Haftet die E-Scooter Betreiberin?
E-Roller (“Scooter”) haben der deutschen Justiz in der Vergangenheit bereits des Öfteren Kopfzerbrechen bereitet. Erst im Juni diesen Jahres hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main entschieden, dass die Trunkenheitsfahrt mit einem E-Roller die gleichen Promillegrenzen wie die eines Kraftfahrzeugs haben soll. Damit machte das Gericht deutlich, für wie gefährlich es die neuartigen Gefährte hält. Diese Entscheidung ist nur eine von vielen, die die Problematik der umstrittenen Roller verdeutlichen. In diesem aktuellen Fall des OLG Bremen ergibt sich die Gefahr unmittelbar aus ihrer Existenz.
Der Unfallhergang
Ein blinder Mann stürzte im Juli 2020 in Bremen über zwei geparkte E-Scooter, die quer auf dem Bürgersteig geparkt waren. Er war mit einem Langstock unterwegs, um sich im Straßenverkehr zu orientieren. Vor dem Sturz gab der blinde Kläger an, entlang einer “inneren Leitlinie” in gemäßigtem Tempo gegangen zu sein. Diese spezielle Leitlinie dient als Orientierungshilfe für Menschen mit Sehbehinderung. Mithilfe seines Langstocks habe er den ersten E-Scooter identifizieren können. Als er versucht habe, über diesen Roller zu steigen, sei er versehentlich auf den zweiten Scooter, der parallel dahinter gestanden habe, getreten. Dadurch sei er über das Trittbrett des zweiten Rollers gestürzt. Bei dem Sturz erlitt er einen Oberschenkelhalsbruch, der operativ behandelt werden musste.
Halterin der elektrischen Roller war eine E-Scooter Anbieterin, die die Roller gewerblich im sogenannten Free-Floating-Modell vermietete. Das bedeutet, dass die E-Scooter keinen festen Standort haben und je nach Fahrtstrecke und Abstellort der Nutzer:innen beliebig die Position verändern. Der Kläger verlangte nun von der E-Scooter Anbieterin ein Schmerzensgeld in Höhe von 20.000 Euro.
LG und OLG sind sich einig
Das Landgericht Bremen hatte die Klage abgewiesen. Gegen dieses erstinstanzliche Urteil wandte sich der Kläger nun mit einer Berufung vor dem OLG Bremen.
Mangels Pflichtverletzung verneinte auch das OLG eine Haftung der Vermieterin. Zwar seien E-Scooter Anbieter “grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern”, allerdings sei eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt “im praktischen Leben nicht erreichbar”, so das OLG.
Eine Verletzung der Verkehrssicherungspflicht würde sich auch nicht daraus ergeben, wie die E-Roller auf dem Gehweg abgestellt gewesen seien. Dies habe weder gegen allgemeine zivilrechtliche Rücksichtnahmepflichten der Vermieterin gegenüber schutzbedürftigen Menschen noch gegen konkrete Vorgaben verstoßen. Sie habe sich daher im Rahmen der behördlichen Vorgaben ihrer erteilten Sondernutzungserlaubnis für E-Scooter Anbieter bewegt. Die Vorgaben enthielten insbesondere keine Anweisung, in welche Richtung die Roller aufgestellt werden müssen. Nach Ansicht der Frankfurter Richter sei das Aufstellen in Querrichtung nicht weniger anfällig für Kollisionen als das Aufstellen in Längsrichtung. Dies berge nämlich andere Risiken wie beispielsweise das Stolpern über die seitlichen Ständer. Im Übrigen müsse auf öffentlichen Bürgersteigen mit vergleichbaren Hindernissen wie Fahrrädern, Baugerüsten oder Reklameschildern gerechnet werden.
Fazit
E-Roller sind aus dem Stadtbild nicht mehr wegzudenken und ebenso wenig aus juristischen Klausuren. Der Fall bietet sich in einer Deliktsrechtklausur geradezu an, um die Kenntnisse zur Haftung aufgrund von Verkehrssicherungspflichten abzuprüfen. Auch eine Verknüpfung mit weiteren Haftungsfragen rund um eine Fahrt mit dem E-Scooter ist hier durchaus denkbar und macht den Fall dann auch für Klausuren im Examen interessant.
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