(K)eine Entschädigung bei ausbleibender Lieferung?
Der Werbespruch einer bekannten Restaurantkette “Heute bleibt die Küche kalt, wir gehen in den Wienerwald” aus dem Jahr 1977 ist wohl durchaus als prägnant zu bezeichnen - er bleibt im Kopf. Was aber, wenn der Spruch sozusagen Realität wird?
Was ist passiert?
A bestellte bei der B-GmbH Anfang Juli 2020 für knapp 30.000 Euro eine Einbauküche, die von B zunächst hergestellt, dann geliefert und schließlich auch eingebaut werden sollte. Die Parteien vereinbarten eine Anzahlung i.H.v. knapp 15.000 Euro, welche der A auch pünktlich beglich. Der Vertrag enthielt zudem eine Klausel, wonach A den restlichen Betrag bei Anlieferung der Küche in bar bezahlen wolle und andernfalls kein Aufbau erfolgt. Ende Juli 2021 wollte die B-GmbH die Küche dann ausliefern, wozu es aber nicht kam, da A nicht bereit war, vor dem Aufbau die ausstehende Zahlung zu leisten. A setzte der B daraufhin mit anwaltlichem Schreiben eine angemessene Frist zur Vertragserfüllung, welche aber erfolglos blieb. Im darauffolgenden Rechtsstreit wurde die B im Mai 2022 durch Versäumnisurteil zu Lieferung und Aufbau der Küche Zug-um-Zug gegen Zahlung des ausstehenden Betrags verurteilt. Ende Juli 2022 erklärte die B, sie werde die Küche liefern und einbauen, erwarte aber, dass der Restbetrag in bar bereitgehalten werde. Nach Übergabe des Geldes werde sie die Montage durchführen, wobei A auch den Montagebetrag i.H.v. 750 Euro zurückbehalten könne. Zudem wies die B den A darauf hin, dass dieser Betrag in jedem Fall gezahlt werden müsse, auch dann, wenn es Mängel gebe. Aufgrund weiterer Meinungsverschiedenheiten hat B die Küche weiterhin nicht montiert. Anfang 2023 erklärte A gegenüber B den Rücktritt vom Kaufvertrag und forderte sie zur Rückzahlung der geleisteten Anzahlung auf. Desweiteren verlangte er Nutzungsausfallentschädigung iHv. etwa 13.000 Euro wegen Nichtmontage der Küche. B berief sich u.a. auf Annahmeverzug des A. Er habe deutlich gemacht, am Auslieferungstag keine Zahlung zu leisten.
Rechtliche Einordnung
Wir befinden uns im Schuldrecht. Soweit dürfte Dir die Einordnung keine Schwierigkeiten bereiten. Die Frage, der sich im Übrigen auch das Gericht zuerst gewidmet hat, ist allerdings, ob sich das zugrunde liegende Schuldverhältnis nach kaufrechtlichen oder werkvertraglichen Vorschriften richtet und steht A überhaupt ein Rücktrittsrecht zu oder ist dieses möglicherweise nach § 326 VI BGB ausgeschlossen. Weiter wartet der Fall mit der Frage auf, ob die Regelung im Vertrag, dass die restliche Summe vor Einbau zu zahlen sei, überhaupt rechtmäßig ist. Diese AGB-Prüfung wird schließlich nur noch getoppt durch grundlegende Erwägungen zur Nutzungsausfallentschädigung.
Die Entscheidung des Gerichts
Das LG Lübeck gibt der Klage teilweise statt.
Ein Rückzahlungsanspruch ergebe sich aus §§ 336 I, 323 I BGB.
Zwischen den Parteien sei ein Werklieferungsvertrag zustande gekommen, auf welchen Kauf- und nicht Werkvertragsrecht anzuwenden sei. Der Schwerpunkt des Vertrags liege deutlich in der Verschaffung von Besitz und Eigentum an der Küche, die Montageleistung nehme (mit einem Wert von 750 Euro) nur eine deutlich untergeordnete Bedeutung ein.
Die Rücktrittserklärung sei ordnungsgemäß erfolgt, der Rücktritt nicht verfristet und ein Rücktrittsgrund ergebe sich aus § 323 I BGB, weil B eine fällige und durchsetzbare Leistung nicht erbracht habe und eine angemessene Frist gesetzt worden sei.
B sei kraft des Werklieferungsvertrags zur Lieferung und Montage der Küche verpflichtet. Sie habe sich zur Erfüllung dieser Verpflichtung zunächst aber - gestützt auf die Klausel im Vertrag - nur mit der Maßgabe bereit erklärt, dass der Kläger den vollständigen Restkaufpreis vor der Montage der Küche in bar bezahle.
Diese als AGB zu bewertende Regelung sei allerdings unwirksam, da sie mit wesentlichen Grundgedanken des Gesetzes nicht zu vereinbaren sei. Sie führe zu einer Vorleistungspflicht des Käufers, die mit der synallagmatischen Verknüpfung der kaufrechtlichen Hauptleistungspflichten aus § 320 I 1 BGB nicht zu vereinbaren sei. Zwar sei der B ein sachliches Interesse zuzugestehen, wenn sie den ihr zustehenden Anspruch auf Zahlung der Vergütung vor dem Einbau der gelieferten Möbel absichere. Der Käufer werde indes aber völlig schutzlos gestellt, da er auf diese Weise jegliches Druckmittel verliere, sollte der Einbau mangelhaft sein. Hierin liege gerade kein sachgerechter Interessenausgleich.
Soweit die B angeboten habe, die Küche mit der Maßgabe zu montieren, dass der Kläger den Montagebetrag zurückbehalten dürfe, sei dies ebenfalls kein ordnungsgemäßes Leistungsangebot, da dieser niedrige Betrag zum einen ebenfalls kein hinreichendes Druckmittel sei und der A zum anderen einem solchen Angebot auf Vertragsänderung schon gar nicht zugestimmt habe.
Der Rücktritt sei auch nicht nach § 323 VI BGB ausgeschlossen, denn der A sei weder für den Umstand, der zum Rücktritt berechtigt, allein oder weit überwiegend verantwortlich noch liege seitens A Annahmeverzug vor.
Der zum Rücktritt berechtigende Umstand sei hier einzig die Tatsache, dass die B keine ordnungsgemäße Leistung angeboten habe, sondern dies in unzulässiger Weise von der Zahlung des ausstehenden Betrags abhängig gemacht habe, wofür allein B verantwortlich sei.
Ein Annahmeverzug des A scheide schon deshalb aus, da aus den genannten Gründen kein ordnungsgemäßes Leistungsangebot nach § 294 BGB vorliege.
Der wirksame Rücktritt habe dann zur Folge, dass die empfangenen Leistungen, hier also die Anzahlung, herauszugeben seien.
Ein Anspruch auf Nutzungsausfallentschädigung bestehe indes aber nicht.
Der Verlust von Nutzungsvorteilen stelle im vorliegenden Fall keinen ersatzfähigen Schaden i.S.d. §§ 249 ff. BGB dar. Dies folge daraus, dass nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein solcher Nutzungsausfall nur dann gewährt werde, wenn dem Geschädigten eine ihm bereits gehörende Sache zeitweise entzogen oder vertraglich zu gewährende Gebrauchsvorteile nicht gewährt würden. Demzufolge stelle der Verlust der Nutzungsmöglichkeit der Küche im vorliegenden Fall keinen Vermögensschaden dar, denn ein Gebrauch an noch nicht existierenden Sachen sei nicht möglich und deshalb ein Gebrauchsvorteil auch noch nicht vorhanden. Die Einbauküche werde erst durch vollständige Montage zu einer nutzbaren Sache.
Prüfungsrelevanz
Das Leistungsstörungsrecht ist das mit Abstand am meisten geprüfte Rechtsgebiet aus dem Schuldrecht AT. Der Fall eignet sich durch die Vielzahl an absolut ausbildungsrelevanten Fragestellungen als Anfänger-, Fortgeschrittenen, aber auch als Examensklausur bestens. Bei Anfängern wird das Prüfungsamt Dir sicherlich lenkend einige Argumente an die Hand geben oder auch einzelne Probleme weglassen. Examenskandidaten können gerade bei der AGB-Prüfung und auch bei der Problematik um die Nutzungsausfallentschädigung mit eigenen Überlegungen und guter juristischer Argumentation überzeugen.
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