BGH zum kleinen Schadensersatz
Der BGH befasst sich in seinem Urteil vom 25. Mai 2023 mit der Frage, ob der Käufer, der von dem Verkäufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache verlangt, auf wesentlich geringere Mängelbeseitigungskosten verwiesen werden kann. Im Ergebnis verneint der BGH dies jedenfalls dann, wenn der Mangel damit nicht ohne Zweifel behoben werden kann.
A. Sachverhalt
Der Kläger (im Folgenden: K) erwarb von der Beklagten (im Folgenden: B) auf der Grundlage eines notariellen Kaufvertrags einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Dachgeschoss nebst Spitzboden zu einem Kaufpreis von 469.300 Euro. B übernahm eine Bauverpflichtung, nach welcher der Kaufgegenstand neu ausgebaut zu übergeben war. Die den Vertragsschluss vermittelnde Maklerin händigte K ein Exposé aus, das als Anlage zum notariellen Kaufvertrag mit beurkundet wurde und in dem das Kaufobjekt als Maisonette mit zwei Ebenen und einer Wohnfläche von insgesamt 103,50 m² angeboten wurde. Von der Wohnfläche sollten 26,89 m² auf den Raum im Spitzboden entfallen. Nach Abschluss des notariellen Kaufvertrags wurde die von B beantragte Baugenehmigung für den „Umbau und Sanierung Dachgeschoss; Ausbau Spitzboden zu einer Wohnung“ mit der Nebenbestimmung erteilt, dass der Spitzboden wegen des Fehlens eines zweiten Rettungswegs nicht als Aufenthaltsraum geeignet und bestimmt sei.
K verlangt von B nach erfolgloser Aufforderung zur Nacherfüllung unter Setzung einer angemessenen Frist zur Nacherfüllung die Zahlung von Schadensersatz zum Ausgleich des sich aus der fehlenden Genehmigung des Spitzbodens zu Wohnzwecken ergebenden mangelbedingten Minderwerts in Höhe von – zutreffend berechnet – 54.000 Euro. Ist ein solcher Anspruch gegeben, wenn die Mängelbeseitigungskosten zwar lediglich 11.000 Euro betragen, eine Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken jedoch einer Änderung der Teilungserklärung der Wohnungseigentümergemeinschaft bedarf – der Zweckbestimmung nach handelt es sich bei dem Spitzboden um einen Wohnnebenraum, der zwar zu der Wohneinheit des K gehört, aber nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf, sondern nur untergeordneten Zwecken, etwa als Lager- oder Abstellraum, dient – und deshalb nicht ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erreicht werden kann?
Hinweis: Es darf unterstellt werden, dass unklar ist, ob die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 10 II WEG verpflichtet wären, der erforderlichen Änderung der Teilungserklärung zuzustimmen; jedenfalls besteht insoweit ein ganz erhebliches Prozessrisiko für K.
B. Entscheidung des BGH
Der durch K gegen B geltend gemachte Schadensersatzanspruch könnte sich aus den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB ergeben.
I. Wirksamer Kaufvertrag
Zwischen K und B ist ein wirksamer, insbesondere notariell beurkundeter und damit nicht gemäß § 125 S. 1 i.V.m. § 311b I 1 BGB formnichtiger Kaufvertrag über die Eigentumswohnung zustande gekommen.
II. Sachmangel im Zeitpunkt des Gefahrübergangs
Der Kaufgegenstand leidet gemäß § 434 I, II Nr. 1 BGB an einem Sachmangel, weil er nicht die vereinbarte Beschaffenheit hat und damit nicht den subjektiven Anforderungen entspricht. Ausweislich des Exposés, das als Anlage zum notariellen Kaufvertrag mit beurkundet wurde, wurde das Kaufobjekt als Maisonette mit zwei Ebenen und einer Wohnfläche von insgesamt 103,50 m² angeboten, wobei von der Wohnfläche 26,89 m² auf den Raum im Spitzboden entfallen sollten. Tatsächlich handelt es sich bei dem Spitzboden aber – zumindest im Zeitpunkt des Gefahrübergangs – nicht um Wohnraum, sondern lediglich um Wohnnebenraum, sodass eine negative Abweichung der Ist- von der Sollbeschaffenheit vorliegt.
III. Voraussetzungen des Schadensersatzes statt der Leistung
Die durch K gemäß § 281 I 1 BGB zur Nacherfüllung gesetzte angemessene Nachfrist hat B fruchtlos verstreichen lassen. Da sich B auch nicht im Sinne von § 280 I 2 BGB exkulpiert hat, ist der haftungsbegründende Tatbestand erfüllt.
IV. Haftungsumfang des „kleinen“ Schadensersatzanspruchs statt der Leistung
K verlangt von B lediglich den sog. „kleinen“ Schadensersatz statt der Leistung i.S.v. § 281 I 1 BGB. Dabei behält der Gläubiger die mangelhafte Leistung und verlangt im Übrigen so gestellt zu werden, als ob ordnungsgemäß erfüllt worden wäre. Fraglich ist, in welcher Weise dies zu geschehen hat.
Ausgangspunkt der Überlegung muss der ursprüngliche Erfüllungsanspruch des K sein. Nach §§ 437 Nr. 1, 439 I BGB hat der Käufer bei Vorliegen eines Mangels einen Anspruch auf Nacherfüllung, welche nach seiner Wahl in Form der Beseitigung des Mangels oder der Lieferung einer mangelfreien Sache erfolgen kann. Unterbleibt die Nacherfüllung, kann der Käufer nach Ablauf einer dem Verkäufer erfolglos gesetzten Frist zur Nacherfüllung Schadensersatz verlangen. Die Primärleistung kann aufgrund der Ausübung des Wahlrechts gemäß § 281 IV BGB nicht mehr beansprucht werden. Die Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung führt mithin gemäß § 281 IV zum Erlöschen des vertraglichen Primärleistungsanspruchs.
„[14] Aus dieser Norm ergibt sich, dass nunmehr Ersatz in Geld geschuldet ist (…). Nach der gefestigten höchstrichterlichen Rechtsprechung kann der Käufer im Rahmen des … kleinen Schadensersatzes gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB entweder Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache oder Ersatz der voraussichtlich erforderlichen Mängelbeseitigungskosten verlangen (…).
[15] Der Schadensersatz statt der Leistung dient dem Ausgleich des Äquivalenzinteresses; geschützt wird im Bereich der kaufrechtlichen Sachmängelhaftung die Erwartung des Käufers, Wert und Nutzungsmöglichkeit einer vertragsgemäßen Sache zu erhalten (…). Da der Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB „statt der Leistung“ gewährt wird, kann der Gläubiger verlangen, wirtschaftlich so gestellt zu werden, wie er stehen würde, wenn der Schuldner den Vertrag ordnungsgemäß erfüllt hätte (sog. positives Interesse, …). Entscheidet sich der Käufer – wie hier – für den Ausgleich des mangelbedingen Minderwerts, ist der Schadensersatzanspruch, …, auf den Ausgleich des Wertunterschieds zwischen der mangelfreien und der mangelhaften Sache gerichtet (…). Der Käufer bemisst daher seinen Schaden nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen in der Weise, dass er im Wege einer Vermögensbilanz die Differenz zwischen dem hypothetischen Wert der Kaufsache ohne Mangel und dem tatsächlichen Wert der Sache mit Mangel ermittelt (…). …“
K kann danach von B Schadensersatz in Geld verlangen, nachdem sein ursprünglicher (Nach-) Erfüllungsanspruch infolge der Geltendmachung des Schadensersatzes statt der Leistung gemäß § 281 IV BGB erloschen ist. Nach den vorstehenden Grundsätzen bemisst sich dieser auf Geldzahlung gerichtete Schadensersatzanspruch nach der Differenz zwischen dem Wert der Wohnung ohne Mangel – hier: Benutzbarkeit auch des Spitzbodens zu Wohnzwecken – und dem Wert der Wohnung mit Mangel – hier: Benutzbarkeit des Spitzbodens nur als Wohnnebenraum. Danach beläuft sich der „kleine“ Schadensersatzanspruch statt der Leistung auf 54.000 Euro.
Fraglich ist jedoch, ob K den Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache auch dann verlangen kann, wenn die Mängelbeseitigungskosten gerade einmal 11.000 Euro betragen und damit einen Betrag deutlich unterhalb des Minderwerts der Kaufsache ausmachen.
Bei Grundstückskaufverträgen kann als erster Anhaltspunkt davon ausgegangen werden, dass die Kosten der Mängelbeseitigung unverhältnismäßig sind, wenn sie den Verkehrswert des Grundstücks in mangelfreiem Zustand oder 200 % des mangelbedingten Minderwerts übersteigen (hier und zum Folgenden: BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, Rn. 41 ff.). Dieser Rechtsprechung liegt die Erwägung zugrunde, dass sowohl der Nacherfüllungsanspruch als auch der auf den Ersatz der fiktiven Mängelbeseitigung gerichtete Schadensersatzanspruch Grenzen unterliegen. Der BGH hat den Nacherfüllungsanspruch begrenzt, indem er in analoger Anwendung von § 251 II 1 BGB aus § 439 IV 2 BGB Vorgaben für die Unverhältnismäßigkeit der Nacherfüllung abgeleitet hat. Diese Begrenzung wirkt sich unmittelbar auf die Höhe des nachfolgenden Schadensersatzanspruchs aus und verhindert eine Überkompensation des Käufers. Kann der Verkäufer die Nacherfüllung verweigern, weil sie mit unverhältnismäßigen Kosten verbunden ist, beschränkt sich der Schadensersatzanspruch des Käufers auf den Ersatz des mangelbedingten Minderwerts (BGH, Urt. v. 13.05.2022 – V ZR 231/20, Rn. 21; BGH, Urt. v. 12.03.2021 – V ZR 33/19, Rn. 30). Der Verkäufer, der die Mängelbeseitigung wegen unverhältnismäßiger Kosten verweigern darf, soll nicht im Wege des Schadensersatzes verpflichtet sein, diese Kosten zu tragen (BGH, Urt. v. 04.04.2014 – V ZR 275/12, Rn. 36).
Dies könnte vorliegend zu einer Begrenzung des Schadensersatzanspruchs führen. Es ist jedoch zweifelhaft, ob sich die vorstehende Rechtsprechung auf die hiesige Konstellation wertungsmäßig übertragen lässt.
„[18] … Das Gesetz sieht – anders als bei der Nacherfüllung durch Beseitigung des Mangels – keinen Ausschluss des Ausgleichs des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache wegen Unverhältnismäßigkeit vor. Maßstab der Schadensbemessung ist die durch den Mangel der Kaufsache verursachte Störung des Äquivalenzverhältnisses (…). Eine Beschränkung auf die Mängelbeseitigungskosten könnte zu einer vertraglich nicht geschuldeten und nicht gerechtfertigten Einschränkung des Wahlrechts des Käufers bei der Bemessung seines Vermögensschadens führen. Gegen eine Verweisung des Käufers auf die geringeren Mängelbeseitigungskosten spricht ferner ein Vergleich mit seinem gemäß § 437 Nr. 2 BGB wahlweise zur Verfügung stehenden Recht auf Minderung. Eine Begrenzung des Minderungsbetrags auf die Mängelbeseitigungskosten sieht das Gesetz – … – auch dann nicht vor, wenn die Mängelbeseitigungskosten erheblich geringer sind als der mangelbedingte Minderwert.
[19] Andererseits muss die Schadensbemessung das vertragliche Leistungsdefizit zutreffend abbilden. Sie darf nicht zu einer Überkompensation und damit einer nach allgemeinen schadensrechtlichen Grundsätzen (…) nicht gerechtfertigten Bereicherung des Gläubigers führen. Im Kaufrecht ist richtiger Bezugspunkt für die Schadensermittlung die Nacherfüllung, zu der der Verkäufer vorrangig verpflichtet ist, und deren Ausbleiben der Schadensersatzanspruch kompensieren soll (…). Dies könnte dafür sprechen, dass zur Vermeidung einer Überkompensation eine Schadensbemessung nach dem mangelbedingten Minderwert der Kaufsache nicht verlangt werden kann, wenn dieser weitaus höher ist als der Nacherfüllungsaufwand.
[20] Letztlich kann aber dahinstehen, ob überhaupt und ggf. ab welcher Grenze der Käufer auf die zu der Mängelbeseitigung erforderlichen Kosten verwiesen werden kann, wenn diese wesentlich geringer sind als der mangelbedingte Minderwert der Kaufsache. Der Schadensersatzanspruch soll das Ausbleiben der Nacherfüllung kompensieren (…).Der Käufer, der von dem Verkäufer im Rahmen des kleinen Schadensersatzes gemäß § 437 Nr. 3, § 280, § 281 Abs. 1 BGB Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache verlangt, kann daher jedenfalls dann nicht auf wesentlich geringere Mängelbeseitigungskosten verwiesen werden, wenn der Mangel damit nicht ohne Zweifel behoben werden kann. …“
So verhält es sich hier.
„[20] … Die Mängelbeseitigungskosten stellen keine volle Kompensation dar, denn sie bilden das erhebliche (Prozess-)Risiko des Klägers nicht ab, der eine Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken nicht ohne Zustimmung der anderen Wohnungseigentümer erreichen kann.“
Die Nutzung des Spitzbodens zu Wohnzwecken bedarf einer Änderung der Teilungserklärung. Nach dieser dient der Spitzboden nicht Wohnzwecken. Der Zweckbestimmung nach handelt es sich um einen Wohnnebenraum, der zwar zu der Wohneinheit des K gehört, aber nicht zu Wohnzwecken genutzt werden darf, sondern nur untergeordneten Zwecken, etwa als Lager- oder Abstellraum, dient (sog. „unselbstständiges Teileigentum”). Da vorliegend unklar ist, ob die übrigen Wohnungseigentümer gemäß § 10 II WEG verpflichtet wären, einer Änderung der Teilungserklärung zuzustimmen, besteht jedenfalls ein ganz erhebliches Prozessrisiko für K. K, der von V im Rahmen des kleinen Schadensersatzes gemäß §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB Ausgleich des mangelbedingten Minderwerts der Kaufsache verlangt, kann deshalb nicht auf wesentlich geringere Mängelbeseitigungskosten verwiesen werden, weil der Mangel damit nicht ohne Zweifel behoben werden kann.
Eine betragsmäßige Begrenzung des Schadensersatzanspruchs scheidet demnach aus.
V. Ergebnis
K hat gegen B einen auf Zahlung von 54.000 Euro gerichteten Schadensersatzanspruch aus den §§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB.
C. Prüfungsrelevanz
Die Entscheidung darf als „Steilvorlage“ für eine Klausur zum großen Schein im Zivilrecht und – zumindest als Teilaspekt – für eine Examensklausur im Zivilrecht mit Schwerpunkt im (kaufrechtlichen) Leistungsstörungsrecht bezeichnet werden. Sie befasst sich mit einer häufig thematisierten Anspruchsgrundlage (§§ 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 I BGB), setzt fundierte Kenntnisse zum Zweck und zum Umfang eines solchen Schadensersatzanspruchs voraus („kleiner“ vs. „großer“ Schadensersatz statt der Leistung) und befasst sich zudem mit den allgemeinen Grundsätzen zur Schadensberechnung (§§ 249 ff. BGB) und einer teleologischen Begrenzung des Schadensersatzanspruchs (Stichwort: keine Überkompensation des Käufers). Mehr braucht es für eine „runde“ Klausur nicht.
(BGH Urteil v. 25.05.2023 - Az.: V ZR 134/22)
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