AG Hannover zur Aufklärungspflicht
Guter Schlaf ist den meisten Menschen heilig. Ein nicht unbedeutender Faktor dafür ist eine gute Matratze. Diese gibt es in den unterschiedlichsten Härtegraden. Doch muss ein Verkäufer auf den Härtegrad einer Matratze beim Kauf eines Bettes im Fachgeschäft hinweisen? Wie so häufig in Jura lautet die Antwort: es kommt darauf an. Worauf es in diesem Fall ankam, führt das AG Hannover in seiner Entscheidung deutlich aus.
Was ist geschehen?
Mutter und Tochter besuchen eine Verkaufsfiliale der Beklagten. Dort erwarben sie ein Schlafzimmer für die Tochter. Unter anderem umfasste das Schlafzimmer auch ein Boxspringbett inklusive zweier Matratzen. Ein Warenschild wies den Härtegrad der Matratzen mit H5 aus. Über den Härtegrad sprachen die Beteiligten in dem Verkaufsgespräch allerdings nicht. Es kam, wie es kommen musste und es stellte sich heraus, dass der vorliegende Härtegrad zu hart für das geringe Gewicht der Tochter war. Dies reklamierte die Klägerin sodann bei der Beklagten. Diese bot der Mutter und späteren Klägerin daraufhin an, neue Matratzen mit geringeren Härtegrad sowie einen Topper zu einem deutlich reduzierten Preis zu erwerben. Auf das Angebot ging die Mutter nicht ein, sondern verfolgte eine Neulieferung. Als dies erfolglos blieb, erklärte sie den Rücktritt und forderte die Beklagte zur Rückabwicklung des Kaufvertrages auf. Zuletzt erklärte sie sogar, sie fechte den Kaufvertrag wegen arglistiger Täuschung an. Sie ist der Meinung, es handle sich bei dem Härtegrad 5 um einen Sachmangel, denn es sei aus dem Verkaufsgespräch deutlich geworden, dass das Boxspringbett für ihre Tochter bestimmt gewesen sei. Die Beklagte hätte daher über den Härtegrad aufklären müssen, weil dieser für das Körpergewicht ihrer Tochter offensichtlich völlig ungeeignet sei. Die Beklagte hingegen argumentiert, eine Beratung sei explizit nicht gewünscht gewesen, da die Klägerin aufgrund eines gemieteten Transporters unter Zeitdruck gestanden hätte. Unabhängig davon, dass die beiden nicht darüber gesprochen hätten, für wen das Bett bestimmt sei, komme es für den Härtegrad auch nicht nur auf das Gewicht der Person an.
Rechtliche Einordnung
Knackpunkt des Falles ist die Frage, ob ein Sachmangel vorliegt. Fast lehrbuchartig geht das AG Hannover in seiner Entscheidung die Vorschriften des § 434 BGB durch: eine Leseempfehlung für beinahe jedes Semester.
Entscheidung des Gerichts
Am Ende lehnt das AG Hannover das Vorliegen eines Sachmangels ab und äußerte sich dabei ausführlich zu jeder Variante des § 434 II BGB.
Ein Sachmangel nach § 434 II Nr. 1 BGB liege nicht vor, denn danach ist ein Sachmangel anzunehmen, wenn die erworbene Sache bei Gefahrübergang nicht die vereinbarte Beschaffenheit aufweist. Aus dem Kaufvertrag ergebe sich die Pflicht der Beklagten zur Lieferung zweier Matratzen mit dem Härtegrad 5. Dieser Pflicht ist die Beklagte nachgekommen. Eine darüber hinausgehende Vereinbarung gab es gerade nicht.
Auch nach Nr. 2 BGB sei kein Sachmangel gegeben. Danach liegt ein Sachmangel vor, wenn sich die Sache nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignet. Voraussetzung sei hier allerdings, dass der Verbraucher dem Verkäufer den betreffenden Zweck spätestens bei Abschluss des Kaufvertrags mitgeteilt habe und der Verkäufer dem auch zugestimmt habe. Hier sei lediglich übereinstimmend vorausgesetzt, dass sich das Bett bzw. die Matratzen zum Schlafen eignen.
Ein darüber hinausgehender, von den Parteien vorausgesetzter Zweck sei hier nicht ersichtlich. Die Klägerin habe eine Beratung nicht angefragt, sondern lediglich unaufgefordert von der Beklagten aufgrund der gesundheitlichen Probleme ihrer Tochter erwartet. Eine bloße Erwartung reiche jedoch nicht für die Erkennbarkeit des einseitig von der Klägerin vorausgesetzten Zweckes aus.
Schließlich sei auch ein Sachmangel nach § 434 III BGB nicht gegeben. Danach liegt ein Sachmangel vor, wenn sich die Sache unter anderem nicht für die gewöhnliche Verwendung eignet und keine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen der gleichen Art üblich ist und die der Käufer nach der Art der Sache erwarten kann. Die erworbenen Matratzen seien aber für die gewöhnliche Verwendung, dem Schlafen, geeignet. Es handele sich bei den Matratzen um handelsübliche Ware.
Auch ein Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrags aufgrund einer Verletzung einer Nebenpflicht gemäß § 241 II BGB sei nicht gegeben. Eine solche Nebenpflichtverletzung liege unter anderem vor, wenn der Verkäufer seiner Hinweis- und Aufklärungspflicht nicht nachgekommen wäre. Das AG stellte aber fest, dass sich eine solche Hinweis- oder Aufklärungspflicht des Verkäufers auf diejenigen für den ihm bekannten Verwendungszweck bedeutsamen Eigenschaften des Kaufgegenstands beschränke.
Für die Beklagte sei nicht erkennbar gewesen, dass die Auswahl der Matratze aufgrund der Krankheiten ihrer Tochter für die Klägerin besonders wichtig gewesen sei. Sie habe nach eigener Aussage eine Beratung lediglich erwartet, ohne diese anzufragen. Eine lückenlose Aufklärung ohne konkrete Anhaltspunkte, die auf die Wichtigkeit der Auswahl der Matratze hindeuten, könne die Klägerin jedoch nicht erwarten.
Auch der erklärten Anfechtung wegen arglistiger Täuschung erteilte das AG eine Absage. Es fehle bereits an einer Täuschung, schließlich sei zu keinem Zeitpunkt der Härtegrad zur Sprache gekommen und eine Aufklärungspflicht habe eben gerade nicht bestanden. Ein mögliches Verschweigen von Tatsachen reiche daher nicht für das Vorliegen einer Täuschung aus.
Prüfungsrelevanz
Der Fall könnte ohne größere Abwandlungen sowohl in der Zwischenprüfung als auch mit prozessualer Verlängerung im Examen geprüft werden. Der Sachmangel Begriff und insbesondere die genaue Subsumtion sind regelmäßig Gegenstand Klausuren aller Semester. Der Fall eignet sich also bestens als Klausurvorlage.
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