Geschäftsmodell: Handwerker-Widerruf

Geschäftsmodell: Handwerker-Widerruf

Wie heilig ist der Verbraucherschutz wirklich?

Verbraucherschutz gilt als heilige Kuh im Zivilrecht. Wohl kaum ein Fall ist denkbar, bei dem ein Unternehmer gegenüber einem Verbraucher schutzwürdig ist - zumindest bis jetzt. Jetzt hat der BGH nämlich über einen ungewöhnlichen Fall entschieden und ungewöhnliche Fälle verdienen das Prädikat äußerst prüfungsrelevant. Auf den ersten Blick beginnt dieser noch wenig überraschend: Zwei Verbraucher erklären gegenüber einem Unternehmer den Widerruf eines geschlossenen Vertrages. Ein Widerrufsrecht leiteten sie aus dem Umstand ab, dass es sich um ein sogenanntes Haustürgeschäft handele. Doch sind sie auch im Recht?

Was war geschehen

Ursprünglich hatten die Kläger (zwei Hauseigentümer) den Beklagten, der einen Dachdeckerbetrieb führt, im Sommer 2018 damit beauftragt, an ihrem Haus Dachrinnenarbeiten auszuführen. Im Zuge dessen schlossen die Parteien einen Werkvertrag.

Bei der Ausführung dieser Arbeiten am 22. und 23. August 2018 fiel einem Mitarbeiter des Beklagten auf, dass auch der Wandanschluss des Daches defekt war und teilte dies den Klägern mit. Er rief den Beklagten an, der den Klägern daraufhin anbot, den Defekt direkt für rund 1.200 Euro zu beseitigen. Da für die Ausführung der damaligen Arbeiten ohnehin ein Gerüst um das Haus aufgestellt war, bot sich an, dieses auch für die Beseitigung des Folgeauftrages zu nutzen, da ansonsten höhere Kosten durch den erneuten Gerüstbau drohten. Am nächsten Tag suchte der Kläger die Baustelle auf und nahm das Angebot gegenüber dem Beklagten an. Der Dachdeckerbetrieb führte die Arbeiten daraufhin mangelfrei aus.

Über ein Jahr später widerriefen die Kläger beide Aufträge schriftlich und übergaben dem Beklagten bei einem anschließenden zufälligen Treffen einen Flyer mit der Aufschrift “Der Handwerker-Widerruf - Schützen Sie sich vor unseriösen Handwerkern”. Sie erklärten, dass sie daraus ein neues Geschäftsmodell entwickelt hätten.

Der Beklagte verweigerte allerdings die Rückzahlung. Die Kläger erhoben daraufhin Klage vor dem Amtsgericht Hameln.

Die Gerichte sind sich uneins

Das AG Hameln wies ihre Klage als “rechtsmissbräuchlich” ab. Die Berufung vor dem Landgericht Hannover war hingegen für die Kläger zumindest teilweise erfolgreich. Die Richter gaben ihnen hinsichtlich des Zusatzauftrags recht und verurteilten den Beklagten zu einer Rückzahlung. Dieses Urteil hob der BGH wieder auf.

Das Landgericht habe entgegen zivilrechtlicher Beweisregeln verkannt, dass der Mitarbeiter die anstehenden Arbeiten zwar am Haus der Kläger näher erläutert habe, der Beklagte aber gerade nicht vor Ort war, sondern telefonisch das Angebot unterbreitete. Der Kläger hätte es erst am folgenden Tag bei einem gewollten Treffen mit dem Beklagten angenommen. Es bestehe insofern gar kein Widerrufsrecht. Die §§ 355, 312g I, 312b I Nr. 1 BGB setzen nämlich beim Vertragsschluss eine gleichzeitige körperliche Anwesenheit beider Parteien außerhalb der Geschäftsräume voraus.

Die Karlsruher Richter begründeten diese Auslegung sowohl mit dem Wortlaut des § 312b I S. 1 Nr. 1 BGB als auch mit dem Zweck der Verbraucherrechterichtlinie. Wird dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben, über das Angebot des Unternehmers nachzudenken, wie im vorliegenden Fall sogar eine Nacht darüber zu schlafen, so benötige er kein Widerrufsrecht. Das Gericht argumentierte, dass in solchen Fällen keine typische Situation von Druck oder Überraschung vorliege, die durch § 312b BGB geschützt werden solle. Hier hat der Kläger den Beklagten am nächsten Tag aktiv aufgesucht, um das Angebot anzunehmen.

Darüber hinaus verlange der § 312 BGB einen vollständigen Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume und nicht nur eine der beiden Vertragserklärungen.

Das LG Hannover muss nun erneut über den Fall verhandeln.

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