
Ein Anschlusstäter, dem es um die materielle Besserstellung des Vortäters geht, kann sich wegen Begünstigung, Hehlerei oder Geldwäsche gem. §§ 257, 259 und 261 StGB strafbar machen. Ist die Vortat noch nicht beendet, dann kommt auch eine sukzessive Beihilfe in Betracht. Der BGH musste sich mit einem interessanten Fall befassen, den wir uns einmal näher ansehen wollen.
A. Sachverhalt (zusammengefasst und leicht abgeändert)
Der Mitangeklagte Ö war als „Abholer“ Mitglied einer Bande, die wiederholt zur Gewinnung eines beträchtlichen Einkommens Betrugstaten durch Täuschung betagter Menschen beging. Dabei spiegelte ein als „Keiler“ bezeichnetes Bandenmitglied den Geschädigten telefonisch als vorgeblicher Bankmitarbeiter drohende Vermögensverluste vor, die eine Überprüfung und Sperrung ihrer jeweiligen Girokarten erforderlich machen würden. Infolgedessen händigte der 90-jährige Geschädigte G dem Ö seine Girokarte aus und nannte zur vermeintlichen Überprüfung auch die zugehörige PIN. Ö hob daraufhin am nächsten Geldautomaten 1.000 Euro ab.
Entgegen der Bandenabrede setzte er sich dann mit dem Angeklagten A in Verbindung, dem er die Girokarte gab, die PIN nannte und ihn über die strafbare Art und Weise der Erlangung in Kenntnis setzte.
A ging wie verabredet in das nächstgelegene Schmuckgeschäft und kaufte unter Verwendung von Karte und PIN-Schmuckstücke zum Gesamtpreis von 4.098 Euro. Ö veräußerte den Schmuck später für 2.000 Euro. A wurde in Höhe von 800 Euro am Erlös beteiligt.
Das Landgericht Bielefeld verurteilte A wegen Unterschlagung gem. § 246 StGB.
B. Entscheidung
Der BGH (Beschl. v. 14.08.2024 – 4 StR 260/24) sah die Unterschlagung als nicht verwirklicht an. Zugleich jedoch bejahte er eine Strafbarkeit wegen Beihilfe zum Betrug gem. §§ 263, 27 StGB und wegen Geldwäsche gem. § 261 I S. 1 Nr. 3 StGB in einem zuvor von A verwirklichten Fall, den der verkürzte Sachverhalt nicht beinhaltet, auf den wir aber zu sprechen kommen werden.
I. Unterschlagung
Zu der nicht verwirklichten Unterschlagung gem. § 246 I StGB führt der BGH Folgendes aus:
„Nach den Urteilsgründen hat der Angeklagte den Tatbestand der Unterschlagung weder verwirklicht noch dies versucht. Denn nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen wurde dem Angeklagten der erworbene Schmuck … nach Maßgabe von § 929 Satz 1 BGB übereignet. Daher hat er sich keine fremde Sache zugeeignet oder zueignen wollen. Die Girokarte hatte sich bereits der Mitangeklagte Ö zugeeignet, sodass auch insoweit eine Unterschlagung ausscheidet.“
II. Beihilfe zum Betrug
Kommen wir damit zu der Strafbarkeit des A wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug gem. §§ 263 I, V, 27 StGB.
1. Objektiver Tatbestand
a) Tat eines anderen
Die vorsätzliche, rechtswidrige Haupttat des Ö könnte im gewerbsmäßigen Bandenbetrug liegen.
Indem zunächst der die Tat vorbereitende Keiler, als auch später der als Abholer fungierende Ö dem Geschädigten G erklärten, sie seien Bankmitarbeiter und benötigten Karte und PIN, um das Konto des G zu überprüfen und sperren zu lassen, täuschten sie über Tatsachen und verursachten in G einen entsprechenden Irrtum.
Die Übergabe von Karte und PIN müsste nun eine Vermögensverfügung darstellen. Eine Vermögensverfügung ist jedes freiwillige Handeln, Dulden oder Unterlassen, welches sich unmittelbar vermögensmindernd auswirkt. Nun tritt der eigentliche Vermögensabfluss erst durch Verwendung der Karte ein, weswegen man die Unmittelbarkeit verneinen und über § 263a StGB zu einer Strafbarkeit des Täters kommen könnte. Der BGH hat jedoch unter Bezugnahme auf die ständige Rechtsprechung (BGH NStZ-RR 2022, 14) in der Übergabe von Karte und PIN eine konkrete, schadensgleiche Vermögensgefährdung gesehen:
„Der Besitz einer Bankkarte und der zugehörigen Geheimzahl ermöglicht es den Tätern, jederzeit Abhebungen vorzunehmen, sodass bereits ein Gefährdungsschaden eintrat.“
Wie sich aus § 675u BGB ergibt, trat der Schaden beim Zahlungsdienstleister, also der Bank, die die Karte ausgegeben hat, ein. Aufgrund der im Rahmen des Girovertrags eingeräumten Möglichkeiten stand G wirtschaftlich im Lager der Bank, sodass seine Verfügung der Bank zugerechnet werden konnte. Es liegt mithin ein Dreiecksbetrug vor.
Ö handelte auch vorsätzlich sowie mit rechtswidriger und stoffgleicher Bereicherungsabsicht.
Darüber hinaus war er Mitglied einer Bande und handelte gewerbsmäßig, weswegen die Voraussetzungen des § 263 V StGB erfüllt sind.
Hinweis:
Eine nachfolgende Strafbarkeit gem. § 263a StGB durch das Verwenden der Karte ist nach Auffassung des BGH nicht gegeben, da bei einer täuschungsbedingt erlangten Karte, die der Täter vom Opfer freiwillig übergeben bekommen hat, die nachfolgende Verwendung nicht „unbefugt“ gem. § 263a StGB ist. (BGH NStZ-RR 2022, 14)
b) Hilfe leisten
Durch die Verwendung der Karte nebst PIN müsste A die Begehung der Tat gefördert haben. Problematisch ist, dass die Tat mit Übergabe von Karte und PIN bereits vollendet war. In der Literatur (Schönke/Schröder-Hecker § 257 Rn.8) wird von daher teilweise eine sukzessive Beihilfe verneint. Der BGH jedoch bejaht die sukzessive Beihilfe ebenso wie die sukzessive Mittäterschaft in dem Stadium zwischen Vollendung und Beendigung.
„Für den Mitangeklagten Ö. war die Betrugstat zwar vollendet, aber noch nicht beendet. Die ursprünglich als gewerbsmäßiger Bandenbetrug begangene Tat war vollendet, als sich der Mitangeklagte die Girokarte und die Kenntnis von der Geheimzahl täuschungsbedingt verschafft hatte….Spätere Transaktionen mithilfe der Girokarte und der Geheimzahl führen zu einer Vertiefung und Verfestigung des Betrugsschadens zulasten der kontoführenden Bank…Beendet ist der Betrug erst, wenn der (letzte) vom Tatplan erfasste Vermögensvorteil beim Täter endgültig eingetreten ist und die Tat im Ganzen ihren Abschluss gefunden hat. Dies war hier bei den Tathandlungen des Angeklagten schon deshalb nicht der Fall, weil der Mitangeklagte nach der Abrede mit dem „Keiler“ seinerseits weiterhin den von der Geschädigten erlangten Schmuck zu versetzen und den Ertrag teilweise in die Türkei zu transferieren hatte.
Zu der nicht beendeten Betrugstat konnte der Angeklagte noch (sukzessive) Beihilfe leisten… …Denn erst mit einem erfolgreichen Erwerb des Schmucks konnten die Angeklagten mithilfe der EC-Karte endgültig einen werthaltigen Gegenstand erlangen.“
2. Subjektiver Tatbestand
A handelte mit Wissen und Wollen bzgl. der Haupttat und seines eigenen Beitrags. Der BGH führt dazu Folgendes aus:
„Der Angeklagte kannte zudem aufgrund der Unterrichtung durch den Mitangeklagten über das Vorgehen der Bande …jedenfalls alle wesentlichen Merkmale der Haupttat, insbesondere deren Angriffs- und Unrechtsrichtung …und billigte das Gesamtgeschehen. Ihm war dabei bewusst, dass er durch seine Tatbeiträge eine Betrugstat förderte.“
3. Tatbestandsverschiebung gem. § 28 II StGB
Da sowohl die Bandenmitgliedschaft als auch die Gewerbsmäßigkeit besondere persönliche Merkmale sind, welche die Strafe des Grundtatbestandes schärfen, muss hier eine Tatbestandsverschiebung gem. § 28 II StGB vorgenommen werden, da A nicht Mitglied der Bande war und auch nicht gewerbsmäßig handelte.
A hat sich also wegen sukzessiver Beihilfe zum Betrug gem. §§ 263 I, 27 StGB strafbar gemacht.
III. Geldwäsche
A könnte sich ferner wegen Geldwäsche gem. 261 I 1 Nr. 3 StGB strafbar gemacht haben, indem er den Schmuck kaufte.
1. Objektiver Tatbestand
Dann müsste der Schmuck zunächst ein Gegenstand sein, der aus einer rechtswidrigen Tat herrührt.
Ein Betrug wurde beim Erwerb des Schmucks nicht begangen. Weder täuschte A konkludent über seine Zahlungsfähigkeit oder -willigkeit noch über seine Berechtigung, die Karte zu verwenden, da der Inhaber des Schmuckgeschäfts aufgrund der Eingabe des PIN den Kaufpreis gutgeschrieben bekam, mithin kein Interesse an der letztgenannten Erklärung hatte.
Für § 261 StGB kann aber auf den Betrug und die aus diesem Betrug erlangte Karte abgestellt werden. Dazu führt der BGH Folgendes aus:
„Ein Gegenstand rührt aus einer rechtswidrigen Tat im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 1 StGB her, wenn bei wirtschaftlicher Betrachtung zwischen dem Gegenstand und der in Rede stehenden Tat ein Kausalzusammenhang besteht, der Gegenstand seine Ursache also in der rechtswidrigen Tat hat und sich mithin aus dieser ableiten lässt … Zudem darf seine Existenz nicht wesentlich auf der Leistung Dritter beruhen …
Diese Voraussetzungen liegen vor. Der Angeklagte verwendete die aus der Betrugsvortat des Mitangeklagten Ö. stammende Girokarte, um den Schmuck zu erwerben. Ein Kausalzusammenhang liegt damit vor; die Erlangung des Schmucks hängt unmittelbar mit dem vorausgegangenen Betrug zusammen. Schon die Gesetzesmaterialien nennen als aus der Vortat herrührende Gegenstände beispielhaft Schmuck, der mit Bankguthaben bezahlt wird, dem die Bareinzahlung des „Gewinns“ aus Betäubungsmittelgeschäften zugrunde liegt …. Wird kriminell erwirtschaftetes Bargeld eingesetzt, ist ein erworbener Gegenstand ebenfalls bemakelt … Bei wertender Betrachtung besteht kein rechtserheblicher Unterschied zum vorliegenden Fall. Der Angeklagte setzte zwar kein auf kriminelle Weise erlangtes Bargeld, aber doch ein Zahlungsmittel ein, über das er allein aufgrund einer Straftat verfügen konnte…. Die ihm nicht zustehende Girokarte ermöglichte es ihm aufgrund seiner Kenntnis der zugehörigen PIN nicht anders als sonstige illegale Einkünfte (Bar- oder Buchgeld), den Schmuck von einem Dritten zu erlangen. Der geldwerte Vorteil, der hier bereits mit der Verfügungsgewalt über die Karte verbunden war, setzte sich wirtschaftlich gesehen in dem bargeldlos erworbenen Schmuck fort.
Diese Vermögensgegenstände stammen mithin aus der Vortat und sind als deren Ertrag anzusehen.“
Als Tathandlung kommt das Verschaffen gem. § 261 I 1 Nr. 3 StGB in Betracht. Dazu der BGH wie folgt:
„Der Angeklagte, der insoweit aufgrund seiner festgestellten Tatherrschaft täterschaftlich handelte, hatte den Schmuck wie erforderlich durch einen abgeleiteten Erwerb vom Vorbesitzer … Sodann verschaffte er die mit dem Ankauf bemakelten Vermögensgegenstände dem Mitangeklagten Ö. als Drittem, indem er sie ihm zur weiteren Verfügung aushändigte.
Auch der Vortäter ist Dritter im Sinne von § 261 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB, wenn die an ihn weitergeleiteten Vermögensgegenstände – wie hier – bei Tatbeginn zum Vermögen eines anderen gehörten.“
2. Subjektiver Tatbestand
A handelte mit Wissen und Wollen. Zu den Voraussetzungen führt der BGH Folgendes aus:
„Bei der Geldwäsche nach § 261 StGB n.F. muss sich der Vorsatz des Täters darauf erstrecken, dass der von der Tathandlung erfasste Gegenstand aus einer rechtswidrigen Tat herrührt. Weder für das Wissens- noch für das Willenselement des Geldwäschevorsatzes muss sich die subjektive Vorstellung des Täters auf Umstände beziehen, die dem tatsächlichen Vortatgeschehen entsprechen. Er muss dieses weder nach Zeit und Ort der Begehung noch nach Tatbild und Beteiligten kennen … Ausreichend ist vielmehr, wenn der Täter um eine „illegale Herkunft“ der betreffenden Gegenstände weiß oder eine solche zumindest für möglich hält und billigt … Hier hatte der Angeklagte nach den Urteilsgründen positive Kenntnis davon, dass der Mitangeklagte eine Straftat begangen hatte, um an die eingesetzte Girokarte zu gelangen. Damit handelte der Angeklagte auch hinsichtlich der Umstände vorsätzlich, durch die der von ihm angekaufte Schmuck bemakelt war.“
Hinweis:
Wie bereits ausgeführt haben wir den Sachverhalt etwas verkürzt. Tatsächlich wurde A 2-mal für Ö tätig. Beim ersten Mal wusste er nicht, welche Straftat Ö begangen hatte. Er rechnete jedoch mit der Möglichkeit, dass Ö die Karte und den PIN auf strafbare Weise erlangt hatte und nahm diese Möglichkeit billigend in Kauf. Für die Geldwäsche reicht diese Kenntnis im Rahmen des subjektiven Tatbestandes aus, nicht hingegen für eine schon beim ersten Mal möglicherweise verwirklichte Beihilfe zum Betrug.
3. Straflosigkeit gem. § 261 VII StGB
Allerdings ist in dem von uns gebildeten Sachverhalt A aufgrund von § 261 VII StGB nicht strafbar, da er wegen Beteiligung an der Vortat – hier der Betrug, aus welchem die Girokarte stammte - strafbar ist und die Herkunft des Schmucks gegenüber Ö nicht verschleiert hat.
Hinweis:
Der BGH hat eine Strafbarkeit aus § 261 StGB beim ersten Tätigwerden des A hingegen zu Recht bejaht, da A sich mangels Vorsatzes nicht wegen Beihilfe zum Betrug strafbar gemacht hatte.
C. Prüfungsrelevanz
Dieser Sachverhalt enthält 2 klausurrelevante Probleme nämlich zum einen die Frage, ob ein vollendeter Betrug auch schon dann in Betracht kommt, wenn das Vermögen nur gefährdet ist, und zum anderen die Frage, ob eine Beihilfe nach der Vollendung einer Tat überhaupt noch möglich ist. Darüber hinaus hättest Du in einer Klausur sicherlich zunächst mit der Strafbarkeit des Ö begonnen und neben dem Betrug auch § 263a StGB prüfen müssen. Hier hätte sich nun die Frage gestellt, wie das Tatbestandsmerkmal „unbefugt“ zu definieren ist. Schließlich bietet der Sachverhalt noch Anlass, sich mit § 261 StGB auseinanderzusetzen. Alles in allem ist die BGH-Entscheidung damit wunderbar geeignet, Teil einer Examensklausur zu werden.
(BGH Beschl. v. 14.08.2024 – 4 StR 260/24)
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