BGH zur Schwarzgeldabrede beim Grundstückskauf

BGH zur Schwarzgeldabrede beim Grundstückskauf

Ist der Kaufvertrag nichtig, wenn zwecks Steuerhinterziehung der Kaufpreis falsch angegeben wird?

Wenn ein Dienst- oder Werkvertrag gegen das Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz (SchwarzArbG) verstößt, führt dies in der Regel zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags. Lassen sich diese Grundsätze auf den Grundstückskaufvertrag übertragen? Hierzu entschied jetzt der BGH.

A. Leicht vereinfachter Sachverhalt

B verkaufte der Käuferin K mit notariellem Kaufvertrag ein Grundstück. Gleichzeitig erklärten beide die Auflassung. B und K hatten sich auf einen Kaufpreis in Höhe von 150.000 Euro geeinigt. In der notariellen Vertragsurkunde wurde als Kaufpreis jedoch 120.000 Euro angegeben, um Grunderwerbssteuer zu sparen. Käuferin K überwies 150.000 Euro an B und wurde als Eigentümerin des Grundstücks in das Grundbuch eingetragen. B zeigte sich danach selbst beim Finanzamt wegen Steuerhinterziehung an. B und K führten daraufhin Gespräche über die Wirksamkeit des Vertrages. Dabei überzeugte B die K die Eintragung eines Widerspruchs gegen die Eintragung der K als Eigentümerin im Grundbuch zu bewilligen. Der Widerspruch wird ins Grundbuch eingetragen. Später kommen K aber Zweifel.

K verlangt von B die Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs. Zu recht?

B. Entscheidung des BGH

K könnte ein Anspruch gegen B auf Zustimmung zur Löschung des Widerspruchs aus § 894 BGB zustehen.

Gläubiger des aus dieser Norm folgenden Berichtigungsanspruchs ist zwar gewöhnlich der nicht eingetragene wahre Berechtigte, Schuldner der zu Unrecht eingetragene Buchberechtigte. Die Vorschrift gilt aber entsprechend für den eingetragenen wahren Berechtigten, der die Löschung eines Widerspruchs erreichen möchte, dessen Eintragung der vermeintliche Berechtigte (materiell) zu Unrecht erwirkt hat.

Voraussetzung für einen solchen Anspruch aus § 894 BGB analog auf Löschung eines Widerspruchs ist, dass die Anspruchsstellerin wahre Berechtigte im Sinne von § 894 BGB ist und die Eintragung des Widerspruchs zugunsten des Anspruchsgegners im Grundbuch daher materiell zu Unrecht erfolgt ist. Das ist hier der Fall, wenn K wirksam Eigentümerin des Grundstücks geworden ist.

I. Ursprüngliche Eigentumslage

Ursprünglich war B Eigentümer des Grundstücks. Das Eigentum am Grundstück könnte aber auf K übergegangen sein.

II. Eigentumsübergang

Das Eigentum an einem Grundstück geht nach §§ 873 I, 925 I BGB mit der Auflassung und Eintragung der Erwerberin als Eigentümerin in das Grundbuch über. K und B haben die Auflassung erklärt und K wurde auch ins Grundbuch als Eigentümerin des Grundstücks eingetragen. Die Auflassung könnte jedoch nichtig sein. Die Nichtigkeit der Auflassung könnte sich aus einem Wirksamkeitsmangel des zugrunde liegenden Kaufvertrags ergeben, der auch auf das dingliche Rechtsgeschäft durchschlägt.

1. Nichtigkeit des Kaufvertrags

Zu prüfen ist daher, ob der zwischen K und B geschlossene Kaufvertrag nichtig ist.

a) Formunwirksamkeit

Der zwischen K und B geschlossene Kaufvertrag könnte formunwirksam sein und daher nichtig sein.

Zwar war der beurkundete Kaufvertrag mit einem Kaufpreis von 120.000 € nicht gewollt und als Scheingeschäft nach § 117 Abs. 1 BGB nichtig, während der gewollte, lediglich mündlich geschlossene Vertrag mit einem Kaufpreis von 150.000 € gemäß § 117 Abs. 2, § 311b Abs. 1 Satz 1, § 125 Satz 1 BGB zunächst formnichtig war. Der Formmangel wurde aber durch die in dem notariellen Vertrag erklärte Auflassung und die Eintragung der Klägerin in das Grundbuch gemäß § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt.

Der Kaufvertrag ist daher nicht formunwirksam.

b) Gesetzliches Verbot oder Verstoß gegen die guten Sitten

Der Kaufvertrag könnte nach §§ 134, 138 I BGB nichtig sein.

Ein etwaiger Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot wäre nicht nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB geheilt, denn die Heilung nach dieser Vorschrift bezieht sich nur auf eine zunächst bestehende Formnichtigkeit eines Grundstückskaufvertrags. Andere Nichtigkeitsgründe, insbesondere die der §§ 134, 138 Abs. 1 BGB, werden von der Vorschrift nicht erfasst.

aa) Gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB

Die Schwarzgeldabrede könnte als Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führen.

Wird der Kaufpreis bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrags in der Absicht, Steuern zu hinterziehen, niedriger angegeben als mündlich vereinbart (sog. Schwarzgeldabrede), ist der Vertrag (…), in der Regel nicht nichtig. Anders liegt es nur, wenn die Steuerhinterziehungsabsicht alleiniger oder hauptsächlicher Zweck des Rechtsgeschäfts ist; dies ist jedoch regelmäßig nicht der Fall, wenn der Leistungsaustausch, d.h. die Verpflichtung des Verkäufers zur Übertragung des Grundstücks und die Verpflichtung des Käufers zur Zahlung des Kaufpreises, ernstlich gewollt

ist (…).

(…) ein Vertrag, mit dessen Abwicklung eine Steuerhinterziehung verbunden ist, (ist also) nur dann nichtig (…), wenn die Steuerhinterziehung den Hauptzweck des Vertrags bildet (…).

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den zum Werkvertragsrecht ergangenen Entscheidungen des BGH.

Diese (…) sind (…) auf Schwarzgeldabreden bei Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar.

Nach der Rechtsprechung des VII. Zivilsenats ist ein unter den Anwendungsbereich des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes fallender Vertrag ohne weiteres in seiner Gesamtheit nichtig, wenn darin Regelungen enthalten sind, die dazu dienen, dass eine Vertragspartei als Steuerpflichtige ihre sich auf Grund der nach dem Vertrag geschuldeten Werkleistungen ergebenden steuerlichen Pflichten nicht erfüllt. In subjektiver Hinsicht reicht es dafür aus, dass der Unternehmer vorsätzlich gegen seine steuerlichen Pflichten verstößt und der Besteller den Verstoß des Unternehmers kennt und bewusst zum eigenen Vorteil ausnutzt. Die Rechtsfolge der Gesamtnichtigkeit des Vertrags tritt dabei unabhängig von dem verfolgten Hauptzweck des Vertrags ein (…).

Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 II 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, könnten auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen zu übertragen sein.

Die Regelung in § 1 Abs. 2 Nr. 2 aF (§ 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 nF) SchwarzArbG verbietet unmittelbar den Abschluss von Verträgen, die auf die Nichterfüllung steuerlicher Pflichten gerichtet sind. Dies beruht darauf, dass das Ziel des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes gemäß § 1 Abs. 1 SchwarzArbG die Bekämpfung von Schwarzarbeit ist. Zur Erreichung dieses Zwecks will das Gesetz nicht nur den tatsächlichen Vorgang der Schwarzarbeit eindämmen, sondern im Interesse der wirtschaftlichen Ordnung und des redlichen Wettbewerbs den zu Grunde liegenden Rechtsgeschäften ihre rechtliche Wirkung nehmen. Nur so kann der Leistungsaustausch zwischen den Vertragspartnern schlechthin unterbunden werden (…).

Eine entsprechende Regelung existiert für Schwarzgeldabreden beim Abschluss eines Grundstückskaufvertrags nicht. Eine solche Abrede kann zwar, wenn sie mit der Absicht getroffen wird, Steuern zu hinterziehen, gegen § 370 Abs. 1 Nr. 1 Abgabenordnung (AO) verstoßen. Nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht und dadurch Steuern verkürzt. Der Schutzzweck dieser Norm liegt aber – anders als beim Verbot der Schwarzarbeit – nicht (auch) in dem Schutz des redlichen Wettbewerbs, etwa (…) dem Schutz anderer Kaufinteressenten, sondern allein in der Sicherung des staatlichen Steueraufkommens (…). Dieser Zweck erfordert es nicht, dem Grundstücksgeschäft selbst die Wirksamkeit zu versagen. Darin liegt ein entscheidender Unterschied zu Zweck und Zielrichtung des Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetzes.

Die Erwägungen, die im Falle eines Verstoßes gegen § 1 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SchwarzArbG zur Nichtigkeit des Dienst- oder Werkvertrags führen, sind auf Schwarzgeldabreden im Rahmen von Grundstückskaufverträgen nicht übertragbar. Das Verbotsgesetz, gegen das durch eine solche Abrede verstoßen wird, hat eine andere Zielrichtung.

Die Schwarzgeldabrede führt (…) nicht wegen eines Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB unmittelbar zur Nichtigkeit des Kaufvertrages.

Der Kaufvertrag verstößt also nicht gegen ein gesetzliches Verbot gemäß § 134 BGB, das zur Nichtigkeit des Kaufvertrages führt.

bb) Sittenwidrigkeit nach § 138 I BGB

Allerdings hat die Vereinbarung der Falschangabe des Kaufpreises zum Zwecke einer nachfolgenden Steuerhinterziehung rechtlich etwas Anstößiges (…). Sie schlägt aber auf den gesamten Vertrag nur durch und lässt diesen selbst nur dann als rechtlich anstößig erscheinen, wenn die verbotene Steuerhinterziehung den von den Parteien beabsichtigten Hauptzweck des Vertrags bildet. Nur dann widerspricht das gesamte Rechtsgeschäft den der Rechtsordnung selbst innewohnenden rechtsethischen Werten und Prinzipien und ist wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nach § 138 Abs. 1 BGB nichtig (…). Ist der Leistungsaustausch –Grundstückseigentum gegen Kaufpreis – ernstlich gewollt und die Steuerhinterziehung nur Nebenzweck, besteht nach der Zielrichtung des § 370 AO über die Strafbarkeit der Steuerhinterziehung, so sie denn tatsächlich erfolgt, und die Beitreibung der hinterzogenen Steuern hinaus kein Grund dafür, dem Grundstücksgeschäft selbst die Wirksamkeit zu versagen.

Der Kaufvertrag ist daher nicht nach § 138 I BGB wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten nichtig.

c) Zwischenergebnis

Weder verstößt der Grundstückskaufvertrag selbst gegen ein gesetzliches Verbot oder die guten Sitten noch führt eine etwaige isolierte Nichtigkeit der Abrede über die Unterverbriefung, d.h. die Nichtbeurkundung eines Teils des Kaufpreises in Höhe von 30.000 Euro, nach § 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit des Vertrags.

Der Kaufvertrag ist daher wirksam.

2. Nichtigkeit der Auflassung

Da die Schwarzgeldabrede schon nicht zur Unwirksamkeit des Kaufvertrags führt, kann dahinstehen, ob sie darüber hinaus zur Nichtigkeit der Auflassung geführt hätte. Dies erscheint allerdings fraglich. Denn der Verstoß eines Rechtsgeschäfts gegen ein Verbotsgesetz oder gegen die guten Sitten führt, abgesehen von dem hier nicht einschlägigen Fall des § 138 Abs. 2 BGB, grundsätzlich nur zur Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts, nicht auch zur Nichtigkeit des Erfüllungsgeschäfts. Anders liegt es nur, wenn das Verbotsgesetz gerade auch das Erfüllungsgeschäft verhindern will oder wenn der Verstoß gegen die guten Sitten auch im Erfüllungsgeschäft selbst liegt (…). Die Regelung in § 370 AO schützt indes (allein) den staatlichen

Steueranspruch, d.h. das rechtzeitige und vollständige Steueraufkommen jeder einzelnen Steuerart (…); ihr Ziel ist es nicht, die – für sich genommen nicht anstößige – Übertragung von Grundeigentum zu verhindern.

III. Ergebnis

Aufgrund des wirksamen Eigentumsübergangs auf die K ist in der Folge die Eintragung des hiergegen gerichteten Widerspruchs zugunsten des B im Grundbuch materiell zu Unrecht erfolgt, sodass die K die Löschung des Widerspruchs entsprechend § 894 BGB von dem B verlangen kann.

C. Prüfungsrelevanz

Die Entscheidung ist mit Elementen aus dem Immobiliarsachenrecht und dem BGB Allgemeiner Teil sehr geeignet als Grundlage für eine Klausur. Man muss die Entscheidung – wie übrigens auch keine andere – nicht auswendig lernen, aber es lohnt sich, sich mit ihr auseinanderzusetzen. Für den Einstieg braucht man ausreichenden Überblick darüber, welche Anspruchsgrundlagen es im Immobiliarsachenrecht so gibt. Wenn einem das noch fehlt, lohnt es sich auch einfach mal ein bisschen im Gesetz zu blättern und sich so einen Überblick zu verschaffen. Ansonsten hilft die Auseinandersetzung mit der Entscheidung dabei, mögliche Argumentationsmuster kennenzulernen.

(BGH, Urteil vom 15. März 2024, Az. V ZR 115/22)

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