Beim Diebstahl gem. § 242 StGB handelt es sich um ein sog. „kupiertes“ Erfolgsdelikt, bei welchem ein möglicher tatbestandlicher Erfolg in die Zueignungsabsicht verlagert wurde. Der Erfolg muss nicht objektiv eintreten, sondern nur subjektiv vom Täter gewollt sein. Das wiederum führt dazu, dass der Zeitpunkt der Vollendung und jener der Beendigung auseinanderfallen. Wann ein Diebstahl beendet ist, hat der BGH in seiner neuen Entscheidung noch einmal ausgeführt.
A. Sachverhalt
A war Mitglied einer Bande, die in Deutschland Autos stahl und in Polen veräußerte. Entsprechend der Bandenabrede entwendeten zwei sich in Deutschland aufhaltende Bandenmitglieder in der Stadt H zwei Kraftfahrzeuge, die sie 5 und 10 km entfernt in derselben Stadt abstellten. Nachdem sie den polnischen Teil der Gruppierung informiert hatten, machten sich A und zwei weitere Mitglieder auf den Weg, um die Kraftfahrzeuge mit eigens hierfür hergestellten Kennzeichendubletten zu versehen und nach Polen zu überführen. Als sie am selben Abend in H ankamen, bemerkten sie, dass eines der beiden Fahrzeuge nicht mehr vor Ort war. Sie befürchteten, dass die Polizei ihr Vorhaben entdeckt hatte und sie bei planmäßiger Fortsetzung festnehmen würde. Sie entfernten sich unverrichteter Dinge. Kurze Zeit später wurden sie von Polizeibeamten, die den Abstellort observiert hatten, verhaftet. Ebenso wie die anderen Mitglieder beabsichtigte auch der Angeklagte, sich hierdurch eine nicht nur vorübergehende Einnahmequelle von einigem Umfang zu verschaffen.
Das Landgericht verurteilte A wegen schweren Bandendiebstahls gem. § 244a StGB.
B. Entscheidung
Der BGH (Beschl. v. 13.02.2024 – 5 StR 580/23) hob diese Entscheidung auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung an eine andere Kammer des Landgerichts zurück.
Sofern in Deiner Klausur § 244a StGB zu prüfen ist, solltest Du aus Gründen der Übersichtlichkeit nicht direkt mit dieser Norm einsteigen, sondern zunächst §§ 242, 243 StGB und dann § 244 I Nr. 2 StGB prüfen. Liegen die Voraussetzungen vor, dann stellst Du in einem gesonderten Prüfungspunkt fest, dass damit auch § 244a StGB verwirklicht ist. Beim Endergebnis führst Du dann noch abschließend aus, dass § 244a die anderen Tatbestände in Gesetzeskonkurrenz verdrängt.
Starten wir also mit der Frage, inwieweit sich A gem. § 242 StGB strafbar gemacht haben könnte. Da er die Wegnahmehandlung nicht selbst ausgeführt hat, kommt nur eine mittäterschaftliche Begehung, oder aber bei Verneinung der Tatherrschaft, eine Beihilfe in Betracht. Der Diebstahl könnte zudem aufgrund der Absicht, sich eine erhebliche Einnahmequelle zu verschaffen, mithin also gewerblich zu handeln, ein Diebstahl in einem besonders schweren Fall gem. § 243 I Nr. 3 StGB sein, den Du zusammen mit § 242 prüfen musst.
I. Strafbarkeit gem. §§ 242, 243 I Nr. 3, 25 II StGB
A könnte sich wegen mittäterschaftlich begangenem Diebstahl in einem besonders schweren Fall gem. §§ 242, 243 I Nr. 3, 25 II StGB strafbar gemacht haben, indem er zusagte, die Autos abzuholen und mit gefälschten Kennzeichendubletten einen der Abstellorte aufsuchte.
Das zuvor dorthin verbrachte Fahrzeug stand nicht im Eigentum des A und war damit eine fremde bewegliche Sache.
Diese müsste weggenommen worden sein. Eine Wegnahme setzt den Bruch fremden und die Begründung neuen, nicht notwendigerweise eigenen Gewahrsams gegen oder ohne den Willen des Gewahrsamsinhabers voraus.
Es darf davon ausgegangen werden, dass das Fahrzeug zunächst im Gewahrsam desjenigen stand, der es fuhr und der aufgrund des Besitzes an den Schlüsseln in der Lage war, jederzeit auf das Fahrzeug zuzugreifen. Selbst wenn der Gewahrsamsinhaber nicht vor Ort war, so besaß er doch gelockerten Gewahrsam an dem Fahrzeug. Dieser Gewahrsam wurde durch das Wegfahren mit dem Fahrzeug aufgehoben, denn ab diesem Zeitpunkt war ein ungehinderter Zugriff des bisherigen Gewahrsamsinhabers nicht mehr möglich. Diese Aufhebung des Gewahrsams geschah auch gegen den Willen des Gewahrsamsinhabers, sodass eine Wegnahme bejaht werden kann.
Allerdings führte A diese Handlung nicht aus, weswegen geprüft werden muss, ob sie ihm über § 25 II StGB zugerechnet werden kann. Voraussetzung dieser Zurechnung ist ein gemeinsamer Tatplan sowie ein täterschaftlicher Verursachungsbeitrag.
Da A Mitglied einer Bande war, die sich zur fortgesetzten Begehung von Diebstählen der genannten Art verbunden hatte, kann man davon ausgehen, dass es auch bezüglich des in Rede stehenden Fahrzeugs einen gemeinsamen Tatplan gab. Fraglich ist allerdings, ob die Handlung des A einen täterschaftlichen Verursachungsbeitrag darstellt.
Dafür ist der Zeitpunkt der Erbringung relevant. Es ist nicht ersichtlich, dass A im Vorfeld der Tatbegehung irgendwelche Beiträge erbracht hat, wie z.B. eine Beteiligung an der Planung, eine Zusage, die Autos abzuholen o.ä. Von daher kann nur auf den späteren Beitrag abgestellt werden. Sofern dieser noch vor der Beendigung der Tat erbracht wurde, käme eine sukzessive Mittäterschaft in Betracht.
Der Diebstahl ist vollendet in dem Augenblick, in welchem der Gewahrsam gebrochen wurde, der objektive Tatbestand mithin verwirklicht wurde. Die Beendigung tritt allerdings erst später ein. Dazu hat der BGH (a.a.O.) Folgendes ausgeführt:
„Ein Diebstahl ist abgeschlossen und damit beendet, wenn der Täter den Gewahrsam an den entwendeten Gegenständen gefestigt und gesichert hat. Wann eine ausreichende Sicherung der Beute erreicht ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Bei Kraftfahrzeugen wird dies in der Regel nicht der Fall sein, solange der Täter sich noch im unmittelbaren Herrschaftsbereich des Bestohlenen befindet oder aus anderen Gründen einem erhöhten Risiko ausgesetzt ist, die Beute durch Nacheile zu verlieren.“
Nun könnte man darauf abstellen, dass die Fahrzeuge sich noch innerhalb der Stadtgrenze befanden und von daher leicht aufgefunden werden konnten. Laut Sachverhalt war ein Fahrzeug entsprechend gefunden und wegbewegt worden. Wahrscheinlich hatte das LG auf diesen Aspekt abgestellt und damit eine Beendigung der Tat verneint. Der BGH (a.a.O.) sah das anders:
„Hier hatten die Täter die entwendeten Kraftfahrzeuge jedoch bereits mehrere Kilometer entfernt von den Tatorten abgestellt. Die Autos waren damit dem Zugriff der Berechtigten entzogen; die Diebe hatten bereits gesicherten Gewahrsam an ihnen erlangt. Dass eines der beiden Fahrzeuge zufällig entdeckt und die Polizei eingeschaltet wurde, ändert daran nichts.“
Da die Tat mithin zum Zeitpunkt der Zusage und des Aufsuchens des Abstellortes beendet war, sind die Tatbeiträge keine täterschaftlichen Verursachungsbeiträge. Eine Strafbarkeit aus §§ 242, 243 I Nr. 2, 25 II StGB scheidet aus.
Auch eine sukzessive Beihilfe ist nach dem Beendigungszeitpunkt nicht mehr möglich.
II. Strafbarkeit gem. § 257 oder § 259 StGB
In Betracht kommt aber eine Strafbarkeit aus einer Anschlusstat wegen Begünstigung gem. § 257 StGB oder aber wegen Hehlerei gem. § 259 StGB.
Bei der Begünstigung muss der Täter durch sein Hilfeleisten dem Vortäter die Vorteile der Tat sichern, was z.B. in einem Verbergen der Sache liegen kann. Bei der Hehlerei bekommt der Täter entweder vom Vortäter die Verfügungsgewalt über die Sache übertragen, indem er sie sich verschafft oder sie absetzt oder indem er dem Vortäter bei dessen Absetzen hilft. Da das LG hierzu keine Feststellungen getroffen hatte, hat der BGH die Sache zur erneuten Verhandlung zurückverwiesen. In beiden Fällen kommt aber nur ein Versuch in Betracht, da das eine Fahrzeug nicht mehr da war und die Täter alsdann festgenommen wurden.
C. Prüfungsrelevanz
Die sukzessive Beteiligung und Qualifikation sind „Dauerbrenner“. In einer Klausur würde der Sachverhalt aber wahrscheinlich so abgewandelt sein, dass Du das Problem der sukzessiven Mittäterschaft diskutieren müsstest. Hier werden grundsätzlich 2 Positionen vertreten:
Die Rechtsprechung sowie ein Teil des Schrifttums lassen die sukzessive Mittäterschaft bis zur Beendigung der Tat zu, da die Tat erst mit Beendigung ihren tatsächlichen Abschluss gefunden habe und die Beendigungsphase, so z.B. beim Diebstahl, von großer Wichtigkeit sein könne (BGH NStZ 2024, 395).
Denkbar ist auch, dass bei einer mittäterschaftlichen Begehung einer der Täter einen Qualifikationstatbestand verwirklicht hat, der andere aber erst danach dazu kommt und bei der Verwirklichung des Grunddelikts mitwirkt. So hatte in einem vom BGH zu entscheidenden Fall (BGH NStZ 2016, 524) einer der Mittäter das Opfer mit Reizgas außer Gefecht gesetzt und dann zusammen mit dem hinzukommenden anderen Mittäter die Türe verschlossen und anschließend Wertgegenstände entfernt. Die Qualifikation des § 250 II Nr. 1 war bereits vollendet, als der 2. Täter hinzukam, was aber für den BGH kein Problem war, sofern sich der Vorsatz des 2. Täters auf das bereits abgeschlossene Geschehen erstreckte.
Nach herrschender Literaturmeinung ist eine sukzessive Mittäterschaft nur bis zum Zeitpunkt der Vollendung des jeweiligen Delikts möglich, da Grundlage einer Strafbarkeit ein Verhalten sein müsse, welches zur Verwirklichung des Tatbestands beigetragen habe, denn die Strafbarkeit richte sich nach der Vollendung nicht nach der Beendigung. Dies soll auch für bereits abgeschlossene Qualifikationen gelten (Lackner/Kühl § 25 Rn. 12; Jäger, Strafrecht AT, Rn. 231).
Die Diskussion kann ähnlich übertragen werden auf die sukzessive Qualifikation, wenn z.B. ein Täter erst nach Vollendung des Diebstahls ein Messer ergreift, um sich beim Abtransport der Beute ggfs. verteidigen zu können, wobei er das Messer dann später wie beabsichtigt in der Nähe des Tatorts wegwirft, wo es gefunden werden kann. Hier liegt kein Diebstahl am Messer vor, da die Zueignungsabsicht zu verneinen ist. Es stellt sich aber gleichwohl die Frage, ob der Täter bei Begehung des Diebstahls ein gefährliches Werkzeug bei sich geführt hat, § 244 I Nr. 1a StGB. Stellt man darauf ab, dass nur der Vollendungszeitpunkt relevant ist, dann scheidet eine sukzessive Qualifikation aus.
(BGH Beschl. v. 13.02.2024 – 5 StR 580/23)
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