OLG Bremen zum Versuchsbeginn bei betrügerischen Telefonanrufen

OLG Bremen zum Versuchsbeginn bei betrügerischen Telefonanrufen

Wann liegt bei der Betrugsmasche “falsche Polizeibeamte” ein unmittelbares Ansetzen vor?

Die Betrugsmasche “falsche Polizeibeamte bzw. falsche Bankmitarbeiter” dürfte wohl den meisten Menschen aufgrund vielfacher medialer Berichterstattung und behördlicher Warnungen mittlerweile ein Begriff sein. Nichtsdestotrotz werden weiterhin täglich zahlreiche, insbesondere ältere und deswegen meist leichter zu überzeugende Personen, Opfer dieser Masche. Das Vorgehen der Betrüger ist im Wesentlichen immer gleich, sie agieren meist in fest organisatorischen Strukturen. In diesem Fall war es Aufgabe des “Telefonteams” Anrufe zu tätigen, sich dabei als Polizeibeamte oder Bankmitarbeiter auszugeben und den Angerufenen im Gespräch am Hörer mitzuteilen, dass der Verdacht bestehe, sie seien in den Besitz von Falschgeld gekommen. Um diesen Verdacht auszuräumen oder zu bestätigen, fordern die Täter ihre Opfer auf, die Seriennummer der Geldscheine mitzuteilen. Freilich antworten sie dann immer, dass sich der Verdacht erhärtet habe und sie die Scheine zeitnah wieder gegen echte Geldscheine austauschen müssten. Um dies zu realisieren, sei aber bereits ein Kollege der Kripo bzw. Bank unterwegs und werde die falschen Geldscheine alsbald abholen, austauschen und dann wieder zurückbringen. Wenn das Opfer der Geschichte Glauben schenkt und der Anweisung Folge leistet, erscheint dann wenige Minuten später tatsächlich ein Komplize und nimmt die vermeintlich falschen Geldscheine an sich. Der Grund, warum ein derartiges Vorgehen für die Täter oftmals erfolgreich ist, dass sie das Telefongespräch bis zur Übergabe der Scheine aufrechterhalten und so das Opfer im Grunde keine Zeit hat, sich über die Plausibilität des Vorgangs Gedanken zu machen.

Dass ein solches Vorgehen - wenn es denn geklappt hat - als vollendeter Betrug nach § 263 StGB strafbar ist, dürfte wohl einleuchten. Doch wie verhält es sich, wenn die Gesprächsteilnehmer Verdacht schöpfen und während des Telefonats auflegen - liegt dann bereits ein ebenso strafbarer versuchter Betrug vor oder handelt es sich lediglich um eine straflose Vorbereitungshandlung? Diese Frage hatte auch das Oberlandesgericht in Bremen jüngst zu entscheiden.

Was ist passiert?

A, B, C, D und E haben in der Vergangenheit mehrfach die oben dargestellte Betrugsmasche angewendet und waren dabei teilweise erfolgreich, teilweise aber auch nicht. Nach dem Auffliegen der Bande hat die Staatsanwaltschaft Bremen gegen alle Beteiligten u.a. wegen Betruges und versuchten Betruges Anklage zum Landgericht Bremen erhoben. Dieses eröffnete die Hauptverhandlung aber nur hinsichtlich der vollendeten Betrugstaten, nicht aber hinsichtlich der nur versuchten Taten. Dagegen wandte sich die Staatsanwaltschaft mittels sofortiger Beschwerde.

Rechtliche Einordnung

Im oben geschilderten Sachverhalt sind sowohl materiell-rechtliche als auch prozessuale Fragestellungen zu klären. Sofern auch hinsichtlich der nicht geglückten Anrufe ein strafbarer Versuch vorläge, so hätte das LG Bremen letztlich die Hauptverhandlung nach § 203 StPO eröffnen müssen. Abgelehnt wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft nämlich nur mit der Begründung, dass ein versuchter Betrug nicht gesehen werden könne und folglich auch diesbezüglich kein hinreichender Tatverdacht gegeben sei. Ob bereits ein versuchter Betrug vorliegt, beurteilt sich hier maßgeblich danach, ob die Täter zur Tat bereits unmittelbar angesetzt haben, § 22 StGB.

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts

Das OLG gibt der Beschwerde der Staatsanwaltschaft statt. Nach § 203 StPO sei die Hauptverhandlung zu eröffnen, wenn ein hinreichender Tatverdacht bestehe. Dies sei immer dann der Fall, wenn eine Verurteilung des Angeschuldigten angesichts der Aktenlage wahrscheinlicher ist als ein Freispruch. Dies sei vorliegend auch hinsichtlich eines versuchten Betruges der Fall, denn insbesondere liege bereits ein unmittelbares Ansetzen zur Tat und keine bloße Vorbereitungshandlung vor.

Das Gericht verweist hierfür zunächst auf die Ausführungen des Bundesgerichtshofs, wonach ein unmittelbares Ansetzen bei solchen Handlungen vorliege, die nach der Vorstellung des Täters in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen oder mit ihr in einem unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang stünden, was der Fall sei, wenn der Täter subjektiv die Schwelle zum “Jetzt geht es los” überschreite und er objektiv zur tatbestandsmäßigen Angriffshandlung ansetze, sodass sein Tun ohne Zwischenakte in die Erfüllung des Tatbestandes übergehe.

Im Betrugskontext sei entscheidend, ob die vorgenommene Handlung unmittelbar in die angestrebte Vermögensminderung münde oder diese lediglich vorbereite. Hier spiele die bereits eingangs geschilderte Besonderheit - der dauerhafte Telefonkontakt bis zur Geldübergabe - eine entscheidende Rolle. Nach Auffassung des Gerichts liege deswegen nämlich insgesamt ein einheitliches Geschehen vor, das durch den Anruf eingeleitet werde, sodass bereits in der Behauptung, es könnte sich um Falschgeld handeln, ein unmittelbares Ansetzen zur Tat liege. Es könne ausgeschlossen werden, dass die Angeschuldigten das Vorliegen von Falschgeld verneint hätten, sodass bereits diese Aussage - sofern die Angerufenen nicht aufgelegt hätten - in der späteren Vermögensverfügung gemündet wäre.

Prüfungsrelevanz

Der Versuch ist eine Konstellation, die Prüfer:innen in strafrechtlichen Schein- oder Examensklausuren sehr gern nutzen, da sich in diesem Zusammenhang an mehreren Stellen diskussionswürdige Probleme - so wie auch in dem hier geschilderten Fall - ergeben. Angesichts dessen ist es unumgänglich, die Prüfung des Versuchs sauber zu beherrschen. Des Weiteren ist auch der Betrug nach § 263 StGB - gerne auch i.V.m. Regelbeispielen - ein sehr prüfungsrelevantes Delikt. Die hier behandelte Entscheidung ist also in doppelter Hinsicht und gerade auch aufgrund ihrer Aktualität bestens für eine Klausur geeignet.

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