Eine Ungleichbehandlung nach Fahrzeuglänge
Jeder, der einen städtischen Bereich bereits selbst mit einem Kfz befuhr, wurde schon mit der essenziellen Frage konfrontiert: Wo stelle ich das Fahrzeug ab? Um diese Parksituation für Bewohner ohne privaten Stellplatz zu entschärfen, werden vielerorts Bewohnerparkzonen eingerichtet, deren Nutzung nur Personen mit dem entsprechenden Bewohnerparkausweis offenstehen. Dass die Steuerung des Parkens in geschlossenen Ortschaften eine deutlich komplexere Rechtsmaterie darstellt, als man auf den ersten Blick meinen könnte, zeigt die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich einer Parkgebührensatzung für die Ausstellung dieser Bewohnerparkausweise.
A. Sachverhalt
Die Stadt Freiburg im Breisgau hat im Dezember 2021 eine Bewohnerparkgebührensatzung erlassen, die die deutliche Anhebung der Gebühren unter Verwendung eines Stufentarifs vorsieht. Als Rechtsgrundlage für den Erlass der Satzung zieht die Stadt § 6a Va StVG heran.
Dieser lautet:
§ 6a Gebühren
[…](5) Für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner städtischer Quartiere mit erheblichem Parkraummangel können die nach Landesrecht zuständigen Behörden Gebühren erheben. Für die Festsetzung der Gebühren werden die Landesregierungen ermächtigt, Gebührenordnungen zu erlassen. In den Gebührenordnungen können auch die Bedeutung der Parkmöglichkeiten, deren wirtschaftlicher Wert oder der sonstige Nutzen der Parkmöglichkeiten für die Bewohner angemessen berücksichtigt werden. In den Gebührenordnungen kann auch ein Höchstsatz festgelegt werden. Die Ermächtigung kann durch Rechtsverordnung weiter übertragen werden.
Von der Übertragungsmöglichkeit nach § 6a Va 5 StVG hat die Landesregierung von Baden-Württemberg mit § 1 der landesrechtlichen Delegationsverordnung zur Erhebung von Parkgebühren (ParkgebVO) Gebrauch gemacht.
§ 1 (Bewohnerparkausweise)
Die Ermächtigung nach § 6a Absatz 5a Satz 2 des Straßenverkehrsgesetzes zum Erlass von Gebührenordnungen für das Ausstellen von Parkausweisen für Bewohner der städtischen Quartiere mit erheblichen Parkraummangel wird auf die örtlichen und unteren Straßenverkehrsbehörden übertragen. Die Gebührenordnungen sind als Rechtsverordnungen, bei Zuständigkeit der Gemeinden als örtliche untere Straßenverkehrsbehörde als Satzungen auszugestalten.
Während der zuvor zu zahlende Betrag jährlich bei 30 Euro lag, legt die angegriffene Satzung seit 01.04.2023 nunmehr die Erhebung einer Gebühr gestaffelt nach Fahrzeuglänge ab 240 Euro (für Fahrzeuge bis 4,20 m), über 360 Euro (bei einer Länge zwischen 4,21 m und 4,70 m), bis zu 480 Euro (ab 4,71 m) fest. Ferner ist eine Ermäßigung bzw. der Erlass der Gebühr aus sozialen Gründen z.B. für Empfänger von Sozialleistungen und für schwerbehinderte Personen vorgesehen. Mit der deutlichen Erhöhung der Gebühren will die Stadt in Form einer lokal wirkenden Klimaschutzmaßnahme einen Anreiz zur Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel setzen, um den städtischen Kfz-Verkehr langfristig zu reduzieren.
Mit der beträchtlichen Steigerung seiner Parkkosten wollte sich der Antragsteller, der Halter eines Kraftfahrzeuges ist und bisher über einen Bewohnerparkausweis verfügte, nicht abfinden. Sein Normenkontrollantrag gegen die Bewohnerparkgebührensatzung blieb vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg erfolglos. Auf die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht die Satzung nun jüngst für unwirksam, §§ 132 I, 144 III 1 Nr. 1, 47 V 2 VwGO.
B. Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts
Der zulässige Normenkontrollantrag ist begründet.
Es fehlt schon an einer tauglichen Ermächtigungsgrundlage für den Erlass einer Satzung, da § 6a Va 5 StVG allein zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt. Da es sich bei den Bewohnerparkgebühren um bundesrechtlich geregelte Gebühren nach dem Straßenverkehrsgesetz handelt, für die der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz nach Art. 74 I Nr. 22 GG hinsichtlich der Erhebung von Straßenbenutzungsgebühren inne hat, sind die Gemeinden an diese Vorgabe des Bundesgesetzgebers gebunden. Der Entscheidung des Bundesgesetzgebers läuft damit der § 1 der baden-württembergischen ParkgebVO insoweit zuwider, dass Gemeinden die Gebührenordnungen hiernach als Satzungen zu erlassen haben.
Ferner fehlt es an einer Ermächtigungsgrundlage für die Ermäßigung und den Erlass der Gebühren aus sozialen Gründen. Der Bundesgesetzgeber hat diese Aspekte bei der Gebührenbemessung nämlich nicht im Rahmen des § 6a Va StVG vorgesehen, sondern als Gebührenzwecke ausschließlich die Kostendeckung und den Vorteilsausgleich normativ zugrunde gelegt.
Die materielle Rechtswidrigkeit der Satzung ergibt sich nicht bereits aus der Gebührenhöhe, die wegen der üblichen Fahrzeuglänge nach der Satzung nunmehr bei 360 Euro liegt. Denn der erhebliche Wert eines wohnungsnahen Parkplatzes steht gerade nicht in einem groben Missverhältnis zum Gebührenzweck des von den Bewohnern erlangten Vorteils in Form des bevorrechtigten Parkens ohne zeitliche Begrenzung und unter Befreiung von der Pflicht zur Entrichtung allgemeiner Parkgebühren. Auch die beträchtliche Steigerung im Vergleich zu der vormaligen Gebühr von jährlich 30 Euro ist kein taugliches Kriterium vor dem Hintergrund der genannten Gebührenzwecke, weil aus dem Verhältnis zur vormaligen Gebührenhöhe keine Aussage über den Vorteilsausgleich getroffen werden kann.
Hinweis: Anders als der VGH, der sich ausführlich mit den klimapolitischen Erwägungen der Stadt als Lenkungsziele befasst hat, nur um diese im Ergebnis als für die verwaltungsrechtliche Entscheidung unbeachtlich einzustufen, hat das BVerwG keinen Anlass gesehen, sich hierzu zu verhalten.
Ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 I GG führt jedoch zur materiellen Rechtswidrigkeit der Satzung. Durch die signifikanten Gebührensprünge, die teilweise bei einem Längenunterschied von 50cm zu einer Verdopplung der Gebühren führt, liegt eine beträchtliche Ungleichbehandlung der Bewohner vor. Dadurch werden die sich aus dem Bewohnerparkausweis ergebenden Vorteile nicht mehr angemessen abgegolten. Auch lässt sich die Staffelung der Parkgebühren nach dem Kriterium der Fahrzeuglänge nicht unter dem Gesichtspunkt der sich höchstens geringfügig auswirkenden Verwaltungsvereinfachung rechtfertigen. Mithin liegt eine Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem ohne hinreichenden sachlichen Grund iSd Art. 3 I GG vor.
C. Prüfungsrelevanz
Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts zeigt auf, dass sich der Anwendungsbereich des Normenkontrollantrags nach § 47 VwGO nicht allein auf den Bebauungsplan als „Klassiker“ beschränkt. Besonders der Umstand, dass in dieser Entscheidung unbekannte Normen im Zentrum der Bearbeitung stehen, bei der eine strukturierte Herangehensweise, das Aufzeigen einer sauberen Grundrechtsprüfung und die Anwendung der verwaltungsrechtlichen Grundprinzipien elementar sind, macht den Sachverhalt aus Sicht eines Klausurerstellers potenziell interessant.
Für die Zukunft bleibt abzuwarten, wie in Baden-Württemberg und weiteren Bundesländern normativ auf die Entscheidung reagiert wird.
( BVerwG, 13.06.2023 - 9 CN 2.22 )
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