Achtung, Wolf!

Achtung, Wolf!

Das OVG Münster zum Herdenschutz im Wolfsgebiet

Man mag sich das Landleben mit Tieren auf einem Hof sehr idyllisch ausmalen. Die romantische Idealvorstellung vom harmonischen Leben mit der Natur stößt allerdings in der Realität immer wieder auf Herausforderungen, wenn es zum Kontakt zwischen Nutztieren und Wildtieren kommt. In Deutschland enden Begegnungen mit Wölfen oft tödlich für besagtes Nutzvieh. Dass Landwirte und Landwirtinnen entsprechende Schutzmaßnahmen ergreifen, um dies zu verhindern, erklärt sich von selbst. Neben der Errichtung eines speziellen Zauns wird hierbei nicht selten auf die Unterstützung von Herdenschutzhunden zurückgegriffen. Was aber, wenn die Helfer auf vier Pfoten selbst zum Ärgernis werden, weil sich Nachbarn durch sie gestört fühlen? Genau mit dieser Frage sah sich das OVG Münster im Rahmen einer Beschwerde einer Landwirtin gegen einen Eilbeschluss des VG Köln kürzlich konfrontiert.

Sachverhalt

Die Antragstellerin betreibt ihre Landwirtschaft im Nebenerwerb und hält in diesem Rahmen 46 Nutztiere. Der Tierbestand reicht von Galloway-Rindern über Ponys, Ziegen und Schafen bis zu einem Esel. Die Weidefläche, auf denen die Tiere sich die meiste Zeit befinden, liegen in einem ausgewiesenen Wolfsschutzgebiet und grenzen unmittelbar an ein dörfliches Gebiet mit Wohnbebauung an. Ein Wolfsschutzgebiet wird ausgewiesen, wenn sich zumindest ein Wolf erwiesenermaßen in diesem Bereich niedergelassen hat. Landwirte und Landwirtinnen können dort deswegen für entsprechende Herdenschutzmaßnahmen finanzielle Förderung erhalten.

Neben einem 1,20 m hohen Elektrozaun setzte die Antragstellerin sieben Wolfsschutzhunde ein, um Wolfsangriffe auf ihre Herde zu vermeiden. Die Hunde bellen nach der Überzeugung des Gerichts häufig rund um die Uhr, was wiederum die Nachbarn störte. Diese beschwerten sich bei der zuständigen Gemeinde, die daraufhin die Antragstellerin per Bescheid verpflichtete, die Herdenschutzhunde in der Zeit von 22 Uhr bis 6 Uhr sowie zusätzlich an Sonn- und Feiertagen von 13 Uhr bis 15 Uhr in einem geschlossenen Raum einzuquartieren.

Einen Eilantrag der Landwirtin gegen die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes nach § 80 V VwGO lehnte das VG Köln ab. Hiergegen legte sie wiederum Beschwerde vor dem OVG Münster ein, § 146 I, IV VwGO.

Entscheidung des OVG Münster

Der 8. Senat kam zu dem Ergebnis, dass der Einsatz von Herdenschutzhunden im Freien auch in ausgewiesenen Wolfsgebieten beschränkt werden dürfe. Voraussetzung hierfür sei, dass eine „erhebliche Beeinträchtigung der Nachbarschaft durch unzumutbares Hundegebell während der Nachtzeit und der Mittagsruhe an Sonn- und Feiertagen“ hierdurch unterbunden werden könne. Sie wiesen die Beschwerde der Landwirtin folglich zurück, da die Anordnung der Gemeinde voraussichtlich rechtswidrig sei.

Zwar fände der Herdenschutz als Zweck für die Hundehaltung Berücksichtigung, allerdings führe dies nicht dazu, dass das Hundegebell in einem ausgewiesenen Wolfsgebiet einen absoluten Vorrang vor den berechtigten nachbarlichen Interessen genieße. Vielmehr überwiege das betriebliche Interesse der Antragstellerin gerade nicht, da sie nicht hinreichend dargelegt habe, auch während der Ruhezeiten zwingend auf die Hilfe ihrer Herdenschutzhunde angewiesen zu sein.

Auch die Lage der Weidefläche in einer dörflich geprägten Umgebung, in der das Gebell in einem gewissen Grad zur ortsüblichen Geräuschkulisse zählt, vermag nicht zu einem anderen Ergebnis zu führen.

Das Gericht verwies die Landwirtin zum Schutz vor dem Wolf auf eine den geltenden Förderrichtlinien entsprechenden Elektrozaun sowie auf ihr Stallgebäude, in dem sie jedenfalls einen Teil ihrer Herde unterstellen könne. Zudem sei ihr wegen ihrer Grundstücksgröße auch eine „organisatorische Umstellung der Weidetierhaltung“ zumutbar: Sie könne sich eines wolfssicheren Gatters bedienen, die Tiere während der Ruhezeiten auf eine kleinere Weidefläche treiben und zusätzlich die Expertise eines Wolfsberaters in Anspruch nehmen.

Schließlich sei es der Antragstellerin nicht gelungen, eine Zertifizierung ihrer Hunde nach dem anerkannten Standard für Herdenschutzhunde nachzuweisen. Im Ergebnis habe der Schutz der Nachbarn vor einer nicht nur geringfügigen Belästigung, die nach ihrem Umfang bereits einen Verstoß gegen das Landesimmissionsschutzgesetz darstelle, in der summarischen Prüfung zu überwiegen.

Jedenfalls hinsichtlich des Eilrechtsschutzes dürfte nun Ruhe einkehren, denn der Beschluss ist unanfechtbar.

Fazit

Der Wolf ist wegen seiner wachsenden Population weiterhin in aller Munde. Aktuell verfolgt das Bundesumweltministerium Bestrebungen, den erleichterten Abschuss von Wölfen in einem Radius von einem Kilometer um einen dokumentierten Riss für 21 Tage unabhängig vom bisher notwendigen DNA-Test zu ermöglichen. Ob sich dies zugunsten eines „regional differenzierten Wolfsmanagements“ realisieren lässt, bleibt abzuwarten. In der Zwischenzeit wird der Beschluss des OVG Münster für neuen Diskussionsstoff, insbesondere bei Landwirten und Landwirtinnen, sorgen.

Aus Perspektive der Prüfungsämter ist er vermutlich eher ein Grund zur Freude, weil er neue Ansatzpunkte für die Klausurerstellung liefert: Die Problematik lässt sich hervorragend in eine Drittschutzkonstellation umstellen, in der der Nachbar ein behördliches Einschreiten gegen einen Landwirt (im Eilrechtsschutzverfahren) begehrt. Das Erfordernis hinsichtlich der prozessualen Standardfragen des Eilrechtsschutzes inklusive der Abgrenzung der §§ 80, 80a VwGO gegenüber § 123 VwGO sattelfest zu sein, wird deutlich. Materiellrechtlich bietet der Fall zudem einen innovativen Anlass, um die baurechtlichen Grundlagen zum Rücksichtnahmegebot zu erarbeiten bzw. zu wiederholen.