services Land auswirken, wie etwa allgemeine Preisänderungen für die erforderliche Hard- und/oder Software, Produktion und Lizenzierung, Kosten externer Dienstleister, Lohnerhöhungen und/oder generelle und wesentliche Kostenänderungen aufgrund von Inflation oder Deflation.

Ein entscheidender Punkt: Amazon räumte sich in den AGB ein 14-tägiges Kündigungsrecht ein. Und genau das wurde für die juristische Auseinandersetzung relevant.

Die Verbraucherzentrale sah in der Klausel eine unangemessene Benachteiligung der Kunden und zog vor Gericht. Sie wandte sich daher gegen die Verwendung der AGB, die eine Preisanpassung wie oben beschrieben ermöglicht.

Urteil des LG Düsseldorf: Preisanpassung bei Amazon unwirksam

Die Klage wurde als Unterlassungsklage nach § 1, 4 UKlaG bzw. §§ 8 Abs. 1, 3 Abs. 1, 3a UWG erhoben - eine Sonderform der Klage, die Verbraucherverbänden erlaubt, gegen unwirksame AGB vorzugehen. Solche Besonderheiten sind für Dich im 1. Examen eher selten relevant, aber ein gewisses Grundverständnis schadet nicht.

Das LG Düsseldorf entschied am 15.01.2025 (Az.: 12 O 293/22) zugunsten der Verbraucherzentrale.

Das LG Düsseldorf qualifiziert die Klausel als sog. “Leistungsvorbehaltsklausel”. Auch diesen Begriff musst Du nicht unbedingt kennen. Derartige Klauseln ermöglichen dem Verwender einen einseitigen Eingriff in den ausgehandelten Vertrag und weicht deshalb vom allseits bekannten Grundsatz “pacta sunt servanda” ab.

Warum gibt es Preisanpassungsklauseln?

Zum wirtschaftlichen Hintergrund: Preisanpassungsklauseln haben zwei Hauptfunktionen. Erstens nehmen sie dem Verwender das Risiko langfristiger Kalkulation ab. Zweitens sichern sie ihre Gewinnspanne trotz nachträglicher Kostensteigerungen. Sie schützen aber auch den anderen Teil davor, dass der Verwender mögliche künftige Kostenerhöhungen vorsorglich durch Risikozuschläge bei Vertragsschluss einpreist.

Voraussetzungen der Zulässigkeit von Preisanpassungsklauseln nach § 307 BGB

Eine Klausel, die es dem Verwender ermöglicht, in ausgehandelte Verträge einzugreifen, ist nur dann zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Unternehmens besteht. Zudem müssen Anlass, Voraussetzungen und Umfang des Leistungsbestimmungsrechts so hinreichend konkretisiert sein, dass der Kunde Entgeltänderungen vorhersehen kann.

Das Gericht entschied, dass diese Voraussetzungen bei der Preisanpassung von Amazon nicht vorlagen. Doch warum?

  1. Das 14-tägige Kündigungsrecht: Da die Kunden und auch Amazon (!) jederzeit kurzfristig kündigen können, muss Amazon ohnehin mit schwankenden Nutzerzahlen rechnen. Die Notwendigkeit einer Preisanpassungsklausel bestand daher nicht. Es ist nach Ansicht des Gerichts auch nicht ersichtlich, dass Amazon ohne eine Preisanpassungsklausel gezwungen wäre, höhere Preise zu kalkulieren. Der Klauselverwender dürfe sich nicht auf Kosten seiner Vertragspartner vom Risiko einer Änderungskündigung befreien.

  2. Das Kündigungsrecht darf auch berücksichtigt werden. Ein weiterer entscheidender Punkt: Das Gericht stellte klar, dass Amazons Kündigungsrecht in die Bewertung der Klausel einfließen darf. Warum? Weil sich die Rahmenbedingungen in der digitalen Welt massiv verändert haben. Früher lehnte der BGH die Berücksichtigung des Kündigungsrechts bei einer Preiserhöhung für ein Zeitschriftenabonnement ab – der organisatorische Aufwand für massenhafte Änderungskündigungen sei schlichtweg zu hoch. Doch diese Argumentation zieht heute nicht mehr. In einer Welt, in der eine Kündigung mit wenigen Klicks und auch automatisiert durchgeführt werden könne, kann sich Amazon nicht auf einen „unzumutbaren Aufwand“ berufen, so das Gericht.

LG Düsseldorf stellt Verstoß gegen Transparenzgebot fest

Zusätzlich stellte das Gericht einen Verstoß gegen das Transparenzgebot nach § 307 I 2 BGB fest. Die Klausel sei nicht klar und verständlich genug: Kunden müssen die Änderungen der Entgelte anhand klarer und verständlicher Kriterien vorhersehen können. Kunden müssten nachvollziehen können, wann und warum sich die Preise ändern. Doch genau das war hier nicht gegeben:

  • Die Klausel sprach von “allgemeinen und wesentlichen Kostenänderungen aufgrund von Inflation”. Doch Inflation ist keine feste, fremdbestimmte Größe, die sich eindeutig zuordnen lässt.

  • Das Prime-Angebot ist zudem extrem vielfältig: Versand, Streaming, Musik und mehr. Diese Mischung macht es für den Verbraucher nahezu unmöglich, die Angemessenheit einer Preisanpassung zu überprüfen.

Das Gericht befand, dass diese schwammige Formulierung Amazon ein unüberprüfbares Einfallstor für jedwede von Unternehmensseite gewünschte Preiserhöhung eröffne. Preisanpassungsklauseln dürfen also nicht als Blankoscheck für willkürliche Preiserhöhungen dienen.

Prüfungsrelevanz des Urteils des LG Düsseldorfs

AGB spielen eine zentrale Rolle in der Rechtsprechung und sind daher für Klausuren häufig von Bedeutung. Die Rechtsprechung beschäftigt sich immer häufiger mit Preisanpassungen von Sony, DAZN, Spotify und Co. Deshalb ist es nicht unwahrscheinlich, dass diese Fälle ihren Weg zu den Prüfungsämtern finden werden.

Bei der AGB-Prüfung kannst Du immer schematisch vorgehen:

  1. Prüfe zuerst die Klauselverbote in §§ 309, 308 BGB.

  2. Falls nichts greift, prüfe § 307 BGB und eine mögliche unangemessene Benachteiligung.

  3. Achte auf Hinweise im Sachverhalt! Oft gibt das Prüfungsamt gezielt Argumente vor, um die Lösung in eine bestimmte Richtung zu lenken.

Und falls Du selbst Prime-Kunde bist und von der Preiserhöhung betroffen warst: Die Verbraucherzentrale NRW plant eine Sammelklage gegen Amazon. Es lohnt sich also, das Geschehen weiter im Auge zu behalten.

Weiterlesen: AGB im digitalen Alltag

Die Entscheidung des LG Düsseldorf zeigt: Die rechtliche Wirksamkeit von AGB steht immer stärker im Fokus – vor allem dort, wo digitale Dienste auf alte Vertragsmuster treffen. Du willst noch tiefer eintauchen? Dann wirf einen Blick auf weitere spannende Fälle:

AGB sind mehr als das lästige Kleingedruckte. Sie sind das rechtliche Fundament digitaler Geschäftsmodelle. Und genau deshalb gehören sie auf den Radar in Deiner juristischen Ausbildung.

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