BGH zur Beteiligung des Abholers beim sogenannten Polizistentrick

BGH zur Beteiligung des Abholers beim sogenannten Polizistentrick

Abgrenzungskriterien von Mittäterschaft und Beihilfe

Noch immer fallen gerade ältere Menschen auf betrügerische Banden herein. Diese gaukeln ihnen meist telefonisch vor, dass ihr Geld und ihre Wertgegenstände zu Hause nicht sicher seien. Sie geben sich dabei als falsche Polizisten aus und bieten an, die Wertgegenstände abzuholen und sicher zu verwahren. Dass die Täter den Betrugstatbestand im kollusiven Zusammenwirken erfüllen, dürfte kaum problematisch sein. Doch die Frage ist, wie sich die einzelnen Täter konkret strafbar machen. Im Folgenden wollen wir insbesondere die Rolle der Abholerin beleuchten.

A. Sachverhalt

Die F beteiligt sich an einer Gruppierung, die – gesteuert aus dem Ausland heraus – Betrugstaten nach dem modus operandi „Falscher Polizeibeamter“ begeht. Im Ausland tätige Anrufer („Keiler“) nehmen telefonisch Kontakt mit älteren Personen in Deutschland auf, wobei den Opfern mittels „Caller-IDSpoofing“ als Telefonnummer des Anrufers ein deutscher Anschluss angezeigt wird. Die Anrufer geben sich als Polizeibeamte aus und spiegeln den Opfern vor, Straftäter seien im Begriff, bei ihnen einzubrechen oder in kollusivem Zusammenwirken mit Angestellten ihrer Bank Sparguthaben zu vereinnahmen. Die Angerufenen sollen ihre zu Hause befindlichen Bargeldbestände und Wertsachen zusammentragen bzw. Geld von ihren Bankkonten abheben und die Vermögenswerte, um diese zu sichern, zur Abholung durch die Polizei vor ihrer Wohnung bereitlegen oder Polizeibeamten übergeben, die sie zu Hause aufsuchen werden. Sofern die Angerufenen den Behauptungen Glauben schenken und den Aufforderungen nachkommen, fahren sog. „Abholer“ zu ihnen, die von den Hintermännern im Ausland benachrichtigt und während ihrer Tätigkeit telefonisch angeleitet und geführt werden. Sie nehmen – je nach Fallkonstellation – von den Opfern außerhalb ihrer Wohnungen zur Abholung bereitgelegte Behältnisse mit Vermögensgegenständen an sich oder treten in direkten Kontakt mit den Geschädigten, geben sich als Polizeibeamte aus und lassen sich für die Polizei bereitgestellte Vermögenswerte aushändigen. Anschließend übergeben die „Abholer“ die erlangte Beute an „Logistiker“, die ihrerseits die „Abholer“ aus dem Erlangten entlohnen und die verbleibenden Taterträge an die Hintermänner transferieren. Die F schließt sich der Gruppierung in voller Kenntnis der Vorgehensweise als „Abholerin“ an.

Sie erklärt sich bereit, zukünftig in der vereinbarten Funktion fortlaufend tätig zu werden, und wird in die ihr bekannte arbeitsteilige Organisationsstruktur des Zusammenschlusses eingebunden. Sie will sich durch wiederholte Tatbegehungen eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer verschaffen. Die F hat jedoch Hemmungen, sich selbst unmittelbar zu den Wohnungen der Geschädigten zu begeben und dort Geld oder Wertgegenstände an sich zu nehmen. Sie gewinnt daher ohne Kenntnis der Hintermänner und absprachewidrig eine Freundin – die M – dafür, an „Abholungen“ mitzuwirken. In vier Fällen fahren beide jeweils mit dem Pkw der F zu den Wohnungen der Opfer, nachdem F von einem Hintermann telefonisch benachrichtigt worden ist, dass eine Abholung anstehe und sodann ihrerseits die M verständigt und aufgenommen hat. Dabei erhält F zunächst keine Informationen zum Ort der Abholung und zur erforderlichen Vorgehensweise. Vielmehr steht sie während der Fahrten in ständigem Telefonkontakt zu einem Hintermann und wird von diesem telefonisch zu den Wohnungen gelotst. Am Abholort angekommen übernimmt die M das Mobiltelefon der F und begibt sich zu den Wohnungen der Opfer, während die F, die jeweils davon ausgeht, dass lediglich außerhalb ihrer Wohnungen von den Geschädigten bereitgelegte Behältnisse mit Vermögenswerten ohne persönlichen Kontakt mit den Opfern aufgenommen werden müssen, in unmittelbarer Tatortnähe im Auto verbleibt und auf die Rückkehr ihrer Freundin wartet. In zwei Fällen beschränkt sich die Tätigkeit der M tatsächlich darauf, bereitgestellte Taschen an sich zu nehmen. In zwei weiteren Fällen wird die M während ihres kurzen Weges vom Pkw zur Wohnung der Geschädigten von dem Hintermann, der annimmt, weiterhin mit der F zu sprechen, telefonisch angewiesen, bei den Opfern zu klingeln und sich von diesen Bargeld beziehungsweise Schmuck unmittelbar aushändigen zu lassen, wie es dann auch geschieht. Bei allen vier Taten begibt sich die M nach Erlangung der Vermögensgegenstände zurück zum Fahrzeug der F und übergibt dieser dort das Geld – insgesamt 79.000 Euro – bzw. den Schmuck.

In einem weiteren Fall gelingt es der F nicht, ihre Freundin zu erreichen, sodass sie sich ohne diese auf den Weg zu der Geschädigten macht. Dort angekommen wird sie telefonisch angewiesen, bei dem Opfer zu klingeln, sich diesem gegenüber als die angekündigte Polizeibeamtin auszugeben und Bargeld persönlich entgegenzunehmen. Die F, die erneut davon ausgegangen ist, lediglich ohne Kontakt mit dem Opfer ein bereitgestelltes Behältnis abholen zu sollen, kommt dieser für sie überraschenden Anweisung nach und lässt sich Bargeld in Höhe von 70.000 Euro aushändigen. In allen fünf Fällen liefert F die Tatbeute im Anschluss an die Abholungen vereinbarungsgemäß und im Sinne des arbeitsteiligen Vorgehens der Gruppierung an andere Tatbeteiligte („Logistiker“) ab. Für ihre Mitwirkung erhält sie einen Teil des Erlangten als Tatlohn, dessen Höhe insgesamt 8.000 Euro beträgt. Von diesem händigt sie der M, soweit diese an den Taten beteiligt war, einen Anteil von insgesamt 2.050 Euro als deren Entlohnung aus.

Wie haben sich F und M strafbar gemacht?

B. Entscheidung

I. Betrug, § 263 I (F und M / Fälle 1 bis 4)

F und M könnten sich wegen Betruges gemäß § 263 I StGB in Mittäterschaft strafbar gemacht haben, indem sie in vier Fällen für die Gruppierung Geld und Schmuck bei den Opfern abgeholt haben.

1. Tatbestand

Dazu müssten F und M in der Absicht, sich oder einem Dritten einen rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen, das Vermögen eines anderen dadurch beschädigt haben, dass sie durch Vorspiegelung falscher oder durch Entstellung oder Unterdrückung wahrer Tatsachen einen Irrtum erregt oder unterhalten haben. Der objektive Tatbestand setzt also eine Täuschung über Tatsachen, einen darauf beruhenden Irrtum des Getäuschten, (ungeschrieben) eine kausale Vermögensverfügung sowie einen Vermögensschaden voraus, subjektiv bedarf es Vorsatz und die Absicht rechtswidriger Bereicherung.

Vorliegend waren F und M in die Anbahnung der Taten nicht eingebunden; diese haben jeweils die Anrufer aus dem Ausland (sog. „Keiler“) gegenüber den Geschädigten übernommen, indem sie diesen gegenüber vorgespiegelt haben, Straftäter seien im Begriff, bei ihnen einzubrechen oder in kollusivem Zusammenwirken mit Angestellten ihrer Bank Sparguthaben zu vereinnahmen (Täuschung über Tatsachen). Dies hat die Geschädigten – in dem Glauben an die Richtigkeit dieser Darstellung (Irrtum) – jeweils dazu veranlasst, Bargeldbeträge und Wertsachen zur Abholung bereitzulegen bzw. (an die M) auszuhändigen (Vermögensverfügung), wodurch ihnen auch ein Vermögensschaden entstanden ist, weil die Vermögensgegenstände als Tatentlohnung verwendet bzw. ins Ausland transferiert wurden.

Fraglich ist, ob F und/oder M die Handlungen der übrigen Mitglieder der Gruppierung als eigene Tatbeiträge (objektiv) zugerechnet werden können bzw. sie als Mittäterinnen i.S.v. § 25 II StGB zu behandeln sind, oder ob sie sich lediglich als Gehilfen an den Haupttaten der Hintermänner nach Maßgabe von § 27 StGB beteiligt, also eine fremde rechtswidrige Tat durch ihr Handeln gefördert haben.

F und M sind jeweils zu den Geschädigten gefahren, um dort die bereitgelegten Vermögensgegenstände abzuholen (zwei Fälle) bzw. sich persönlich aushändigen zu lassen (zwei Fälle). Konkret ist F, die auf Zuruf der Hintermänner die jeweiligen „Beutefahrten“ initiiert hat, jeweils im Fahrzeug verblieben, während M – die telefonisch die Anweisungen der Hintermänner entgegengenommen hat – den Besitz an der Tatbeute ergriffen bzw. sich diese hat aushändigen lassen. F hat die Tatbeute im Anschluss vereinbarungsgemäß und im Sinne des arbeitsteiligen Vorgehens der Gruppierung an andere Tatbeteiligte („Logistiker“) abgeliefert und für ihre Mitwirkung einen Tatlohn i.H.v. insgesamt 8.000 Euro erhalten, von dem sie der M für ihre Beteiligung einen Anteil von 2.000 Euro als deren Entlohnung gezahlt hat.

a) Tatbeteiligung der F

Die Handlungen der F müssten für die Annahme von Mittäterschaft ausreichend sein. Dazu der BGH:

„II.1.a)aa) Bei der Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen. Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (…).

bb) Nach diesen Maßstäben begegnet die Annahme, die [F] sei lediglich Gehilfin gewesen, auch dann durchgreifenden rechtlichen Bedenken, wenn man dem Tatgericht bei der vorzunehmenden Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe einen Beurteilungsspielraum zubilligt, der nur eingeschränkter revisionsgerichtlicher Überprüfung zugänglich ist (…). Denn ein solcher Beurteilungsspielraum wäre angesichts der festgestellten konkreten Tatumstände vorliegend jedenfalls überschritten. Die gebotene Gesamtbetrachtung lässt allein die Wertung zu, dass die [F in allen] (…) Fällen (…) als Mittäterin agierte:

(1) Zwar bezogen sich die unmittelbaren Tatbeiträge der [F] (…) darauf, gemeinsam mit der von ihr angeworbenen [M] zu den Abholorten zu fahren und nach der Erlangung der Tatbeute durch diese die Vermögensgegenstände zu einem „Logistiker“ zu transportieren und diesem zu übergeben. Zudem war sie bei ihren Tathandlungen telefonisch eng an die Hintermänner [im Ausland] angebunden. Gleichwohl waren die von ihr geleisteten Tatbeiträge und ihr Tatinteresse nicht derart untergeordneter Natur, dass ihr Agieren lediglich als Beihilfe gewertet werden könnte (…).

(2) Denn der [F] kam als „Abholerin“ eine ganz wesentliche Funktion bei der konzertierten Tatbegehung zu; von ihrer Mitwirkung hing der jeweilige Taterfolg maßgeblich ab. Die Hintermänner [im Ausland] waren für ein Gelingen der Taten darauf angewiesen, dass die [F] auf Zuruf hin sogleich tätig wurde und entsprechend der ihr erteilten Aufträge die Tatbeute entgegennahm und zu „Logistikern“ verbrachte. Regelmäßig sind die „Abholer“ bei Betrugstaten der vorliegenden Art daher rechtlich als Mittäter im Sinne des § 25 Abs. 2 StGB einzustufen (…). Dies gilt auch dann, wenn ein „Abholer“ nicht selbst mit dem Tatopfer in Kontakt tritt und diesem (zumindest konkludent) vorspiegelt, ein Polizeibeamter zu sein, also nicht in eigener Person alle Tatbestandsmerkmale des Betrugs verwirklicht und schon deshalb aus Rechtsgründen Mittäter ist (…).

Das Gewicht der Tatbeiträge der [F] und ihre jeweilige Tatherrschaft in der „Abholphase“ reduzierten sich hier nicht maßgeblich dadurch, dass sie die [M] dafür gewann, sie zu unterstützen, und diese in den vorliegend relevanten Fällen die bereitgelegten Gelder und Wertsachen von den Tatopfern entgegennahm oder an deren Wohnungen aufnahm. Denn die [F] setzte ihre Freundin eigenmächtig und entgegen ihrer Absprache mit den Hintermännern gewissermaßen als Botin ein (…); zudem verblieb sie während des Tätigwerdens der [M] in deren unmittelbarer Nähe, hatte fortwährend eine Einflussnahmemöglichkeit auf diese und ließ sich die Tatbeute jeweils direkt nach deren Erlangung aushändigen.

Schließlich hatte die [F] ein unmittelbares eigenes Interesse am Gelingen der Taten. Denn sie agierte, um sich durch eine Partizipation an der jeweiligen Tatbeute eine eigene fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen. Auch wenn ihr Anteil an der Tatbeute prozentual gering war, belief sich ihre Entlohnung doch mit insgesamt 8.000 € auf einen erheblichen Betrag, so dass die [F] ein großes Eigeninteresse an den Taterfolgen hatte.“

F ist damit eine Mittäterin i.S.v. § 25 II StGB; ihr werden die übrigen Tatbeiträge zugerechnet.

b) Tatbeteiligung der M

Fraglich ist weiter, ob auch die M eine Mittäterin gewesen ist – oder lediglich Gehilfin i.S.v. § 27 StGB.

Ebenso wie die F war auch M während der Tatausführung telefonisch mit den Hintermännern verbunden, um die entsprechenden Instruktionen zu erhalten. In zwei Fällen hat sie sich – nach entsprechender Kontaktaufnahme mit den Geschädigten – auf telefonische Anweisung die spätere Tatbeute persönlich aushändigen lassen, in zwei Fällen die zur Abholung bereitgelegte Beute lediglich an sich genommen. Die Weiterleitung der Bargeldbeträge und Wertgegenstände, die die M jeweils an F ausgehändigt hat, hat F übernommen und der M für ihre Tatbeteiligung eine Entlohnung von 2.050 Euro gezahlt.

Jedenfalls in den zwei Fällen, in denen M sich die Tatbeute hat persönlich aushändigen lassen, rechtfertigen die Gesamtumstände die Annahme mittäterschaftlichen Handelns. In diesen Fällen lag der Erfolg der Tatbegehung in ihren Händen und erschöpfte sich nicht lediglich in der Inbesitznahme bereitgelegter Gegenstände, die sie sodann – ähnlich einer Botin – nur zum Auto der F transportiert hat.

M hat also den Tatbestand des § 263 I StGB – nur – in zwei Fällen als (Mit-)Täterin verwirklicht.

2. Zwischenergebnis

Die subjektiven Voraussetzungen des Betruges sind in Person von F und M erfüllt; sie hatten Vorsatz und die Absicht rechtswidriger Bereicherung. Ferner handelten beide rechtswidrig und schuldhaft.

F hat sich damit wegen Betruges in vier Fällen strafbar gemacht, M wegen Betruges in zwei Fällen.

II. Betrug, § 263 I StGB (F / Fall 5)

F hat sich – als (Mit-)Täterin – wegen eines weiteren Betruges nach § 263 I StGB strafbar gemacht, indem sie sich ohne Mitwirkung der M auf telefonische Anweisung 70.000 Euro hat aushändigen lassen.

III. Beihilfe zum Betrug, §§ 263 I, 27 StGB (M / Fälle 1 bis 4)

In den beiden Fällen, in denen M lediglich die zur Abholung bereitgelegten Wertgegenstände (ohne Kontaktaufnahme) an sich genommen hat, hat sie sich wegen Beihilfe zum Betrug strafbar gemacht.

IV. Gewerbsmäßiger Bandenbetrug, § 263 I und V StGB (F / Fälle 1 bis 5)

F hat sich in fünf Fällen auch wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs strafbar gemacht. Nach § 263 I und V StGB macht sich strafbar, wer den Betrug als Mitglied einer Bande, die sich zur fortgesetzten Begehung von Straftaten nach den §§ 263 bis 264 oder 267 bis 269 StGB verbunden hat, gewerbsmäßig begeht. Anders als bei einem Regelbeispiel nach § 263 II Nr. 1 StGB, für das eine Tatbegehung als Mitglied einer Bande oder gewerbsmäßig erforderlich ist, erhebt § 263 V StGB eine Kombination von beiden Elementen zur Qualifikation bzw. zu einem Verbrechen. Der Begriff der „Bande“ setzt den Zusammenschluss von mindestens drei Personen voraus, die sich mit dem Willen verbunden haben, künftig für eine gewisse Dauer mehrere selbstständige, im Einzelnen noch ungewisse Straftaten des im Gesetz genannten Deliktstyps zu begehen. „Gewerbsmäßigkeit“ liegt vor, wenn der Täter in der Absicht handelt, sich durch wiederholte Tatbegehung eine fortlaufende Einnahmequelle von einiger Dauer und einigem Umfang zu verschaffen. Beides liegt hier vor: F hat sich willentlich an einer aus mehreren Personen bestehenden Gruppierung beteiligt, die Betrugstaten nach dem modus operandi „Falscher Polizeibeamter“ begehen und dabei unter Einsatz von „Keilern“, „Logistikern“ und „Abholern“ rechtswidrig Vermögensgegenstände von verschiedenen Geschädigten erlangen wollten. Und F hat sich mit ihrer Tatbeute, die insgesamt 8.000 Euro betragen hat, auch eine Einnahmequelle verschafft.

Hinweis: Eine etwaige Strafbarkeit der F wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 I S. 1 StGB bzw. Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB war vorliegend nicht zu prüfen, weil insoweit eine Beschränkung der Verfolgung (§ 154a I und 2 StPO) erfolgt war.

V. Konkurrenzen und Ergebnis

Die jeweils von F und M begangenen Straftaten stehen zueinander im Verhältnis der Tatmehrheit.

F hat sich danach wegen gewerbsmäßigen Bandenbetruges (§§ 263 I und V StGB) in fünf Fällen strafbar gemacht und M wegen Betruges und wegen Beihilfe zum Betrug – jeweils in zwei Fällen.

Hinweis: Das Landgericht, dessen Urteil (Verhängung von zwei Jahren Gesamtfreiheitsstrafe ausgesetzt zur Bewährung) die Staatsanwaltschaft mit ihrer zuungunsten der F eingelegten Revision – gestützt auf eine Sachrüge (Verletzung materiellen Rechts) – angefochten hat, hatte die F wegen der ersten vier Fälle nur wegen Beihilfe zum gewerbsmäßigen Bandenbetrug verurteilt. Der 3. Strafsenat des BGH hat den Schuldspruch entsprechend geändert und die Sache wegen der Strafzumessung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Kammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Hinsichtlich der von F und M erbeuteten Geldbeträge war über zudem deren Einziehung nach Maßgabe der §§§ 73 ff. StGB zu entscheiden. Hat der Täter oder Teilnehmer durch eine rechtswidrige Tat oder für sie etwas erlangt, so ordnet das Gericht dessen Einziehung an (§ 73 I StGB). Ist die Einziehung eines Gegenstandes wegen der Beschaffenheit des Erlangten oder aus einem anderen Grund nicht möglich, so ordnet das Gericht die Einziehung eines Geldbetrages an, der dem Wert des Erlangten entspricht (§ 73c S. 1 StGB). Fraglich ist, was F und M hier jeweils „erlangt“ haben. Dazu der BGH:

betreffend F:

„II.2.d) (…) die Anordnung der Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 149.000 € [ist] frei von Rechtsfehlern zum Vor- oder Nachteil der [F]. In allen fünf Fällen erlangte sie durch die Taten die ertrogenen Vermögenswerte im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB, weil diese bis zu ihrer Ablieferung an einen „Logistiker“ ihrer faktischen Verfügungsgewalt unterlagen. Ein Ausnahmefall des lediglich „transitorischen Besitzes“ (…) war ungeachtet der Ablieferungspflicht der [F] und ihrer engmaschigen telefonischen Kontrolle nicht gegeben. Denn sie hatte rein tatsächlich jeweils über den längeren Zeitraum des Transportes der erlangten Vermögensgegenstände eine ungehinderte Zugriffsmöglichkeit auf diese; das genügt für ein Erlangen im Sinne des § 73 Abs. 1 Alt. 1 StGB (…).“

betreffend M (vgl. BGH, Beschl. v. 10.1.2023 – 3 StR 343/22):

„II. (…) Erlangt im Sinne des § 73 Abs. 1 StGB hat die [M] allein den an sie ausgekehrten Anteil des Tatlohns, nicht aber die von ihr bei den Geschädigten abgeholten Vermögenswerte.

  1. Ein Vermögensgegenstand oder sonstiger wirtschaftlicher Vorteil ist im Sinne des § 73 Abs. 1 Alternative 1 StGB „durch“ eine rechtswidrige Tat als Tatertrag erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestandes in irgendeiner Phase des Tatablaufs derart zugeflossen ist, dass er seiner faktischen Verfügungsgewalt unterliegt. Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es dabei nicht an. Eine solche Verfügungsgewalt ist jedenfalls dann gegeben, wenn der Tatbeteiligte im Sinne eines rein tatsächlichen Herrschaftsverhältnisses ungehinderten Zugriff auf den betreffenden Vermögensgegenstand nehmen kann. Bei mehreren Beteiligten genügt zumindest eine tatsächliche Mitverfügungsmacht über den Vermögensgegenstand dergestalt, dass die Möglichkeit eines ungehinderten Zugriffs auf diesen besteht. Für die Bestimmung des Erlangten im Sinne von § 73 Abs. 1 StGB kommt es allein auf eine tatsächliche Betrachtung an; wertende Gesichtspunkte sind nach dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers nicht zu berücksichtigen. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang der Beteiligte eine zunächst gewonnene (Mit-)Verfügungsmacht später aufgegeben hat (…).

  2. Hieran gemessen erlangte die [M] an den ertrogenen Vermögenswerten keine faktische Verfügungsgewalt; vielmehr hatte sie allein deren ganz kurzzeitigen „transitorischen“ Besitz inne. Denn sie transportierte lediglich als Botin die an sich genommenen Behältnisse mit dem Geld beziehungsweise Schmuck weisungsgemäß auf dem jeweils kurzen Weg von der Wohnung der Tatopfer zum Fahrzeug der [F], wo sie die Taschen sogleich ihrer Freundin aushändigte, die diese später an einen „Logistiker“ ablieferte. Die [M] unterstand während der Erbringung ihres Tatbeitrages der Einflussnahmemöglichkeit der im Auto auf sie wartenden [F], die nach der zwischen beiden getroffenen Absprache die gesamte Tatbeute erhalten und einem „Logistiker“ übergeben sollte.

Dieser nur ganz kurzzeitige Besitz zum Zwecke der Weitergabe ohne faktische Verfügungsmacht (transitorischer Besitz) begründete noch keinen rechtserheblichen Vermögenszufluss bei der [M] (…). Den Tatlohn von 2.050 € hat die [M] „für“ die Taten erlangt, wegen derer sie verurteilt worden ist. Damit unterliegt (allein) ein Betrag in dieser Höhe gemäß § 73 Abs. 1 Alt. 2, § 73c Satz 1 StGB der zwingenden Einziehung des Wertes von Taterträgen.“

Betreffend F war demnach also die Einziehung von 149.000 Euro anzuordnen, betreffend M von 2.050 Euro.

Bei der Strafzumessung darf diese Entscheidung aber nicht mitberücksichtigt werden. Dazu der BGH:

„Die Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73c Satz 1 StGB darf jedoch – anders als eine Einziehung nach §§ 74, 74c StGB – nicht bei der Strafzumessung schuldmindernd berücksichtigt werden. Denn die Einziehung von Taterträgen beziehungsweise des Wertes von Taterträgen hat keinen Strafcharakter, sondern dient allein der Abschöpfung rechtswidrig erlangter Vermögensvorteile.“

C. Prüfungsrelevanz

Das hier beschriebene Deliktsphänomen – bei dem vorwiegend ältere Menschen durch Anrufer, die sich als Polizeibeamte ausgeben, dazu veranlasst werden, Geld und Wertgegenstände aus vorgeblichen Sicherheitsgründen an „die Polizei“ bzw. deren beauftragte Abholer herauszugeben bzw. für diese zur Abholung bereitlegen, hat die Strafgerichte – auch den Bundesgerichtshof – schon mehrfach beschäftigt. In Betracht kommt dabei nicht nur eine Strafbarkeit wegen Amtsanmaßung gemäß § 132 StGB oder mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung oder deren Unterstützung nach § 129 I S. 1 und II StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 14.4.2020 – 5 StR 37/20 und BGH, Urteil vom 2.6.2021 – 3 StR 21/21), sondern – wie hier besprochen – wegen (qualifizierten) Betruges nach § 263 I und V StGB (als Täter oder Teilnehmer).

Dass die tatbestandlichen Voraussetzungen des Betruges durch die Vorgehensweise der Tätergruppierung verwirklicht werden, steht für sich genommen außer Frage, aber von besonderer Bedeutung ist, in welcher Weise sich einzelne Mitglieder – wie hier die auf der Ebene der „Abholer“ – konkret strafbar machen, also ob als (Mit-)Täter oder lediglich als Teilnehmer bzw. als Gehilfe. Zu dieser Abgrenzung hatte der 1. Strafsenat des BGH in seinem Urteil vom 29.07.2021 (1 StR 83/21) bereits ausgeführt: „[Dem Beteiligten] kam (…) als „Abholer“ eine wesentliche Rolle innerhalb der Tätergruppierung zu. Ihm wurde die Aufgabe übertragen, die Tatbeute unmittelbar bei den Opfern abzuholen (…). Er war der einzige Tatbeteiligte vor Ort und auch dem größten Entdeckungsrisiko ausgesetzt. In einem Fall wirkte er selbst auf die Geschädigte ein, indem er sie aufforderte, eine Plastiktüte mit Bargeld aus dem Fenster zu werfen. Damit hing die Durchführung der Taten auch objektiv wesentlich von seinem Tatbeitrag ab; ohne diesen hätten die Taten nicht verwirklicht werden können. Auf der anderen Seite war der [Beteiligte] nicht nur nicht an der Organisation der Taten beteiligt, die vielmehr den „Logistikern“ übertragen war. Nur in einem Fall hatte er überhaupt persönlichen Kontakt mit einer Geschädigten. In den übrigen Fällen holte der [Beteiligte] die von den Geschädigten täuschungsbedingt herausgegebenen Vermögensgegenstände lediglich an den Orten ab, an denen die Geschädigten sie nach Vorgabe der „Logistiker“ zuvor zur Abholung durch Polizeibeamte abgelegt hatten. (…) Neben diesen objektiven Faktoren ist auch das Eigeninteresse [Beteiligten] an der Tat und an einer eigenen Tatherrschaft in den Blick zu nehmen.“ Diese Gesichtspunkte sind bei der „erforderlichen wertenden Gesamtbetrachtung der Umstände des Einzelfalls“ in den Blick zu nehmen, um Mittäterschaft von Beihilfe abzugrenzen.

Zur strafrechtlichen Bewertung weiterer Beteiligter an dem sog. Polizistentrick hatte der 3. Strafsenat des BGH in der Sache 3 StR 12/22 (Beschluss v. 02.11.2022) zu entscheiden. Den dortigen Mitbeteiligten A und B kam innerhalb der Gruppierung die Rolle zu, die „Abholer“ nach erfolgreichen Abholungen durch Übergabe von Bargeld zu entlohnen (A) bzw. einen telefonischen Kontakt zu einem Hintermann im Ausland – einem Bruder – nach Differenzen über die Höhe der Entlohnung herzustellen (B). Dazu der BGH: „Der – (…) mittäterschaftlich begangene - Betrug war mit der Erlangung der Tatbeute durch die [anderen Beteiligten] sowie deren Verbringung nach (…) beendet. Denn damit hatten diese [Beteiligten] die ertrogenen Vermögenswerte für die Bande vereinnahmt und gesichert. Die endgültige Erlangung des erstrebten Vermögensvorteils führt zur Beendigung eines Betrugs (…). Rechtlich unerheblich ist insofern (…), dass die Beute zum Zeitpunkt des Agierens der [anderen Beteiligten] noch nicht zu den Hintermännern [ins Ausland] gelangt war, mithin für die ebenfalls an der Tat beteiligten Bandenmitglieder [im Ausland] das deliktische Geschehen zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen war. Der Umstand, dass der Vermögensvorteil nach seiner endgültigen Erlangung noch tatplangemäß innerhalb einer Tätergruppierung verschoben wird, verlagert den Zeitpunkt der Beendigung der Betrugstat nicht nach hinten auf den des Erhalts der Tatbeute durch den vorgesehenen tatbeteiligten Endempfänger. Dies gilt auch dann, wenn der Ersterlanger einen fremdnützigen Betrug zugunsten des Endempfängers begeht (…). Nach Beendigung einer Tat ist weder eine mittäterschaftliche Beteiligung an dieser noch eine Beihilfe zu dieser durch zeitlich nachfolgende Tatbeiträge möglich (…). Ein (…) relevanter Tatbeitrag [von A und B kann] (…) ebenso wenig darin erblickt werden, dass diese sich im Tatvorfeld der Bande anschlossen und damit gegenüber den Hintermännern [im Ausland] zum Ausdruck brachten, für eine Mitwirkung an zukünftigen Taten zur Verfügung zu stehen. Zwar war es für einen erfolgreichen Ablauf der komplexen Tatgeschehen - zumal aus Sicht der Hintermänner - unabdingbar, dass neben „Abholern“ auch „Logistiker“ wie [A und B] in Deutschland jederzeit bereitstanden, ihre verabredeten Beiträge als Bandenmitglieder zu erbringen. Ohne das Wissen um die Bereitschaft von „Logistikern“ und „Abholern“ zum Tätigwerden nach erfolgreicher Einwirkung auf ein Tatopfer per Telefon hätte es für die Hintermänner [im Ausland] keinen Sinn ergeben, ihrerseits Anrufe bei potenziellen Opfern zu tätigen. Würde man aber deshalb die mit ihrem Anschluss an die Bande verbundene allgemeine Zusage [von A und B] gegenüber den Hintermännern [im Ausland], Tatbeiträge wie die tatsächlich später geleisteten zu erbringen, als für eine mittäterschaftliche Tatbeteiligung oder Beihilfe hinreichenden „psychischen Tatbeitrag“ erachten (…), hätte dies letztlich eine Strafbarkeit der bloßen Eingliederung in eine Bande mit der Zusage, an Bandentaten mitzuwirken, zur Folge also eine Strafbarkeit der Bandenmitgliedschaft als solche. [A und B] wären dann allein aufgrund ihrer Bandenzugehörigkeit und unabhängig von eigenen Tatbeiträgen im konkreten Einzelfall strafrechtlich verantwortlich für sämtliche im Rahmen der Bandenabrede verübte Taten. Nach deutschem Recht ist indes weder die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer Bande allein strafbar, noch führt die Zugehörigkeit zu ihr als solche zu einer Strafbarkeit wegen aller von ihr begangenen Taten (…).“ Eine Strafbarkeit von A und B war wegen der Tatbeendigung und der Straflosigkeit der Bandenmitgliedschaft zu verneinen.

Insgesamt handelt es sich bei der Beurteilung der Vorgehensweise von Tätergruppierung, die mit dem Polizistentrick bzw. mit dem modus operandi „Falscher Polizeibeamter“ von den Geschädigten erhebliche Geldbeträge und Wertgegenstände ertrügen, um ein vor allem wegen der Abgrenzung von Mittäterschaft und Beihilfe im Rahmen von § 263 I StGB, aber auch sonst prüfungstaugliches Thema!

(BGH, Urteil vom 29.06.2023 – 3 StR 343/22)