Fristlose Kündigung wegen zerrüttetem Mietverhältnis?
Das Wort „Zerrüttung“ kennen die meisten nur aus dem Familienrecht. Nun verwendete der BGH diesen Begriff auch im Rahmen einer mietrechtlichen Entscheidung bezogen auf Wohnraum. Es stellte sich die Frage, ob im Wohnraummietrecht das Konstrukt des Zerrüttungsprinzips herangezogen werden soll und eine fristlose Kündigung ermöglicht. Soll ein Vermieter also allein deshalb kündigen können, weil die Vertrauensbeziehung zwischen Vermieter und Mieter zerstört ist? Diese Frage hat der BGH jetzt geklärt.
Worum geht es?
Seit einigen Jahren kam es zwischen den Vermietern und den Mietern einer Vierzimmerwohnung wiederholt zu Streitigkeiten. Unter anderem hätten die Mieter die Mülltonnen falsch befüllt und die Hausordnung missachtet. Die Mieter erstatteten zudem Anzeige wegen Verleumdung gegen die Vermieter. Zudem behaupten die Mieter, einer der Vermieter habe einen der Mieter als „Penner“ bezeichnet und sich schreiend über das unzureichende Putzverhalten aufgeregt. Was im Einzelnen passiert ist, ist zwischen den Parteien indes streitig.
Wegen der Strafanzeige und des „zerrütteten“ Mietverhältnisses erklärten die Vermieter schriftlich im Winter 2023 die außerordentliche fristlose Kündigung. Hilfsweise erklärten sie zusätzlich die fristgemäße Kündigung. Im weiteren Verlauf des Rechtsstreits klagten die Vermieter erfolglos auf Räumung und Herausgabe der Wohnung vor dem Amtsgericht. Gegen die Entscheidung des Amtsgerichts legten die Vermieter Berufung vor dem Landgericht ein, doch auch dies ohne Erfolg. Nunmehr gelangte die Sache im Rahmen eines Revisionsverfahrens zum BGH.
Entscheidung des Gerichts
Hinsichtlich der fristgemäßen Kündigung verwarf der BGH die Revision gem. §§ 543, 552 I ZPO schon als unzulässig. Das Berufungsgericht hatte die Revision nämlich wirksam auf den Räumungsanspruch aufgrund der fristlosen Kündigung beschränkt.
Hinsichtlich der fristlosen Kündigung stellte sich die Frage, ob ein Kündigungsgrund iSd § 543 I BGB vorlag. Gemäß § 543 I 1 BGB kann ein Mietverhältnis nämlich nur aus wichtigem Grund außerordentlich fristlos gekündigt werden. Ein wichtiger Grund liegt nach § 543 I 2 BGB vor, wenn die Fortsetzung des Mietverhältnisses dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist nicht zugemutet werden kann. In § 569 II BGB ist für Wohnraum ergänzend geregelt, dass ein wichtiger Grund im Sinne des § 543 I BGB ferner vorliegt, wenn eine Vertragspartei den Hausfrieden nachhaltig stört. Eine solche Störung des Hausfriedens setzt nach dem BGH voraus, dass eine Mietpartei die gemäß § 241 II BGB aus dem Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme folgende Pflicht, sich bei der Nutzung der Mietsache so zu verhalten, dass die anderen Bewohner nicht mehr als unvermeidlich gestört werden, in schwerwiegender Weise verletze. Die etwaige Zerstörung der Vertrauensgrundlage als Folge des zerrütteten Mietverhältnisses alleine reiche indes nicht aus, um einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung anzunehmen. Ein wichtiger Grund zur Kündigung von Dauerschuldverhältnissen sei grundsätzlich nur dann gegeben, wenn der Kündigungsgrund im Risikobereich des anderen Vertragsteils liege. Daher müsse neben der Zerrüttung ein pflichtwidriges Verhalten des anderen Teils vorliegen. Ein solches könne in einer grundlosen Strafanzeige, nicht aber mit einer zutreffenden Strafanzeige gesehen werden. Auch hinsichtlich der fristlosen Kündigung hat die Revision also keinen Erfolg.
Prüfungsrelevanz
Die Frage, ob ein wichtiger Grund für eine Kündigung vorliegt, ist eine Wertungsfrage. Bei Wertungsfragen musst Du den Sachverhalt möglichst umfassend auswerten und abwiegen. Das macht eine eigene Argumentation nötig und ist deshalb beliebter Prüfungsstoff. Um in der Klausur überhaupt erstmal bei der Wertungsfrage anzukommen, musst Du aber zunächst die richtigen Rechtsgrundlagen finden. Das Mietrecht ist hier mit verschiedenen Abschnitten und Verweisen zum Teil etwas unübersichtlich. Hier lohnt es sich, sich in Ruhe einen Überblick zu verschaffen.
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