VG Köln zur Pflicht politische Parteien zu "Wahlarenen" einzuladen

VG Köln zur Pflicht politische Parteien zu

Parteienprivileg vs. Rundfunkfreiheit

Nicht nur in den Vereinigten Staaten, wo sogenannte TV Duelle zwischen den Spitzenkandidaten vor bedeutenden Wahlen schon seit geraumer Zeit Tradition haben, sondern auch hierzulande erfreuen sich derartige Formate zunehmender Beliebtheit. Einerseits ist es für die Zuschauer interessant, die politischen Ansichten der unterschiedlichen Parteien auf konkrete Fragen hin zu hören, andererseits bieten die Shows eine gute Möglichkeit, breitenwirksam Wahlkampf zu machen. Insofern ist es dann natürlich nachvollziehbar, dass Parteien nicht ganz erfreut sind, wenn sie zu einer solchen Veranstaltung nicht eingeladen werden, noch dazu, wenn es sich um ein Format einer öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalt mit besonders großem Zuschauerkreis handelt. Ob und unter welchen Umständen Sender die Pflicht haben, gewisse Parteien bzw. ihre Spitzenkandidaten einzuladen, musste das Verwaltungsgericht in Köln vor Kurzem entscheiden.

Was ist passiert?

Eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt veranstaltet im Zuge der Europawahl die Sendung “Wahlarena 2024 Europa”, die nur wenige Tage vor dem Wahltermin stattfindet. Dort sollen die Moderatoren den Parteivertretern einerseits verschiedene vorbereitete Fragen stellen, andererseits ist aber auch ein direkter Dialog mit dem Studiopublikum vorgesehen. Das Konzept der Sendung besteht darin, Parteien, die bereits bei der vorangegangenen Europawahl an der Sendung teilgenommen haben, erneut antreten zu lassen, um sie u.a. mit deren politischen Versäumnissen in der Vergangenheit konfrontieren zu können. Die Rundfunkanstalt lädt demnach Vertreter der verschiedenen Parteien ein, nicht aber der A Partei. Die A Partei sieht sich in ihren Rechten aus Art. 21 bzw. Art. 3 GG verletzt und wendet sich an das Verwaltungsgericht, um im einstweiligen Rechtsschutz eine Einladung zu erstreiten.

Rechtliche Einordnung

Politische Parteien fungieren als Bindeglied zwischen Staat und Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, die politische Meinung in der Gesellschaft zu bündeln und die demokratische Willensbildung von unten nach oben zu unterstützen. In diesem Zusammenhang ist es von zentraler Bedeutung, dass den unterschiedlichen Parteien auch in Bezug auf Öffentlichkeitsarbeit gleiche Chancen gewährt werden. Dies ergibt sich verfassungsrechtlich aus Art. 21 I iVm. 3 I GG.

Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten sind grundsätzlich auch Teil des Staates, können sich somit grundsätzlich nicht auf Grundrechte berufen. Eine Ausnahme besteht allerdings angesichts der grundrechtstypischen Gefährdungslage hinsichtlich der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG.

Die Entscheidung des VG Köln ist lesenswert, weil es sich mit dem Verhältnis zwischen diesen beiden grundrechtlich geschützten Positionen auseinandersetzt.

Die Entscheidung des VG Köln

Das Gericht lehnt den Antrag der Partei ab. Ein möglicher Anordnungsanspruch sei nicht gegeben, insbesondere nicht aus Art. 21 I iVm. 3 I GG. Zwar sei es richtig, dass sich aus den zitierten Normen ein Anspruch politischer Parteien auf eine ermessensfehlerfreie Entscheidung der Antragsgegnerin - der Rundfunkanstalt - ergebe, eine solche Entscheidung sei hier aber in nicht zu beanstandender Weise getroffen worden. Zu berücksichtigen sei des Weiteren, dass sich die Antragsgegnerin hier auch auf die Rundfunkfreiheit aus Art. 5 I 2 GG berufen könne. Folglich stehe das Recht der Parteien auf Chancengleichheit und die Rundfunkfreiheit im Widerstreit, sodass hier ein schonender Ausgleich im Wege der praktischen Konkordanz herzustellen sei. Es gelte zudem das Prinzip der sog. gestuften Chancengleichheit, was bedeute, dass den Parteien Sendezeit gemessen an ihrer Bedeutung und Popularität zugeteilt werden dürfe. Nur Parteien, die an der letzten Wahl teilgenommen haben, einzuladen, sei als solches nicht per se rechtswidrig, denn es liege ein nachvollziehbarer redaktioneller Grund vor. Es sei also eine hinzunehmende Folge, dass dadurch bestimmte Vereinigungen - darunter auch die A Partei - ausgeschlossen werden. Die Grundidee der Sendung, nämlich das Konfrontieren der Parteien mit ihren politischen Entscheidungen in der vergangenen Wahlperiode, würde bei einer Teilnahme der A Partei hinsichtlich ihres Kandidaten nicht aufgehen, da sie ja bisher nicht im Europäischen Parlament vertreten gewesen sei. Sie müsse sich dann wohl auch keinen kritischen Fragen stellen und sei damit in einer mit den anderen Parteien nicht vergleichbaren Position.

Des Weiteren begründet das VG seine Entscheidung auch damit, dass die A Partei auch ohne Teilnahme an der konkreten Sendung in ausreichendem Maße Gegenstand von Berichterstattung gewesen sei und somit bezogen auf das gesamte Wahlprogramm die Chancengleichheit gewahrt worden sei. Insbesondere seien Vertreter der A Partei auch bereits in anderen Talk- und Kandidatenvorstellungsrunden vertreten gewesen, sodass dort ebenfalls die Möglichkeit bestanden habe die eigenen politischen Ansichten darzustellen.

Prüfungsrelevanz

Das Parteienprivileg ist ein gern verwendetes Thema in sowohl staats- als auch verwaltungsrechtlichen Klausuren. Der Paradefall hierbei ist der wohl allseits bekannte Stadthallen-Fall, in dem eine meist rechtsextreme Partei Zugang zu einer öffentlichen Einrichtung begehrt, das dann aber versagt wird. Auch wenn es im hiesigen Fall keineswegs um eine rechtsextreme Partei geht, so stehen letztlich wieder ähnliche Fragen, nämlich die der Chancengleichheit, im Raum. Gerade auch der Konnex mit der Rundfunkfreiheit lassen den obigen Sachverhalt bzw. die hier behandelte Entscheidung ergeben die perfekte Grundlage, um in einen Prüfungsfall eingebaut zu werden.

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